Sparkassen sind sich im Zinsstreit uneinig
jsc Frankfurt
Im Streit um die Zinsnachzahlung für uralte Prämiensparverträge schlagen die Sparkassen unterschiedliche Wege ein. Während sich einige Institute im Streitfall bereits für eine Einigung aufgeschlossen zeigen oder sogar Zehntausende Anschreiben für Kundinnen und Kunden vorbereiten, legen sich andere Sparkassen noch nicht fest und verweisen auf noch ausstehende Gerichtsurteile, wie eine Umfrage der Börsen-Zeitung zeigt.
Weiter als viele andere Institute gehen bisher die Kreissparkasse Köln, die für 25000 Verträge Anschreiben vorbereitet, und die Sparkasse KölnBonn, die 20000 Kundinnen und Kunden über verschiedene Einzelheiten in Briefen informieren will. Die Kreissparkasse bestätigt dabei auf Nachfrage, dass sie im zweiten Schritt die Höhe von Zinsausgleichszahlungen ermitteln will, nachdem Sparkassen-Chef Alexander Wüerst zunächst im „Handelsblatt“ die Pläne angekündigt hatte. Die Sparkasse KölnBonn wiederum stellt bisher keine Zinsnachzahlung öffentlich in Aussicht. Auf der Pressekonferenz am 3. März wird sich Vorstandschef Ulrich Voigt vermutlich konkreter äußern. Die Frankfurter Sparkasse will derweil „sukzessive“ Kundinnen und Kunden informieren, deren Verträge fällig werden. Zugleich betont das Institut, dass zur Zinsnachberechnung „keineswegs genügend Klarheit“ herrsche, weil ein finales Urteil ausstehe. In Einzelfällen habe das Institut aber individuelle Vereinbarungen getroffen.
Die Sparkassenpolitik fällt auseinander, weil die Rechtslage unscharf und die Ausgangslage unterschiedlich ist. Weil die Sparkassen, ähnlich wie auch einige Genossenschaftsbanken, von den frühen 1990er bis weit in die 2000er Jahre hinein Sparpläne verkauft haben, die aus heutiger Sicht keine wirksame Klausel zur Zinsanpassung enthalten, war über viele Jahre unklar, nach welchen Regeln die Zinsen im Vertrag berechnet werden müssen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs von Oktober (Az. XI ZR 234/20) zeichnet sich ab, dass die Kreditinstitute in den meisten Fällen zu wenige Zinsen bezahlt haben. Die genaue Zinshöhe hängt aber vom Referenzsatz ab. Dazu muss das Oberlandesgericht Dresden noch ein Urteil fällen, nachdem der Bundesgerichtshof lediglich einige Leitplanken vorgegeben hat.
Manche Sparkassen, darunter die Stadtsparkasse München und die Sparkasse Nürnberg, sind außerdem mit Musterklagen durch Verbraucherzentralen konfrontiert. Auch sie legen sich bisher auf keine Zinsnachberechnung fest. Der Sparkassenverband DSGV gibt den Instituten keine offizielle Marschrichtung vor.
An der Weggabelung
Jedes betroffene Geldhaus steht jetzt vor zwei grundsätzlichen Fragen: Erstens muss es entscheiden, ob es nur dann tätig wird, wenn Sparerinnen und Sparer aktiv Zinsen nachfordern, oder ob es von sich aus die gesamte Kundschaft anschreibt, um sie über die Rechtslage aufzuklären. Druck kommt dabei von der Finanzaufsicht: Die BaFin hatte im Juni die Kreditwirtschaft in einer Allgemeinverfügung aufgefordert, aktiv auf ihre Kunden zuzugehen und sie über die unwirksamen Zinsanpassungsklauseln in den Altverträgen zu informieren. Zu der Information gehört auch, ob die Zinsen zu gering waren.
Die BaFin bezieht diese Aufforderung auf Verträge aus den Jahren 1990 bis 2010. Auch für gekündigte Sparpläne greift die Verfügung. Doch in der Praxis bindet die Allgemeinverfügung die Kreditwirtschaft bislang nicht. Mehr als 1100 Banken und Sparkassen haben Widerspruch eingelegt. In einem Musterverfahren muss nun vor Gericht geklärt werden, ob die Verfügung Bestand hat.
Zweitens muss jedes Geldhaus entscheiden, ob es den Kunden bereits jetzt eine Zinsnachzahlung anbieten kann, obwohl ein finales Urteil in Dresden sowie in etlichen Musterklagen noch aussteht. Einige Sparkassen und Fachleute sehen vor diesem Hintergrund noch keine Basis für eine außergerichtliche Vereinbarung. Jedoch hält die Schlichtungsstelle beim DSGV eine Einigung schon heute für möglich: Die zentralen Fragen sind demnach vom Bundesgerichtshof geklärt worden, wie die unabhängigen Juristen im Tätigkeitsbericht für 2021 festhalten. Die Schlichter empfehlen der Finanzgruppe in Streitfällen, die Zinsen entlang der Bundesbank-Daten für Umlaufrenditen von Inhaberschuldverschreibungen und Hypothekenpfandbriefen zu berechnen, und zwar für eine Restlaufzeit von neun bis zehn Jahren. Der Datensatz war früher unter „WX4260“ bekannt und wird auch von Verbraucherzentralen zur Zinsberechnung genutzt, wenn sie in Streitfällen ihre Forderungen ausrechnen.
Nicht alle betroffen
Einige Institute haben auch Glück: Sie haben Prämiensparverträge nie aktiv vertrieben, wie etwa die Hamburger Sparkasse (Haspa) über sich mitteilt. Andere schlossen mit den Kunden bereits vor Jahren einen neuen Vertrag mit wirksamen Zinsanpassungsklauseln ab, nachdem der Bundesgerichtshof im Jahr 2004 die damals üblichen Klauseln gekippt hatte. Aus diesem Grund sind etwa einige Verträge der Stadtsparkasse München nicht vom aktuellen Streit betroffen, wie das Institut mitteilt.
Leitartikel Seite 6