Sachversicherer erhöhen die Preise
Von Michael Flämig, München
„Die Schaden- und Unfallversicherer sollten die Auswirkungen der Inflation nicht unterschätzen“, hatte BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund vor kurzem erklärt. Die Aufsicht konzentriert sich mit ihrer Mahnung auf die Reserven. Der Kapitalmarkt dagegen wirft einen kritischen Blick auf die Preissteigerungen. In der August-Analystenkonferenz des Versicherers Allianz zielten sieben der zehn Fragesteller auf dieses Thema. Kein Wunder, schließlich steigen die Schadenzahlungen unmittelbar, aber die Beitragseinnahmen der Versicherer nur mit Verzögerung.
Das Beispiel des Versicherers zeigt, wohin die Reise geht. Das Wachstum in der Schaden- und Unfallversicherung ist enorm. Von April bis Ende Juni nahmen die Münchner bereinigt um Wechselkurseffekte und M&A 11,1% mehr als zwölf Monate zuvor ein. Finanzvorstand Giulio Terzariol erklärte: „Dieses Wachstum ist zum großen Teil auf Preiserhöhungen zurückzuführen.“
Er bezifferte den Bestandteil innerhalb der internen Wachstumsrate auf 5,8 Prozentpunkte. Die Raten seien sehr unterschiedlich von Land zu Land. Teils hat die Allianz die Raten auch im deutlich zweistelligen Prozentbereich erhöht. Das Plus im deutschen Sachversicherungsgeschäft beträgt in den ersten sechs Monaten des Jahres 3,1% nach 2,0% im Gesamtjahr 2021.
Preise steigen und steigen
Offensichtlich ist: Damit leisten die Preise in der Allianz-Gruppe einen immer stärkeren Beitrag zum Wachstum. Im ersten Quartal waren es 4,1 Punkte, im Jahr 2021 nur 2,2 Punkte (siehe Grafik). Zudem zeigen die Preisveränderungen im Neugeschäft, wohin die Reise geht. Terzariol sagte, im ersten Halbjahr seien sie um 4,2 % gestiegen. Im ersten Quartal hatte die Allianz nur 4,0 % gemeldet, im gesamten Jahr 2021 sind es 3,6 % gewesen. Für Terzariol ist klar, dass das aktuelle Niveau nicht das Ende der Fahnenstange ist: „Es ist zu erwarten, dass diese Zahlen in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 steigen werden.“
Mit Preiserhöhungen allein ist es jedoch für die Allianz nicht getan. Denn es dauert, bis ein Versicherer die höheren Raten im gesamten Bestand durchsetzen kann. Die Allianz habe Geld für die Auswirkungen der Inflation zurückgelegt, daher sei die kombinierte Schaden-Kosten-Quote im zweiten Quartal um einen guten Prozentpunkt höher ausgefallen als ohne diesen Effekt, sagte Terzariol. Man wisse nicht, ob die Reserve letztlich wirklich gebraucht werde, machte Terzariol klar: „Aber in einem Umfeld wie diesem ist es auf jeden Fall besser, auf der konservativen Seite zu stehen.“
Hat die Allianz damit genug getan? Analysten wie Andrew Ritchie von Partner Insurance sind besorgt, dass sich Reservierungen wiederholen, wenn Preiserhöhungen nicht durchgesetzt werden können. Terzariol winkt aber angesichts der Entwicklung im zweiten Quartal ab: „In Zukunft werden wir definitiv eine Situation erleben, in der die Notwendigkeit, zusätzliche Reserven zu bilden, abnehmen wird.“
Allerdings muss eigentlich in der Zwischenzeit eine niedrigere Profitabilität in Kauf genommen werden. Im Fall der Allianz bieten die Kapitalerträge zumindest einen Puffer, wie der Blick auf das zweite Quartal zeigt. Die Rendite von Anleihen stieg in den vergangenen zwölf Monaten extrem stark von 0,52 auf 0,66%. Hauptsächlich seien die Erträge von inflationsindexierten Anleihen getrieben worden, erläuterte Terzariol. Im Laufe des ersten Quartals habe die Allianz derartige Bonds zugekauft: „Dies ist ein Teil der Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um die Situation zu bewältigen.“
Spekulativ sei der Kauf nicht gewesen, betonte der Finanzvorstand. Vielmehr seien die inflationsindexierten Anleihen für die Allianz ein Instrument, das eine Art Absicherung gegen die steigenden Ausgaben für Versicherungsschäden darstelle. Die Erträge schlügen mit einer Verzögerung von ein paar Monaten durch: Man werde hohe Kapitalerträge im dritten sowie vierten Quartal und auch im kommenden Jahr sehen.
Auch jenseits der Spezial-Anleihen werden die Kapitalerträge der Schaden- und Unfallversicherer steigen. Der Anlagehorizont ist mit einem halben Dutzend Jahren viel kürzer als in der Branche der Lebensversicherung, so dass nach der Zinswende höher rentierliche Anlagen schnell einen großen Einfluss auf die Gesamtrendite haben werden.
Werden die Versicherer ihre Preiserhöhungen dämpfen, weil sie die Schadeninflation teils über höhere Kapitalgewinne ausgleichen können? Im Moment konzentriere sich die Branche auf die Auswirkungen der Inflation, betonte Terzariol: „Das kann sich ändern, wenn wir im Laufe der Zeit wirklich sehen, dass es in einem gewissen Umfang höhere Kapitalerträge gibt.“