Rentensystem am Limit: Experten sehen massiven Reformdruck
Rentensystem am Limit: Experten sehen massiven Reformdruck
Demografischer Wandel war vorhersehbar – Fondsbranche sieht Kapitaldeckung als eine Lösung – Finanzbildung gefordert
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Auf dem Finanzplatztag diskutierten Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, und Vincenzo Vedda, CIO von DWS, über die Zukunft der Altersvorsorge. Beide Experten waren sich einig, dass das derzeitige Rentensystem unter massivem Reformdruck steht. Der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung belasten das Umlageverfahren zunehmend.
Seit 25 Jahren bekannt
Reinke machte deutlich, dass die Herausforderungen in der Rentenpolitik nicht überraschend kommen. „Die Diskussion darüber ist nicht neu – die aktuellen Probleme waren bereits vor 25 Jahren absehbar“, betonte er. Dennoch sei es versäumt worden, rechtzeitig politische Maßnahmen zu ergreifen. Besonders der Renteneintritt der Babyboomer-Generation stelle das System vor enorme Belastungen. Bis 2035 wird eine große Zahl an Arbeitnehmern in den Ruhestand gehen, während die nachfolgenden Generationen deutlich kleiner ausfallen. Das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern verschlechtere sich zunehmend, was zu einer wachsenden Finanzierungslücke in der gesetzlichen Rentenversicherung führe.
Darüber hinaus werde sich auch die Kundenstruktur der Finanzbranche drastisch verändern. „Heute sind bereits 55% der Kunden von Volks- und Raiffeisenbanken über 50 Jahre alt. In zehn Jahren wird dieser Anteil noch größer sein“, erklärte Reinke. Die wachsende Zahl älterer Menschen und die sinkende Zahl junger Beitragszahler würde sich langfristig auf die gesamte Finanz- und Wirtschaftspolitik auswirken.
Frührente nicht subventionieren
Ein zentrales Thema der Diskussion war die kapitalgedeckte Altersvorsorge, die als Lösung für die wachsenden Herausforderungen angesehen wird. Reinke sieht drei essenzielle Maßnahmen als notwendig an: Erstens müsse die Lebensarbeitszeit flexibler gestaltet werden, da eine stufenweise Anhebung des Rentenalters unvermeidlich sei. Zweitens sei es erforderlich, Anreize für längeres Arbeiten zu schaffen. „Vorzeitige Renteneintritte dürfen nicht weiter staatlich subventioniert werden“, betonte er. Drittens müsse die private Altersvorsorge deutlich ausgebaut werden.
Vedda stimmte dem zu und unterstrich, dass Deutschland bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge im internationalen Vergleich weit zurückliegt. „Deutschland liegt mit einem Anteil von nur 7% des BIP bei kapitalgedeckter Altersvorsorge weit hinter Ländern wie Norwegen mit 191% oder den USA mit 134%“, erklärte er. Vedda sieht hier erheblichen Nachholbedarf und forderte eine stärkere finanzielle Bildung, um das Bewusstsein für alternative Altersvorsorgemodelle zu schärfen.