Schanghai will Brücken nach Europa schlagen
China versucht mit neuem Elan, die Internationalisierungsbestrebungen des Finanzplatzes Schanghai anzugehen. Schwächelnde Aktienmärkte und Wechselkursturbulenzen haben die Agenda zwar ins Stocken gebracht. Nun aber treten mit Brückenschlägen nach Frankfurt und London zwei Prestigeprojekte in ihre entscheidende Phase.Von Norbert Hellmann, SchanghaiChina liebt feierliche Zielvorgaben und Entwicklungspläne für die Wirtschaft. Auch für Schanghai als Epizentrum des Finanzplatzgeschehens auf dem chinesischen Festland steht eine Zielmarke an, die sich mit dem Anspruch verbindet, bis 2020 als ein sogenannter International Financial Hub dazustehen. Der Plan für den Vorstoß in die globale Finanzplatzoberliga wurde zur Dekadenmitte vorgestellt und mit dem Antritt einer neuen Regierung im Jahr 2013 nachhaltig bekräftigt.Mittlerweile ist die Aktion Shanghai International Financial Center 2020 allerdings etwas aus dem Fokus geraten. Und es bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, um die Agenda so überzeugend voranzubringen, dass bis 2020 eine klare Zielerreichung gefeiert werden kann. Ein neues Finanzplatzranking des Londoner Researchhauses New Financial verdeutlicht die Problematik: In der Rangliste des “International Financial Center Index” wird Festlandchina nach den USA und Großbritannien insgesamt zwar bereits an dritter Stelle knapp vor Japan, Hongkong, Luxemburg und Deutschland geführt, doch liegt dies in erster Linie am Volumen des riesigen heimischen Kapitalmarktes. Im Ranking der Top-Finanzzentren auf Basis der internationalen Aktivität liegt China stark abgeschlagen auf dem 12. Platz, mit deutlichem Abstand zu Hongkong (siehe Grafik).Yngve Slyngstad, der Chef des norwegischen Staatsfonds als dem weltgrößten Sovereign Wealth Fund, sieht Schanghai zwar auf dem Wege zum führenden asiatischen Finanzzentrum, betont aber, dass die 2010 geschürten hohen Erwartungen nicht ganz erfüllt werden konnten. Tatsächlich ist der Schwung in der zweiten Dekadenhälfte etwas abhandengekommen. Sand ins Getriebe brachten etwa der chinesische Börsencrash vom Sommer 2015 und seine langen Nachwehen. Hinzu kamen Schwächeanfälle des chinesischen Yuan und eine nur mit verschärften Kontrollen in den Griff gebrachte Kapitalfluchtproblematik. Einige Reformvorhaben im Finanzsektor und die Pläne, den Yuan im raschen Tempo als internationale Reserve-, Handels- und Anlagewährung zu etablieren, sind damit ins Stocken gekommen. AufbruchsstimmungEs gibt allerdings Anzeichen dafür, dass sich Chinas Finanzmarktplaner einen neuen Ruck geben, um Reformvorhaben voranzutreiben. Dabei könnte sich der ausufernde Handelsstreit zwischen China und den USA als Triebfeder erweisen. Man ist nun erst recht bemüht, der Welt zu zeigen, dass Chinas sich nicht etwa abschottet, sondern eine engere Anbindung zur globalen Finanz-Community sucht, wobei Europa im Fokus steht. Zwei Projekte, die mittelbar auch den Finanzplatzwettbewerb zwischen Frankfurt und London berühren, sollen nun bis Jahresende entscheidend vorankommen.In den Bestrebungen, die Popularisierung von Yuan-denominierten Investmentprodukten voranzubringen, spielt Frankfurt eine Rolle für Chinas Finanzmarktplaner. Die vor drei Jahren als Joint Venture von Deutscher Börse, Shanghai Stock Exchange und Chinas Financial Futures Exchange (CFFE) in Frankfurt aufgezogene China Europe International Exchange AG (Ceinex) gibt den bislang ersten Marktplatz für Yuan-denominierte und Chinabezogene Investmentprodukte im Offshoremarkt ab und nimmt damit eine gewisse Sonderstellung ein. Dabei geht es allerdings weniger darum, auf große Umdrehungen und wuchtige Handelsvolumina zu kommen, sondern unter einem deutschen Regulierungsrahmen als vertrauensstiftende Maßnahme eine verlässliche Andockstelle für Engagements und Absicherungsgeschäfte mit Yuan-Finanzprodukten zu schaffen.Ceinex wird von chinesischen Banken für die Platzierung ausgewählter Anleihen genutzt und ist eine Anlaufstelle für Exchange Trade Funds (ETF) und Investmentfonds außerhalb Chinas geworden; etwa für Vehikel, die den chinesischen A-Share-Markt für Festlandaktien abbilden sowie auf internationale Investoren zugeschnittene Futures- und Optionsscheinprodukte.Ein entscheidender Erweiterungsschritt steht noch aus. Für Ceinex sind Initial Public Offerings (IPO) von bereits im A-Aktienmarkt gelisteten chinesischen Unternehmen angedacht, um ihnen eine zusätzliche Kapitalaufnahme an einer ausländischen Börse zu ermöglichen. Nach einigen Verzögerungen, die im Zusammenhang mit der Baisse-Stimmung an Chinas Börsen stehen, harrt man nun der ersten Ausgabe von sogenannten D-Shares, mit denen chinesische Unternehmen Kapital aufnehmen und ihren Bekanntheitsgrad erhöhen wollen. Den Anfang wird der global aufgestellte Haushaltsgeräteriese Haier machen. Geplant ist die Ausgabe von 460 Millionen Aktien, mit denen sich ein substanzielles IPO in einer Größenordnung von rund 1 Mrd. Euro abzeichnet. Eher NischenveranstaltungCeinex wird nach Einschätzung von Marktexperten auf absehbare Zeit eher eine Nischenveranstaltung bleiben. Den chinesischen Finanzmarktplanern kommt es darauf an, behutsam vorzugehen und mit einer sorgfältigen Auswahl von Kandidaten Skandale zu verhindern, wie man sie vor zehn Jahren bei deutschen Börsengängen einiger windiger chinesischer Kleinunternehmen erlebt hatte. Für einen Publicity-trächtigen Internationalisierungsschub soll die noch für dieses Jahr angedachte Börsenverbindung zwischen Shanghai Stock Exchange und London Stock Exchange (LSE) sorgen. Der Shanghai-London Stock Connect hat dabei die Handelsverknüpfungen zwischen der Hongkonger Börse und den Handelsplätzen in Schanghai und Shenzhen zum Vorbild, mit dem via Hongkong ein neuer Zugang zum Festlandmarkt mit A-Aktien geschaffen wurde. Die anfangs ventilierten großen Ambitionen einer echten Handelsverknüpfung mit einem gegenseitigen direkten Zugang zum jeweiligen Handel an den Börsen haben sich allerdings nicht erfüllt. Regulatorische Hürden und vor allem auch die Zeitzonenproblematik haben sich als Hindernisse erwiesen. Nach bisherigen Informationen beschränkt sich das Unterfangen auf eine stark limitierte Auswahl von Unternehmen auf beiden Seiten, die Hinterlegungsscheine ausgeben werden.Chinesische Blue-Chip-Unternehmen können dann mit Global Depositary Receipts (GDR) an die Londoner Anleger herantreten und dabei auch neues Kapital aufnehmen. Umgekehrt erhalten an der LSE gelistete Unternehmen die Gelegenheit, bestehende Aktien über Chinese Depositary Receipts (CDR) handeln zu lassen, dürfen aber keine neue Aktien in China emittieren. Hier spielen diverse regulatorische Vorbehalte auf chinesischer Seite eine Rolle. Den voraussichtlich im Dezember startende Shanghai-London Stock Connect wird man in China als Meilenstein für eine Internationalisierung zu feiern wissen. Experten bezweifeln allerdings, dass das System auf große Resonanz stoßen wird und sprechen eher von einem symbolischen Akt.—-Zuletzt erschienen:- “Ein Projekt der vergeudeten Chancen” (19. 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