Schweizer Banken zittern wieder
Ein Geldwäscheskandal mit venezolanischem Hintergrund lässt Schweizer Banken nach dem Geständnis eines früheren Julius-Bär-Bankers wieder zittern. Ein schiefes Licht fällt derweil auf den Finanzplatz Miami.Von Daniel Zulauf, ZürichDer ehemalige Julius-Bär-Kundenberater Matthias Krull fiel aus allen Wolken, als er am 25. Juli in Miami verhaftet wurde. Der 44-jährige Deutsche mit Wohnsitz in Panama war offensichtlich im festen Glauben nach Florida gereist, dass niemand außer ihm selbst und den Teilnehmern eines exklusiven venezolanischen Kreises über seine Geschäfte mit Geldern der staatlichen venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA Bescheid wissen konnte. Krull täuschte sich.Einer aus dem kriminellen Zirkel hatte bereits im Jahr 2016 kalte Füße bekommen und sich dem Polizeibeamten, Special Agent George Fernandez, anvertraut, um eine unrechtmäßig erworbene Summe von 78 Mill. Euro zu erstatten und den Behörden bei der Operation “Money Flight” als Informant zur Hand zu gehen. Die “vertrauliche Quelle”, wie der Informant in der Anklageschrift vom 23. Juli gegen eine ganze Reihe mutmaßlicher Geldwäscher aus Südamerika bezeichnet wird, hat offensichtlich viele Beweise geliefert. So viele, dass Krull am Mittwoch bereits ein Schuldeingeständnis abgegeben hat. Er habe in seiner Position als Kundenberater der Bank Julius Bär Privatkunden insbesondere aus Venezuela in die Bank gebracht. Vier solcher Kunden wurden am 16. August von den US-Behörden wegen Geldwäsche angeklagt. Krull wird voraussichtlich am 29. Oktober das gerichtliche Urteil erfahren. Trotz des Schuldbekenntnisses droht ihm eine lange Gefängnisstrafe. Für die Bank Julius Bär beginnt nun das große Zittern.Wird Krull im Bestreben, sich selbst zu entlasten, den Versuch unternehmen, die Schuld auch auf die Bank abzuwälzen? Was, wenn der Banker Belege liefern kann oder auch nur die Behauptung aufstellt, dass seine Chefs von der Sache wussten oder davon hätten wissen müssen? Julius Bär hatte sich im Februar 2016 mit den US-Justizbehörden auf eine Vereinbarung zur Beilegung des Steuerstreites geeinigt und nebst einer Strafzahlung von 547 Mill. Dollar Wohlverhalten versprochen. Ein Rückfall könnte für die Bank gravierende Folgen haben. Auf Anfrage betont ein Sprecher der Bank allerdings: “Die Verhaftung und das Geständnis des ehemaligen Mitarbeiters basieren auf einer Anklage gegen diesen und eine Reihe weiterer Personen. Die Anklage nimmt keinen Bezug auf die Bank, außer, dass Herr Krull bei der Bank angestellt war.” Aufatmen kann Julius Bär deshalb aber noch lange nicht. Man führe eine interne Untersuchung auf Grundlage der in der Anklage enthaltenen und öffentlich verfügbaren Informationen und kooperiere mit den Behörden, räumt der Sprecher ein. Eröffnet wurde die interne Untersuchung nach Aussagen des Sprechers erst nach Krulls Verhaftung. Das deutet darauf hin, dass die Bank nach dessen Kündigung eine solche Wendung noch nicht erwartet hatte. Krull hatte im Mai bei der Genfer Privatbank Gonet auf den Bahamas angeheuert.Die Dimensionen des Geldwäschekomplotts sind erschreckend. Rund 1,2 Mrd. Dollar, Gelder die aus Bestechung und Betrug stammen, sollen mit Hilfe von Wechselkurstransaktionen basierend auf völlig unrealistischen Wechselkursen und über verschlungene Offshore-Transaktionen in den legalen Bereich der Wirtschaft geschleust worden sein, wie es in der Anklage heißt.Eine zentrale Rolle bei der Wiederanlage der kriminellen Gelder habe der Häusermarkt in Miami gespielt. Dies wirft ein schiefes Licht auf den dortigen Finanzplatz, der als Drehscheibe für internationale Geschäfte aus Südamerika gilt. Von einem Rechtshilfegesuch der US-Behörden an die Schweiz ist bislang nichts bekannt. Die Bundesanwaltschaft in Bern, die für die Untersuchung großer Geldwäscheoperationen zuständig ist, führt in Sachen PDVSA kein Strafverfahren, wie ein Sprecher mitteilte. In den großen Korruptionsaffären Petrobras (Brasilien) und 1MDB (Malaysia) ist die Behörde dagegen aktiv. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht steht nach eigenen Aussagen mit verschiedenen Schweizer Banken in Sachen PDVSA im Kontakt. Die Banken, die Schweiz und die Finanzwelt bleiben auch nach Start des automatischen Informationsaustausches in Steuerfragen gefordert.