Streit um Liquidationspräferenzen

Showdown bei Wefox steht bevor

Vorzugsrechte für neue Investoren manövrieren Start-ups und Finanzinvestoren in eine schwierige Situation. Auch die Gründer und früheren Geldgeber des Insurtechs Wefox kämpfen vor dem Hintergrund des geplanten Verkaufs an die Vertriebsplattform Ardonagh um ihre Position.

Showdown bei Wefox steht bevor

Showdown bei Wefox steht bevor

Im Streit um Liquidationspräferenzen kämpfen frühe Investoren um ihre Rechte – Problematische Dealstruktur vergiftet Fundingklima

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Kein zweites deutsches Fintech illustriert die Boom-and-Bust-Phasen der Gründerszene mit ihren Finanzinvestoren so gut wie Wefox. Die regulatorisch in Liechtenstein verankerten Berliner hatten zur Hypezeit eine Bewertung von 4,5 Mrd. Euro abgeräumt – heute kämpft das Insurtech ums Überleben und seine frühen Investoren um ihren Einsatz.

Wie konnte es so weit kommen mit dem einstigen Einhorn? Über die Jahre hat Wefox rund 1 Mrd. Euro Venture Capital, Fremdkapitallinien und Wandelanleihen aufgenommen und wurde in der Spitze mit 4,5 Mrd. Dollar bewertet. Der auf der Hand liegende Grund sind die Luftschlösser, die das Management um Gründer Julian Teicke baute, um dann an der Umsetzung zu scheitern.

Digitalgeschäft spielte nur zweite Geige

Statt wie in Aussicht gestellt eine Digitalplattform zu bauen, kaufte Wefox Makler auf. Dadurch kamen zwar Erträge herein. Die hohen Bewertungen rechtfertigte dies jedoch nicht mehr, zumal inmitten der Fundingflaute. Da das Digitalgeschäft bei dieser Strategie offensichtlich die zweite Geige spielte, war eine Bewertung als vorbörsliche Tech-Aktie unangemessen. Mal ganz zu schweigen von den verfehlten Profitabilitätszielen.

Zugleich ist Wefox aber auch dem einseitigen Fokus auf hohe Bewertungen zum Opfer gefallen. Ende 2023, als die Spatzen die Schwierigkeiten des Unternehmens schon von den Dächern pfiffen, bemühte sich das Management noch bei der bereits beim Konkurrenten Clark engagierten Deutschen Bank und bei Unicredit um eine Brückenfinanzierung über 55 Mill. Dollar.

Notfinanzierung mit Haken

Was Wefox als „Fuel for Growth“ zu verkaufen suchte, war in Wirklichkeit eine Notfinanzierung. Sie erlaubte es den Kreditgebern, das eingesetzte Kapital bei der nächsten Finanzierungsrunde in Aktien zu wandeln. Genau das passierte dann auch, und zwar inmitten eines Machtkampfs zwischen dem neuen CEO Mark Hartigan und den Altinvestoren, die 20 Mill. Dollar nachgeschossen haben, um sich gegen die Ambitionen des Investors Mubadala zur Wehr zu setzen, der für Abu Dhabi investiert.

Mubadala war Mitte 2022 bei einem Series-D-Funding über 400 Mill. Dollar zu besagter Bewertung von 4,5 Mrd. Dollar eingestiegen. Heute gilt er als Wurzel des Übels auf der Investorenseite. Denn um den Schein der hohen Bewertung aufrechtzuerhalten, hatte das alte Management um Teicke beschlossen, ihm sogenannte Liquidationspräferenzen zu gewähren. Diese Dealstruktur ist für die Altinvestoren äußerst problematisch. Denn bei einem Verkauf oder Börsengang des Unternehmens wird Mubadala prioritär bedient. Die Altinvestoren einschließlich des Managements und der Belegschaft haben das Nachsehen.

Transaktion mit Fallstrick für die Altaktionäre

Ein solcher Deal ist offenbar bereits in Arbeit. Verschiedenen Berichten zufolge verhandelt CEO Hartigan mit Rückendeckung von Mubadala über einen Verkauf von Wefox an die britische Versicherungsvertriebsplattform Ardonagh für einen Grundbetrag von 350 Mill. Euro plus erfolgsabhängige Zahlungen. Wefox-Aktionäre, die nicht Mubadala heißen, würden mit Ardonagh-Anteilen abgespeist werden, so der Plan, der von den Akteuren nicht dementiert wird.

Um den Deal zu verhindern, haben sich unter Führung der Altaktionäre Chrysalis und Target Global verbündet. Sie wollen noch einmal rund 50 Mill. Dollar bereitstellen, um bei der entscheidenden Board-Sitzung Ende Juni das Ruder herumzureißen und den Verkauf an Ardonagh zu verhindern.

Showdown auf Board-Sitzung am 28. Juni

Gründer und frühe Investoren werfen dem neuen CEO vor, einseitig die Interessen von Mubadala zu vertreten. Einem Bericht der britischen Boulevardzeitung „Daily Mail“ zufolge winkt Hartigan ein Bonus von 20 Mill. Pfund, wenn die Ardonagh-Transaktion wie skizziert gelingt. Außer dem CEO wollen die Gründer „Finance Forward“ zufolge auch Helen Heslop (LGT Stiftung) aus dem Board of Directors wählen, da sie als nicht unabhängig eingeordnet wird. Um die Auslegung der Statuten wird jedoch noch gerungen. Die Abstimmung am 28. Juni sollte dann klären, in welcher Form Wefox weitermacht.

Dass bei Wefox nicht alles Gold ist, was glänzt, das war aber schon länger im Markt zu hören. So hatte ein in Insurtech erfahrener internationaler Venture-Capital-Manager im Hintergrund erzählt, dass man Wefox für ein Investment bei der Series D unter die Lupe genommen habe und dann dankend abgewunken habe. Es seien Mängel bei der digitalen Infrastruktur sowie Zweifel am profitablen Wachstum identifiziert worden, was ein Investment zur Bewertung von 4,5 Mrd. Dollar unmöglich gemacht habe.

Toxische Dealstrukturen

Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Due Diligence Mubadala durchgeführt hat. Offenbar fühlte sich der Investor dank der in Aussicht gestellten Vorzugsrechte ausreichend abgesichert. Die Gründer um Teicke müssen jetzt keine Krokodilstränen vergießen. Schließlich waren sie es, die diese für Altaktionäre desaströse Dealstruktur zugelassen haben. Das ist Gift für die Finanzierung von Start-up-Unternehmen. Da es inzwischen viele von diesen Dealstrukturen mit Exit-Garantien gibt, hat sich die Zurückhaltung von Early-Stage-Investoren verstärkt.

Sekundärmarkt lockt

Viele Venture-Fonds schwenken derweil auf Secondary-Strategien um: So hat sich Lightspeed bei der SEC als Investment-Berater registrieren lassen. Das erlaubt es, 20% des Fondsvolumens über Sekundärmarkt-Transaktionen zu erwerben. So kann man zum Discount Anteile bei Start-ups erwerben, die bereits ein Stück weit skaliert sind. Die Volumina für solche Sekundärmarkt-Transaktionen haben in diesem Jahr um 50% zugenommen. Wobei es bei großen Deals wie Stripe und OpenAI vor allem darum ging, dass Mitarbeiter einen liquiden Markt zu guten Preisen für ihre Anteile haben. Der nächste Boxenstopp soll dann ein Börsengang sein.

Frühe Aktionäre des Schweizer Insurtechs Wefox fürchten, beim geplanten Verkauf des Start-ups an die Vertriebsplattform Ardonagh ausgebootet zu werden. Denn um frisches Kapital zu erhalten, haben die Gründer einem Investor Vorzugsrechte in Aussicht gestellt. Das ist Gift für das Fundingklima.

Kommentar Seite 2
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.