Bilanzskandal

Staatsanwaltschaft hatte Wirecard lange im Visier

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard den Vorwurf zurückgewiesen, die Behörde habe in der Affäre zögerlich gehandelt. „Ich bin...

Staatsanwaltschaft hatte Wirecard lange im Visier

sp Berlin

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard den Vorwurf zurückgewiesen, die Behörde habe in der Affäre zögerlich gehandelt. „Ich bin der festen Überzeugung, das war nicht der Fall“, sagte Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl am Freitag. Sie räumte ein, dass ihre Behörde schon vor Jahren über Hinweise auf mögliche Straftaten bei dem mittlerweile insolventen Dax-Konzern verfügt habe. Diese hätten sich aber auf Straftaten im Ausland bezogen, weshalb die Staatsanwaltschaft keine Gelegenheit gesehen habe, selbst aktiv zu werden. Dafür sei ein Tatort in Deutschland oder ein deutscher Staatsbürger, der mutmaßlich eine Straftat begangen habe, die Voraussetzung, erklärte die Staatsanwältin. „Diese Hinweise hatten wir zum damaligen Zeitpunkt nicht.“

Dem Eindruck, dass sich die Staatsanwaltschaft von einem Dax-Kon­zern habe einschüchtern lassen, trat Bäumler-Hösl entschieden entgegen. Ihre Behörde sei personell gut ausgestattet, beschäftige erfahrene und gut ausgebildete Mitarbeiter und habe keine Angst vor großen Namen oder Konzernen. Unter anderem wegen der Berichterstattung der „Financial Times“, die in den vergangenen Jahren immer wieder über Bilanzunregelmäßigkeiten bei Wirecard berichtet hatte, sei der Konzern schon länger auf dem Radar der Staatsanwaltschaft gewesen und es sei immer wieder neu geprüft worden, ob die Behörde eingreifen müsse, sagte Bäumler-Hösl. Ein vager Anfangsverdacht reiche für Ermittlungen dafür aber nicht aus, erklärte die Staatsanwältin. Für Haftbefehle sei sogar ein dringender Tatverdacht Voraussetzung. „Wir können nicht einfach losgehen wegen des Gefühls, jemand ist schuldig.“

Auf Wirecard losgegangen ist die Staatsanwaltschaft im Sommer des vergangenen Jahres, nachdem das Unternehmen in einer Pflichtmitteilung mitgeteilt hatte, dass Treuhandkonten auf den Philippinen und dort vermutete Milliardenbeträge nicht existierten. Innerhalb von wenigen Stunden wurden Haftbefehle unter anderem gegen Ex-Wirecard-Chef Markus Braun und den COO Jan Marsalek beantragt. In Dutzenden Razzien seien unter anderem rund 56 Millionen Datensätze sichergestellt worden. Doch während Braun heute in Untersuchungshaft sitzt, fehlt von Marsalek weiter jede Spur. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche.

Kritik aus Wirecard-Ausschuss

„Was dieser Skandal inzwischen Woche für Woche offenbart, lässt sich bald nicht mehr angemessen in Worte fassen. Wir sehen Betrug, Lügen und Heuchelei auf einer nach oben offenen Skala“, erklärte der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz unter dem Eindruck der Aussagen von Bäumler-Hösl und weiterer Zeugen in der zurückliegenden Woche. Regierung und Behörden hätten sich als willige Steigbügelhalter für Wirecard betätigt. So auch die Münchner Staatsanwaltschaft. Kritik kam auch von der SPD: „Die Staatsanwaltschaft hat sich lange von Wirecard an der Nase herumführen lassen“, sagte Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe zu Reuters. Auch Geldwäschevorwürfe schienen die Glaubwürdigkeit der Wirecard-Vorstände nicht zu beschädigen.

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