Stärke von Frankfurt-Rhein-Main nicht aufs Spiel setzen

Gemeinsam Perspektiven für regionales Wachstum schaffen

Stärke von Frankfurt-Rhein-Main nicht aufs Spiel setzen

Stärke und Selbstbewusstsein gehen oft miteinander einher. Stark ist die Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main. Mit über 400 000 Unternehmen, mehr als 3 Millionen Erwerbstätigen und einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 40 000 Euro pro Einwohner nimmt sie heute wirtschaftlich einen der führenden Plätze in Deutschland und Europa ein.Ein regionales Selbstbewusstsein gründet sich darauf nicht. Das findet sich vielmehr auf anderen Ebenen: Frankfurt-Rhein-Main umfasst Teile von drei Bundesländern, 18 Kreisen, sieben kreisfreie Städte und insgesamt 75 Städte und Gemeinden. Die Region ist charakterisiert durch Polyzentralität, politische Vielfalt und Eigenverantwortung. Sie profitiert davon. Das Subsidiaritätsprinzip gewährt Freiheitsgrade, die Länder, Kreise und Kommunen im Standortwettbewerb für sich zu nutzen wissen. Lange hat das zum Wohlstand und Wachstum der gesamten Region beigetragen. Dieses Wachstum könnte jetzt an seine Grenzen stoßen. Die PendlerhauptstadtFrankfurt als Finanzmetropole bildet das Gravitationszentrum der Region, hier entstehen allein über 25 % der Bruttowertschöpfung. Schon heute leben über 750 000 Menschen in der Mainmetropole. Gleichzeitig ist Frankfurt die Pendlerhauptstadt Deutschlands – über 360 000 Menschen strömen tagsüber aus den umliegenden Gemeinden zum Arbeiten in die Stadt. Im Sog der Mainmetropole sind hier “Speckgürtelregionen” entstanden, die neben einer hohen Wohnqualität auch eine gute Infrastruktur bieten. Sie haben längst selbst eine hohe Anziehungskraft und sind wichtige Wirtschaftsstandorte.Allein der Taunus trägt rund 10 % zur Bruttowertschöpfung der Region bei. Seit Jahren zieht es Unternehmen und Menschen in die Region, eine Entwicklung, die der Brexit noch beschleunigt. Die hohe Attraktivität hat Nebenwirkungen: Es fehlen Wohnungen und Gewerbeflächen, Baulücken sind gefüllt, Konversionsflächen weitgehend revitalisiert.Die Innenstädte platzen aus allen Nähten, bleibt der Weg in die Randlagen. So dehnt sich Frankfurt mit seinem Stadtgebiet ins Umland aus. In den vergangenen Jahren ist beispielsweise auf dem Riedberg ein komplett neuer Stadtteil entstanden. Auch hat sich manche Kommune räumlich an Frankfurt angenähert – Hattersheim ist hier nur ein Beispiel. Unterschiedliche InteressenWenn die Bevölkerung in den nächsten Jahren genauso schnell wächst wie in der Vergangenheit, dann strömen bis 2030 schätzungsweise fast 600 000 Menschen in die Metropolregion. Das sind nahezu doppelt so viele, wie heute in Wiesbaden leben. Wo sollen sie hin? Es scheint, als würden Frankfurt und sein Umland unweigerlich weiter aufeinander zu wachsen. Doch in dem Maße, in dem das passiert, steigt der Widerstand. Unterschiedliche Interessengruppen prallen aufeinander, Politik, Bürger und Immobilienbranche verfolgen an den einzelnen Standorten häufig unterschiedliche Ziele.An diesem Punkt könnte die Polyzentralität der Region – bei allen erkennbaren Vorteilen – zu ihrer Schwäche werden. Sie verlangt ein Ringen um Ausgleich und verlangsamt Entscheidungsprozesse damit teilweise dramatisch. Die bereits seit Jahrzehnten andauernden Diskussionen um die Regionaltangente West belegen das geradezu furchtbar eindrucksvoll. Schärferer WettbewerbDer Preis dafür droht hoch zu sein. Frankfurt-Rhein-Main steht heute schon in Konkurrenz mit anderen Großräumen. Diese treten nicht nur mit Geschlossenheit und Selbstbewusstsein auf, wie unter anderem die “région parisienne”. Sie haben oft auch Strukturen, in denen Entscheidungen schneller und unkomplizierter getroffen werden. Ein Vorteil in einem internationalen Standortwettbewerb, der sich verschärft.Nach einer aktuellen Schätzung der Vereinten Nationen werden 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Weltweit entstehen immer mehr Megastädte mit moderner Infrastruktur und Innovationskraft. Die Bindung an einen Standort ist in einer Dienstleistungsgesellschaft gering. In einer digitalisierten Welt werden Entfernungen nicht in Kilometern gemessen, sondern in Übertragungsraten. Da liegt Frankfurt direkt neben Neu-Delhi.Um in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es das Verständnis, dass das Ganze letztlich mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Dabei geht es nicht darum, die Polyzentralität aufzugeben oder Entscheidungen auf höhere politische Ebenen zu übertragen. Vielmehr braucht Frankfurt-Rhein-Main den Willen, Herausforderungen wie fehlende Wohnungen, knappe Flächen und Verkehrsengpässe als Region gemeinsam anzugehen. Das setzt viel Kompromissbereitschaft voraus, die damit zur wichtigen, fast unverzichtbaren Voraussetzung für weiteres Wachstum wird. Gefragt sind dabei Handelnde, die Verantwortung für die Region übernehmen. Wachstum als ZielSparkassen sind öffentlich-rechtliche Unternehmen, ihre Träger in aller Regel Kreise oder Kommunen. So spiegelt sich die Polyzentralität der Region Frankfurt-Rhein-Main in der Sparkassenlandschaft unmittelbar wider; hier finden sich über 20 Sparkassen. Sie haben vorrangig ihr eigenes Geschäftsgebiet im Blick, bringen sich aber auch gemeinsam und mit den Partnern der Sparkassen-Finanzgruppe in der Region ein. Ein Geschäftsmodell, das sich auch zehn Jahre nach dem offenen Ausbruch der Finanzkrise erfolgreich zeigt, gerade auch mit Blick auf immer strengere regulatorische Vorgaben.Die Sparkassen in der Metropolregion bringen zusammen große Projekte auf den Weg und zählen hier unter anderem zu den führenden Finanzierern der gewerblichen Projektentwicklung. Auch die Immobilienbranche hat hinreichend Anreize, stärker zusammenzuarbeiten und ihre Kräfte zu bündeln. Ein Beispiel ist die Herausforderung, geförderten Wohnraum zu errichten. In Frankfurt zum Beispiel liegt die Vorgabe für neue Projekte bei 30 %. Bei einer stark fragmentierten und spezialisierten Anbieterstruktur – und auch für die gab es in der Vergangenheit gute Gründe – mag das durchaus ein Brocken sein. Doch es ist auch einer, der sich durch Kooperationen stemmen ließe.Mit der zentralen Lage in Europa, der guten Verkehrsanbindung und seiner Offenheit hat Frankfurt-Rhein-Main viel von dem, was es braucht, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Jetzt muss es nur noch gelingen, das Wachstum der Region zum gemeinsamen Ziel zu machen und dann gut zu managen.—-Oliver Klink, Vorstandsvorsitzender der Taunus Sparkasse