Schwarz-Rot zeigt Brüssel die rote Karte

Entschließung des Bundestags gegen gemeinschaftlichen Einlagenschutz - Draghi macht sich für Vereinheitlichung stark

Schwarz-Rot zeigt Brüssel die rote Karte

Der Bundestag stellt sich dezidiert den Wünschen Brüssels nach einer gemeinschaftlichen Einlagensicherung in Europa entgegen. EZB-Präsident Mario Draghi macht sich indessen erneut für dieses Vorhaben stark.bn/wf Frankfurt/Berlin – Die schwarz-rote Koalition zeigt der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) in Sachen gemeinsame europäische Einlagensicherung die rote Karte. In einem gemeinsamen Entschließungsantrag lehnen die Fraktionen von CDU/CSU und SPD die vergemeinschaftete Einlagensicherung strikt ab. “Die Bundesregierung soll sich zum jetzigen Zeitpunkt dafür einsetzen, dass vor dem Hintergrund der bestehenden Defizite eine gemeinsame europäische Einlagensicherung oder Einlagenrückversicherung unterbleibt.” Dies schreiben die Fraktionen in dem Antrag, den sie heute im Bundestag formell beschließen werden. In den Fraktionen selbst hat diese Positionierungen bereits Zustimmung gefunden. Vollendung der BankenunionEU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dringt indessen auf ein EU-weite Einlagensicherung, in der die Sicherungssysteme grenzüberschreitend auch finanziell füreinander einstehen. Der Bundestag bezeichnet dies in der Entschließung als “nicht akzeptabel”. Für Juncker wäre dies aber ein weiterer Baustein zur Vollendung der europäischen Bankenunion. Dabei weiß er EU-Finanzmarktkommissar Jonathan Hill und EZB-Präsident Mario Draghi auf seiner Linie. Technisch soll es um ein Rückversicherungssystem gehen. Wie der Vorschlag im Detail aussieht, will die EU-Kommission noch im November vorlegen.Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wehrt sich gegen eine vergemeinschaftete Einlagesicherung. Mit der Entschließung stärken die Abgeordneten ihm nun den Rücken. Mehr können sie nicht tun, da direkter Verhandlungspartner der EU-Kommission der Europäische Rat ist, also die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, und nicht die nationalen Parlamente. Aber aus Berlin geht ein wichtiges Signal nach Brüssel, weil die Regierung sich nicht über die Parlamentsmehrheit hinwegsetzen kann. Keine Zeit für AusnahmenNoch mehr Bedeutung kommt der Entschließung durch ihren Zeitpunkt zu. Von Juncker waren in dieser Woche Äußerungen von Anfang Oktober bekannt geworden, nach denen er die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken von einer gemeinschaftlichen Einlagensicherung ausnehmen will. Beide Verbundgruppen versprechen ihren Kunden mit der Institutssicherung besonders weitreichenden Schutz. Zeitweise sah es so aus, als könnte ein solcher differenzierter Ansatz aus Brüssel für die deutsche Kreditwirtschaft den politischen Widerstand hierzulande brechen. Der Bankenverband BdB sah die privaten Banken schon als alleinige deutsche Zahler einer europaweiten Einlagensicherung und reagierte mit einer Kampfansage auf dieses Szenario. Die Entschließung des Bundestags war schon länger in Vorbereitung (BZ vom 2. Oktober). Dass die Fraktionen daran festgehalten haben, spricht gegen ein Einschwenken Berlins auf eine Ausnahmeregelung für bestimmte Institutsgruppen.Die Argumente der Parlamentarier für ihre Ablehnung decken sich mit denen Schäubles. Bislang sind in einer Reihe von EU-Ländern – anders als in Deutschland – die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie und die überarbeitete europäische Einlagensicherungsrichtlinie noch nicht einmal umgesetzt. Beides sind zentrale Bausteine der Bankenunion. Die europaweite Regelung zur Abwicklung von Banken stellt sicher, dass im Pleitefall eines Kreditinstituts über das sogenannte Bail-in erst Eigentümer und Gläubiger herangezogen werden, bevor der Steuerzahler geradesteht. Die harmonisierte Einlagensicherung führt gleiche Standards in der EU ein und hat die Auszahlungsfrist im Krisenfall verkürzt. In zahlreichen Ländern müssen die Banken nun erstmals vorab für die Einlagensicherung zahlen.Schäuble will erst diese EU-Vereinbarungen erfüllt sehen, bevor er über weitere Schritte spricht. Dies sieht auch der Bundestag so, er mahnt aber noch weitere Schritte an. So halten die Abgeordneten es für erforderlich, Staatsrisiken in den Bankbilanzen abzubauen. Dazu sei “die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen insbesondere in Europa zu überprüfen”. Zudem dringen die Parlamentarier auf eine EU-weite Umsetzung der Ergebnisse der Liikanen-Expertengruppe: die Einführung von Beleihungsobergrenzen bei Immobilienkrediten und eine strikte Trennung von Investment- und Geschäftsbanking.Auf europäischer Ebene nimmt unterdessen der Druck zu, die Einlagensicherungssysteme zu vereinheitlichen. Am Mittwoch nutzten Draghi und Hill eine EZB-Konferenz zum ersten Jahrestag der Einführung einer europaweiten Bankenaufsicht dazu, eine rasche Vereinheitlichung der nationalen Einlagensicherungssysteme verbal vorzubereiten.Draghi verwies dabei zur Begründung unter anderem auf die Jahre vor der Eskalation der Staatsschuldenkrise. In den ersten Jahren des Euro habe man sich der Illusion hingegeben, eine vollwertige Währungsunion etabliert zu haben, erklärte Draghi. Eine einheitliche Währung sei aber nur möglich, wenn es auch ein einheitliches Bankensystem gebe. Insbesondere müssten Depositen, die am weitesten verbreitete Form von Geld, dieselbe Form von Vertrauen wecken, wo immer sie lägen. Und Sparer müssten unabhängig von ihrem Ort einen ähnlichen Schutz genießen. Aus diesem Grunde ruhe die Bankenunion auf den drei Säulen einer einheitlichen Bankenaufsicht, eines einheitlichen Abwicklungsregimes und einer noch zu definierenden einheitlichen Einlagensicherung. Draghi: “Damit das Geld wirklich eins wird, brauchen wir alle drei.” Warnung vor FehlerIn einem Buchgeldsystem sei eine gesunde und einheitliche Aufsicht essenziell für eine gesunde und einheitliche Währung, fuhr er fort. “Nun ist es an der Zeit, dass diese anderen Aspekte der Bankenunion auch fertiggestellt werden”, erklärte Draghi mit Blick auf Abwicklungsregeln und Einlagensicherung: “Andernfalls würden wir denselben Fehler begehen, der bei Einführung des Euro gemacht wurde.”EU-Finanzmarktkommissar Hill stellte heraus, dass EU-Mitgliedstaaten die EU-Bankenabwicklungsrichtlinie erst noch vollständig umsetzen müssten, was etwa die Frage einer Brückenfinanzierung des europaweit einheitlichen Abwicklungsfonds (SRM) angeht. Zugleich kündigte er an, dass die Kommission bis Jahresende ihren Richtlinienvorschlag für ein gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem veröffentlichen wird.Damit gewinnt die Debatte um eine gemeinsame Einlagensicherung in der EU weiter an Dynamik. Die Äußerungen Junckers, denen zufolge eine Vereinheitlichung der Einlagensicherung hierzulande allein die privaten Banken umfassen sollte, hatten für Furore gesorgt. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hatte bis dato die Brüsseler Pläne geschlossen abgelehnt. Nach Bekanntwerden der Äußerung begrüßte der Sparkassenverband DSGV aber “ausdrücklich, dass bei der EU-Kommission der Prozess des Umdenkens eingesetzt hat”. Weniger RegulierungHill signalisierte zugleich, dass die Zahl der regulatorischen Vorstöße aus seinem Verantwortungsbereich abnehmen soll: “Sie können weniger Regelsetzung und eine Periode größerer Stabilität erwarten”, erklärte er.Zugleich warb er für das Vorhaben einer Kapitalmarktunion. Die Wirtschaftsleistung in der EU wachse, aber nicht schnell genug. Man wolle daher das volle Potenzial des einheitlichen Marktes freisetzen. Dazu ist für Hill auch eine Überprüfung der bisherigen Regulierung vonnöten. “Ohne Wachstum kann man keine Finanzstabilität auf nachhaltiger Basis erreichen”, erklärte er. Mangel an Wachstum sei die größte Herausforderung für die Finanzstabilität. Man müsse stark darauf achten, die Balance zu halten – Risiken zu erkennen und auch Wachstum zu fördern.