Sachversicherung überholt Lebensversicherung
Sachversicherung bei Einnahmen bald Spitze
Inflation treibt Prämien – Lebensversicherungsgeschäft mit Einmalbeiträgen bricht ein
lee Frankfurt
Die Sachversicherung könnte der Lebensversicherung bei den Prämieneinnahmen in Deutschland im laufenden Jahr erstmals seit 1997 wieder den Rang ablaufen. Das zeichnet sich laut dem am Donnerstag vorgestellten Versicherungsreport der Allianz ab. Ursache der Entwicklung dürfte die Zinswende sein, die andere Anlageprodukte für private Anleger attraktiver macht.
Rückkehr auf Wachstumspfad
Wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Studie des weltgrößten Versicherers hervorgeht, kehrte der deutsche Versicherungsmarkt 2023 auf den Wachstumspfad zurück. Die gesamten Beitragseinnahmen der Branche stiegen demnach um 1,4% auf 223 Mrd. Euro. Während die Sachversicherung um 5,6% und die Krankenversicherung um 2,3% zulegte, musste die Lebensversicherung demnach einen Rückgang um 3,9% hinnehmen. Dieser war den Angaben zufolge ausschließlich auf den Einbruch des Einmalbeitragsgeschäfts zurückzuführen.
Stärkster Zuwachs seit der Finanzkrise
Weltweit ist der Versicherungsmarkt den Berechnungen der Allianz zufolge im vergangenen Jahr so stark gewachsen wie seit 2006 nicht mehr. Unter dem Strich legte der Markt demnach um 7,5% auf 6,2 Bill. Euro zu. In den vergangenen drei Jahren habe sich das Plus auf 21,5% summiert, was in absoluten Zahlen einem Anstieg um 1,1 Bill. Euro entspreche.
Reale Prämien stagnieren
Zur Wachstumsbranche gemausert hat sich die Versicherungswirtschaft damit aber noch lange nicht. Tatsächlich ist das Prämienwachstum fast ausschließlich auf die Inflation zurückzuführen, die weltweit wieder gestiegen ist. Insbesondere in der Kfz-Versicherung war zuletzt gut zu beobachten, wie die Versicherer die sprunghaft angestiegenen Reparaturkosten in Form von steigenden Prämien an ihre Kunden weitergeben. Rechnet man diesen Effekt heraus, schrumpft das Prämienwachstum der vergangenen drei Jahre auf 0,7% zusammen.
Globales Wachstum in allen Sparten
Nachdem das globale Prämienwachstum 2022 vor allem von der Sachversicherung getragen wurde, verteilte es sich den Angaben zufolge im abgelaufenen Jahr gleichmäßiger. Die Lebensversicherung verzeichnete demnach ein Plus von 8,4%, die Sachversicherung von 7,1% und die Krankenversicherung von 6,6%. Als Wachstumsmotor des Lebensversicherungsgeschäfts habe sich im vergangenen Jahr vor allem Asien erwiesen. Hier legten die Prämieneinnahmen demnach um 14,9% zu. Asien ist laut Allianz-Report mit einem Marktanteil von 39% der wichtigste Markt für die Lebensversicherung.
Nordamerika dominiert in der Sachversicherung
In der Sachversicherung sind die regionalen Marktanteile laut der Allianz-Studie noch ungleicher verteilt. Hier entfällt mehr als die Hälfte, genauer gesagt 54,2%, auf Nordamerika. Die Region verzeichnete den Angaben zufolge ein Wachstum von 7,1%, was dem globalen Wachstum entspricht.
Wachstum im Gleichklang mit der Weltwirtschaft
In den nächsten zehn Jahren werde der globale Versicherungsmarkt mit einer jährlichen Rate von durchschnittlich 5,5% wachsen, prognostizieren die Autoren. Das entspricht exakt ihrer Prognose für das weltweite Wirtschaftswachstum. In der vergangenen Dekade waren die Prämieneinnahmen demnach langsamer gewachsen als die Weltwirtschaft. Während sich das Wachstum in der Sachversicherung wie auch in der Krankenversicherung dank eines nachlassenden Inflationsdrucks etwas verlangsamen werde, werde sich die jährliche Wachstumsrate in der Lebensversicherung infolge höherer Zinsen spürbar erhöhen.
Versicherbarkeit rückt in den Fokus
Angesichts der weltweit steigenden Risiken rückt nach Ansicht der Autoren die Frage nach der Versicherbarkeit in den Fokus. „Präventive Maßnahmen, neue Technologien und intelligente Partnerschaften können die Grenzen der Versicherbarkeit verschieben, aber sie können sie nicht aufheben“, heißt es.
Ermahnung zu nachhaltigem Lebensstil
Der Chefvolkswirt der Allianz, Ludovic Subran, appelliert in diesem Zusammenhang für einen nachhaltigen Lebensstil. Der Zielkonflikt zwischen Erschwinglichkeit und Versicherbarkeit könne immer noch gelöst werden, heißt es in der Studie mit Blick auf die Klimakrise. „Aber die notwendigen Kompromisse werden nicht schmerz- oder kostenfrei sein“, unterstreicht Subran. Eine nicht versicherbare Welt wäre demnach auch ein Ausdruck für ein kollektives ethisches Versagen.