Jan Altersten

Riverty will Inkasso und BNPL-Dienste integrieren

Alles unter einem Dach: Der Zahlungsdienstleister Riverty will sich zum integrierten Finanzdienstleister weiterentwickeln. Im Mittelpunkt solle künftig der Konsument stehen, sagt CEO Jan Altersten.

Riverty will Inkasso und BNPL-Dienste integrieren

Von Annette Becker, Köln

Die Inkassorechtsreform, die im Herbst 2021 in Kraft getreten ist, hat bei so manchem Forderungseinkäufer zum Umdenken geführt. Für Riverty, wie die Bertelsmann-Tochter Arvato Financial Solutions seit 1. Oktober heißt, gab sie sogar den Anstoß zur Transformation hin zu einem Dienstleister, der auf allen Stufen der finanziellen Wertschöpfungskette unterwegs ist, wie CEO Jan Altersten im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert. Denn das Absenken der Inkassogebühren schlug eins zu eins auf das Ergebnis des Inkassodienstes Paigo durch.

Aus Sicht von Altersten warf das die Frage auf, wer im Inkassosystem eigentlich den Wert schafft. Im jetzigen System schien das der Gesetzgeber zu sein, der indirekt die Gewinnhöhe festlegt. Für den Schweden war daher klar, dass Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden müssten, für die Kunden bereit sind zu zahlen. Herausgekommen ist die Idee, Arvato Financial Solutions zu einem integrierten Finanzdienstleister umzubauen oder, wie Altersten sagt, „zu einem menschenzentrierten Fintech“. Dabei steht der Konsument im Mittelpunkt des finanziellen Ökosystems, in dem Riverty die Verantwortung für die Abwicklung der diversen Finanztransaktionen übernimmt. Von daher will Altersten auch keine Unterscheidung treffen, ob Riverty ein B2B- oder B2C-Geschäftsmodell betreibt, denn die Übergänge seien fließend. Kunden im herkömmlichen Sinne sind für Riverty Händler und andere Forderungsverkäufer. Umgekehrt sei das „Interface“ zum Konsumenten ausschlaggebend. Wenn dieses nicht attraktiv sei, verweigere der Geschäftskunde Riverty den Zugang zu den Endkunden, sagt Altersten.

Neben Inkassodiensten geht es bei Riverty um Kredite nach dem „Buy now pay later“-Prinzip sowie um Embedded Finance. Riverty vermarktet sich dabei als Allrounder, der alle Dienste unter einem Dach anbietet und damit nach Einschätzung von Altersten den Kunden am besten ansprechen kann. „Wir sind die Einzigen, die die gesamte Bandbreite innerhalb des BNPL-Geschäfts abdecken“, freut sich der Riverty-Chef, der darin den entscheidenden Wettbewerbsvorteil sieht.

Kampf ums Überleben

Zupass komme Riverty dabei auch, dass mit Bertelsmann ein familiengeführtes Unternehmen hinter dem Finanzdienstleister steht, das den langfristigen Ansatz unterstützt und entsprechend die für die Transformation benötigten Investitionen bereitstellt. Zumal die Branche gerade am Scheideweg steht: Zahlreiche Fintechs kämpfen ums Überleben, allen voran jene, die zur Finanzierung auf den Kapitalmarkt angewiesen sind. Der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna musste beispielsweise im Sommer eine Finanzierungsrunde zu einem Bruchteil der früheren Bewertung durchführen. Zugleich sind die Kurse börsennotierter Wettbewerber ins Bodenlose gestürzt, das verschärft die finanzielle Situation.

Hinzu kommt das gesamtwirtschaftliche Umfeld, das sich mit steigenden Zinsen, hoher Inflation und dramatisch verteuerten Energie­kosten stark eingetrübt habe. Es sei zwar richtig, dass dieses Umfeld manche Geschäftsaktivitäten befeuere, „mehr Geld verdienen wir dadurch aber nicht notwendigerweise“, verdeutlicht Altersten. Im Vergleich zum Wettbewerb sieht sich der Riverty-Chef jedoch gut positioniert, um auch in einem härter werdenden Umfeld bestehen zu können.

Maschinelles Lernen

Mit ihren BNPL-Diensten ist Riverty nach eigenen Angaben heute schon die Nummer 2 in Europa. Im In­kas­sogeschäft gehört die Gesellschaft im deutschsprachigen Raum zu den Top 3, die einen Marktanteil von 60 % auf sich vereinen. Die einzelnen Dienstleistungen betreibt Ri­verty schon seit vielen Jahren, jetzt geht es laut Altersten darum, die verschiedenen Dienste miteinander zu verzahnen. Auf der Hand liegt das darin schlummernde Synergiepotenzial, wandern ausfallgefährdete BNPL-Kredite doch automatisch ins hauseigene Inkasso, wie Altersten er­läutert. „All diese Transaktionen ge­hören zusammen“, ist der Manager überzeugt. Von Vorteil sei auch, dass auf einen ganz anderen Datenpool zurückgegriffen werden könne, denn eine verlässliche Risikobewertung ist im Forderungsgeschäft die halbe Miete.

Beim Bau des eigenen Scoringmodells „nutzen wir alle offiziellen Quellen, die relevante Daten liefern“. Riverty wolle sicherstellen, dass kein Konsument ausgeschlossen werde, zugleich aber verhindern, dass Konsumenten in die Überschuldung getrieben werden. Dem maschinellen Lernen misst Altersten beim Bau des Algorithmus eine entscheidende Rolle bei, auch wenn das heute noch Zukunftsmusik ist.

Zwar sind Scoringmodelle mit Blick auf die Daten, die verwendet werden dürfen, und die Informationen, die dem Konsumenten zur Verfügung gestellt werden müssen, stark reguliert. Der Einsatz von maschinellem Lernen werde dagegen nur indirekt reguliert. „Damit liegt die Verantwortung für einen fairen Umgang mit dem Kunden aber auch bei uns“, weiß Altersten. Verknüpft ist damit die Herausforderung, dass die Scoringergebnisse auch beim Einsatz modernster Algorithmen nachvollziehbar bleiben müssen, unabhängig davon, dass solche Algorithmen nachweislich akkuratere Ergebnisse lieferten.

Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Social-Media-Daten, der ebenfalls kaum reguliert sei. „Manche Player nutzen das schon, wir bisher nicht“, sagt der Manager und verweist auf Ant Financial aus China. In diesem Zusammenhang werde es in den nächsten Jahren spannende Diskussionen geben, was den Algorithmen künftig erlaubt ist und was nicht.

Doch Algorithmus hin oder her, am Ende sei der Umgang mit dem Kunden und dessen Daten entscheidend. Im Gespräch mit den Ge­schäftskunden laute das ausschlaggebende Argument: „Du musst Dich um nichts kümmern, Dein Geld bekommst Du in jedem Fall. Das ist die Riverty-Story gegenüber Händlern.“ Allerdings könne das in manchen Fällen auch bedeuten, dass Riverty einen Kunden nicht akzeptiere. Das sei dem Händler dann schwer zu vermitteln, bedeute das für diesen doch verlorenen Umsatz.

Doch Altersten ist überzeugt: „Wir müssen den Konsumenten in den Mittelpunkt rücken und sein Financial Guide werden.“ Natürlich nehme es viel Zeit in Anspruch, beim Konsumenten in diese Rolle hineinzuwachsen, doch werde sich das auszahlen. Letztlich zielt Riverty auch darauf ab, dass ihr der Konsument Einblick in sein Bankkonto gewährt.

„Für Deutsche ist das ein sehr sensibles Thema, in anderen Ländern begrüßt der Verbraucher das als Service“, konstatiert Altersten. Denn der Algorithmus sei auch in der Lage auszurechnen, welche Höhe an Inkasso-Ratenzahlung sich der Konsument noch leisten könne: „Das ist eines der Beispiele, wie wir den Konsumenten schützen.“

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