Nachhaltige Finanzierung

Soziale Taxonomie nimmt Gestalt an

Die von der EU-Kommission beauftragte Expertenplattform für nachhaltige Finanzierung hat ihre Vorstellung zur Einführung einer sozialen Taxonomie vorgestellt. Kritik ist vorprogrammiert: „Bürokratielawine“ hieß es dazu im EU-Parlament.

Soziale Taxonomie nimmt Gestalt an

ahe Brüssel

In der EU gehen die Arbeiten voran, nach einer Umwelt-Taxonomie nun auch noch eine soziale Taxonomie einzuführen. Die Plattform für Sustainable Finance, die zentrale, aus unabhängigen Experten zusammengesetzte Beratungsgruppe der EU-Kommission in diesem Bereich, legte am Montag einen gut 80-seitigen Bericht vor, wie ein solches soziales Klassifizierungssystem ausgestaltet werden könnte. Ziel ist es – analog zur Umwelt-Taxonomie – genau zu definieren, was eine soziale Investition ist und was nicht und entsprechende Berichtspflichten für EU-Unternehmen einzuführen.

Die Plattform sieht in ihrem Bericht Indikationen dafür, dass Investoren soziale Investitionen heute bereits als Chance sehen und verweisen auf die hohe Nachfrage nach „sozialen Anleihen“. Diese zeige auch, dass privates Kapital in „gesellschaftlich wertvolle Aktivitäten“ gelenkt werden könne.

Die Plattform definierte in ihrem Bericht drei Ziele, die jeweils auf eine der unterschiedlichen Stakeholder zugeschnitten wurden. Geprüft werden soll demnach, ob die jeweiligen wirtschaftlichen Aktivitäten zu deren Leben und Lebensunterhalt einen positiven Beitrag leisten können: Für Arbeitnehmer von Unternehmen – auch innerhalb der Liefer- beziehungsweise Wertschöpfungsketten – muss demnach eine „menschenwürdige Arbeit“ sichergestellt werden. Für Verbraucher beziehungsweise Endnutzer müssen Produkte oder Dienstleistungen „einen angemessenen (Lebens-)Standard und Wohlbefinden“ bringen und für direkt oder über die Wertschöpfungsketten betroffene Gemeinschaften sollen die Aktivitäten integrativ und nachhaltig sein.

Daneben wurden 20 Unterziele definiert, wie die zuständige Berichterstatterin der Experten-Plattform, Antje Schneeweiss, am Montag bei der Vorstellung der Pläne in einer Online-Konferenz erläuterte. Sie plädierte dafür, die soziale Taxonomie zunächst mit sechs Unterzielen zu starten, darunter Themen aus dem Gesundheitswesen, der Pflege und im Bildungsbereich. Schneeweiss verwies darauf, dass die Umwelttaxonomie auf der Wissenschaft basiere, die soziale Taxonomie hingegen auf internationale Abkommen und vereinbarte Standards, wie den Sustainable Development Goals der UNO-Agenda 2030 oder auch der Internationalen Menschenrechtscharta, die es zu erfüllen gelte. Bei den neuen Offenlegungspflichten für Unternehmen müsse der Fokus zugleich auf den Löhnen und den Kosten liegen.

Wie im Umweltbereich soll auch die soziale Taxonomie als Kriterium enthalten, dass eine wirtschaftliche Aktivität nur als sozial angesehen werden kann, wenn sie „keinen signifikanten Schaden“ bei einem der Ziele verursacht. Die Expertenplattform sprach sich dafür aus, Umwelt und Soziales möglichst in einem Klassifizierungssystem zu bündeln.

„Bürokratielawine“

Aus dem EU-Parlament kam bereits scharfe Kritik an dem Bericht der Plattform. Der CSU-Finanzexperte Markus Ferber monierte, die Vorschläge passten nicht im Geringsten in die Zeit. „Es ist absurd, die Taxonomie um eine soziale Dimension erweitern zu wollen, obwohl die grüne Taxonomie noch nicht einmal umgesetzt ist. Anstatt erst einmal Erfahrungen zu sammeln, will die Plattform für nachhaltige Finanzierung gleich die nächste Bürokratielawine lostreten“, kritisierte der Abgeordnete und rief die EU-Kommission dazu auf, die Vorschläge nicht aufzugreifen. „Es braucht auch schlichtweg keine soziale Taxonomie, denn in Europa haben wir die höchsten Sozialstandards der Welt.“

Die EU-Kommission reagierte zunächst zurückhaltend auf die Arbeit ihrer Expertengruppe. Sie kündigte an, den Bericht „zu gegebener Zeit sorgfältig zu analysieren“. Die Brüsseler Behörde verwies zugleich darauf, dass sie an dem Ergebnis der Plattformarbeit keinesfalls gebunden sein.