Run-off in den USA kommt voran
Von Michael Flämig, München
„Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen“, sagt Holger Tewes-Kampelmann rund sieben Jahre nach Beginn der Abwicklung von Altlasten in der US-Sachversicherung. Der CEO der Allianz Re, bei der das Run-off-Geschäft im Jahr 2015 gebündelt worden ist, sieht Zweidrittel des Weges bewältigt. Er sei für die Zukunft optimistisch, wenn sich die Markt- und Rechtssituation nicht grundsätzlich ändere. Tewes-Kampelmann erwartet daher keine Verluste aus dem Abbau des Portfolios, das großteils aus gewerblichen Altfällen wie Asbest- oder Umweltschäden sowie Unfallversicherungen für Arbeitnehmer der ehemaligen Tochter Fireman’s Fund besteht. So könne das Eigenkapital von 700 Mill. Dollar freigesetzt werden, berichtet der Manager, der vor seiner Berufung an die Spitze von Allianz Re 2021 die Abwicklungseinheit leitete.
Die Münchner hatten ihrer Tochter Allianz Re die Schadenrückstellungen von 4 Mrd. Dollar übertragen. „Wir gehen mit einer schwarzen Null heraus“, sagt Tewes-Kampelmann. Dies höre sich vielleicht nicht sehr erfolgreich an. Tatsächlich habe die Allianz aber anders als früher keine negativen Überraschungen mehr erlebt. Der Grund: In der Arbeiterunfallversicherung sei es durch intensive Betreuung der Fälle gelungen, 30% der Reserven, die 1 Mrd. Dollar betragen hätten, einzusparen: „Mit diesem Geld haben wir negative Entwicklungen im Markt beispielsweise bei Asbest- oder Umweltschäden komplett kompensiert.“
Know-how für Leben-Rück
Ein Erfolgsfaktor sei, dass die Allianz die Bestände nicht mehr in den lokalen Gesellschaften manage, sagt der Chef des Rückversicherers. Denn dort konzentrierten sich die Führungskräfte auf das laufende Geschäft. Die Allianz Re dagegen habe anfangs 120 und nun noch 100 Schadenexperten auf die Fälle angesetzt: „Die Kollegen kümmern sich tagtäglich um die Schäden.“ Außerdem habe man sich Kompetenz über die Partnerschaft mit einem externen Anbieter gesichert. In der Folge seien beispielsweise Gerichtsprozesse gegen Rückversicherer, die erstinstanzlich verloren worden waren, zugunsten der Allianz ausgegangen. In zwei Fällen habe man addiert gut 90 Mill. Dollar hereingeholt.
Der Rückversicherer wird mittlerweile auch an anderer Stelle eingesetzt, um die Rendite in jenen Fällen zu heben, in denen Altbestände optimiert werden sollen. In der Lebensversicherung – dort gilt eine Eigenkapitalrendite von 13% als Mindestziel – wurde zuletzt für Portfolien in der Schweiz und in den USA eine Rückversicherungslösung gewählt. „Unsere Aufgabe ist, dass das Know-how für das Produkt Rückversicherung angewendet wird“, sagt Tewes-Kampelmann: „Wir arbeiten an weiteren Abschlüssen.“ In Deutschland stehe dies aber derzeit nicht zur Diskussion, bestätigt er. Der Grund: Die angestrebte Rendite könne auch mit anderen Mitteln erreicht werden.
Ein dritter Ansatz der Allianz Re zielt ebenfalls auf eine bessere Kapitalnutzung: Durch die Bündelung von Risiken der Allianz-Gesellschaften in strukturierten Rückversicherungslösungen sinke der Kapitalbedarf um 30 bis 40%. Diese Diversifikation habe 7,4 Mrd. Euro Cash in den Jahren 2015 bis 2020 gebracht, rechnete die Allianz auf dem Kapitalmarkttag im Dezember vor – das Geld konnte somit durch die Gruppe in Wachstum oder auch Aktienrückkäufe investiert werden.
Keine Rolle spielen für die Allianz Re seit einigen Jahren Naturkatastrophen-Anleihen. Dies könne sich aber ändern, erklärt Tewes-Kampelmann: „Die Preise für Rückversicherung sind hochgegangen, darum schauen wir es uns im laufenden Jahr wieder etwas näher an.“
Insgesamt sollen weitere Kapitaloptimierungen nach dem Willen des Allianz-Vorstandsvorsitzenden Oliver Bäte dazu beitragen, das Ergebnis pro Aktie im Zeitraum 2021 bis 2024 zu erhöhen. Das Kapitalmanagement soll ein Wachstum von 1 bis 2% Prozent pro Jahr bringen, insgesamt sind jährlich 5 bis 7% geplant.
Neue Aktionsfelder erobert sich die Allianz Re nicht nur in der Kapital- und Altlastenbewirtschaftung, sondern auch in einer weiteren Säule des Geschäfts: dem Management von Naturkatastrophenrisiken. Diese Risiken würden traditionell bei seiner Gesellschaft zusammengeführt, berichtet Tewes-Kampelmann. Das Know-how habe man in der Vergangenheit nur dafür genutzt, Rückversicherungsschutz zu kaufen: „Nun bringen wir die Erkenntnisse auch in die Bepreisung ein, die unsere Schwestergesellschaften für ihre Produkte wählen.“ Die Idee: Wenn ein Risiko wie eine Sturzflut in Deutschland gut modelliert sei, könne dies in den Beiträgen der Allianz Deutschland reflektiert und diese Erkenntnis dann in anderen Ländern der Gruppe angewendet werden.
So habe man die industrieweit verwendeten Karten überflutungsgefährdeter Flächen um spezifische Komponenten etwa zu Starkregen ergänzt, erklärt Tewes-Kampelmann. Die Allianz Re könne den operativen Gesellschaften letztlich für jedes Gebäude auf Basis der Adresse eine Risikoeinschätzung zu verschiedenen Naturkatastrophen geben. Dies gelte auch für Waldbrände oder Erdbeben. „Man kann aber auch über Naturkatastrophen hinaus denken“, so Tewes-Kampelmann. So könne beispielsweise eine Datenbank zur Härte von Wasser in einzelnen Regionen erlauben, die drohenden Schäden durch Verkalkung besser einschätzen zu können.
Auch Sicht von Tewes-Kampelmann passt dies gut zu jenen einfachen Produkten, die der Konzern anstrebt. Eine Wohnortadresse reiche für eine Risikoeinschätzung aus: „Für den Kunden ist die Eingabe ein einfacher Prozess, am Ende steht aber ein sophistizierter Tarif.“
Im Jahr 2020 addierten sich die Bruttobeitragseinnahmen auf 6,8 Euro, pandemiebedingt sank das operative Ergebnis auf 104 Mill. Euro (siehe Grafik). Den Rückgang der Beiträge in den ersten neun Monaten 2021 um 23% begründete die Allianz Re mit einer Umstellung in der Darstellung bestimmter interner Zessionen. Das gezeichnete Volumen habe sich im Vergleich zum Vorjahr nicht signifikant verändert.
Einen weiteren Ausbau des Geschäfts der Allianz Re plant Tewes-Kampelmann im Moment nicht. Er wolle die Anwendungen auf ein höheres Niveau bringen, sagt er: „Mein Ziel ist, dass wir in allen Aktivitäten, die wir betreiben, zu den Besten gehören.“