Steigende Inflation bremst spekulative Projekte
Totgesagte leben länger. Das gilt auch für die Inflation – zumindest mit Blick auf die aktuellen Themen an den Kapitalmärkten. Nachdem es um die Inflation in den letzten Jahrzehnten immer ruhiger wurde und vielmehr das Schreckgespenst „Deflation“ die Runde machte, rückt seit einigen Monaten an den Kapitalmärkten wie auch bei den Zentralbanken und in der wissenschaftlichen Diskussion die Inflation verstärkt in den Fokus. In den USA stiegen die Preise zuletzt um mehr als 5%, in Deutschland lag die Inflationsrate im Juni 2021 bei 2,3% und dürfte in den kommenden Monaten weiter ansteigen. Bei einigen Gütern und Dienstleistungen lagen die Preissteigerungsraten zuletzt sogar im zweistelligen Bereich. Ist dies der Beginn einer Periode steigender Inflationsraten? Welche Treiber stecken hinter den Preissteigerungen, wie werden die Notenbanken reagieren und was bedeutet das für Kapital- und Immobilienanlagen? Gleich vorweggenommen: Die Attraktivität der Immobilienanlage speist sich nicht nur aus den geldpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, sondern vielmehr aus realwirtschaftlichen Überlegungen. Doch schauen wir zunächst auf die Ursachen der wieder erstarkten Inflation.
Als Treiber des jüngsten Preisanstieges lassen sich verschiedene Auslöser identifizieren. Dazu zählen vor allem diverse Einmaleffekte, die sich verstärkt in der Inflationsrate widerspiegeln. So sind als Ursachen u.a. ein Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise sowie für Deutschland Steuereffekte durch das Zurücknehmen der Mehrwertsteuerreduzierung und die Einführung der CO2-Steuer zu nennen. Der globale Warenhandel mit seinen komplexen Lieferketten ist noch immer durch die Auswirkungen nationaler Lockdowns, durch die Blockade von Handelsrouten und durch knappe Transportkapazitäten im globalen Gütertransport beeinträchtigt, was gerade in Europa zu Angebotsengpässen führt.
Auf der Nachfrageseite kommt hinzu, dass die Sparquoten während des Lockdowns mit rund 20% überdurchschnittlich hoch waren und sich so Konsum aufgestaut hat. Mit Lockerung der Einschränkungen wird dieser partiell nachgeholt und trägt so zu einer zusätzlichen Nachfrage bei. Die vergangenen Jahre waren durch extrem niedrige Steigerungsraten bei den Verbraucherpreisen – als übliches Maß für die Inflation – geprägt, die sich bei den Akteuren verankert haben. In diesem Kontext darf nicht vergessen werden, dass Preise für Vermögensgüter im gleichen Zeitraum sehr stark gestiegen sind.
Dass die aktuellen Inflationsraten klassisch zu einer erhöhten Inflation mit Zweitrundeneffekten führen werden, wie etwa massiven Lohnsteigerungen, ist keineswegs ausgemacht. Hierfür dürfte eine stärkere und nachhaltige Auslastung der globalen Produktionskapazitäten erforderlich sein. In den vergangenen drei Dekaden haben im Wesentlichen die demografische Entwicklung, die weltweite Arbeitsteilung und die Integration der Emerging Markets in die globalen Wirtschafts- und Produktionsabläufe den Inflationsdruck niedrig gehalten. Diese Faktoren werden auch zukünftig von Bedeutung sein. Ebenfalls wird der Einfluss der Digitalisierung in der kommenden Dekade stärker zu Buche schlagen und von ihm eine preisdämpfende Wirkung ausgehen. Dieser Effekt wirkt im Zusammenhang mit der Transformation von einer kapital- zu einer wissensintensiven Gesellschaft weit über die reine Inflationsentwicklung hinaus und spielt auch für die Zinsentwicklung eine entscheidende Rolle.
Eine gute Nachricht
Nachdem die Zentralbanken ein Jahrzehnt vergeblich versuchten, ihr Inflationsziel zu erreichen, dürfte der jüngste Preisanstieg für sie eine gute Nachricht sein. Entsprechend der jüngst kommunizierten Strategieanpassung der Europäischen Zentralbank (EZB) sind aus ihrer Sicht für Zinserhöhungen jedoch nachhaltig höhere Inflationsraten notwendig. Gleichzeitig hat die Pandemie zu einem rasanten Anstieg der Staatsverschuldung im Euroraum geführt, während die Situation der Staatshaushalte eine höhere Belastung durch steigende Zinsen kaum zulässt. Daher erscheint es fraglich, inwieweit die EZB die Zinsen selbst bei einer stärker steigenden Inflation folgen ließe. Mit Blick auf Deutschland darf nicht vergessen werden, dass sich die EZB bei ihren Entscheidungen an der Wirtschafts- und Preisentwicklung im Euroraum orientiert. Viele Mitgliedsstaaten des Euroraums besitzen im Vergleich zu Deutschland deutlich angespanntere öffentliche Haushalte und hatten durch die Corona-Pandemie stärkere Wachstumseinbußen.
In unseren Prognosen gehen wir aktuell davon aus, dass wir in der kommenden Dekade im Euroraum zwar höhere Inflationsraten als im vergangenen Jahrzehnt, aber im Durchschnitt niedrigere Werte als 2021 und 2022 verzeichnen werden. Auf der Zinsseite dürfte das Niedrigzinsumfeld – auch bedingt durch realwirtschaftliche Rahmenbedingungen – noch für längere Zeit anhalten, was mit Blick auf die Realzinsen dazu führt, dass sich diese weiterhin im negativen Bereich bewegen werden. Ein weiterer Effekt sind die mit der ökologisch nachhaltigeren Ausrichtung unserer Gesellschaft verbundenen Kosten, die zunehmend Eingang in die Konsumentenpreise finden werden (zum Beispiel die CO2-Bepreisung).
Bei den Auswirkungen dieser Rahmenbedingungen auf die Immobilienmärkte bedarf es einer differenzierten Betrachtung – zum einen auf Objekt- und Marktebene und zum anderen auf die strategische Asset-Allokation. Die Mietpreisentwicklung bei Gewerbemietverträgen ist meist an die Inflationsrate gekoppelt. Eine höhere Inflationsrate führt somit zu einer stärkeren Indexierung und damit höheren Mieteinnahmen. Die bei Baustoffen überproportional starken Preisanstiege dürften dazu führen, dass insbesondere spekulative Projektentwicklungen geringer ausfallen, so dass das Flächenangebot begrenzt bleibt. Auf der Finanzierungsseite zeigt sich durch die kommunizierte Strategieanpassung der EZB eine deutliche Reduktion der Konditionen mit positiven Auswirkungen auf die Renditekalkulationen.
Die Erwartung längerfristig auch realwirtschaftlich motivierter niedriger (Real-)Zinsen in Verbindung mit der Strategieanpassung der EZB dürfte in der Asset-Allokation der institutionellen Portfolios die Entwicklung der vergangenen Jahre vorantreiben und zu einem weiteren Bedeutungsgewinn von Real Assets führen. Zumal die Anleihemärkte auf der Renditeseite selbst bei leicht steigenden Zinsen keine echten Alternativen bieten. Somit dürfte der Kapitalstrom in die Immobilienmärkte global anhalten und für einen weiterhin hohen Anlagedruck – allen voran in den sicheren Häfen wie Deutschland – sorgen, wobei bei Renditeniveaus im Bereich von 3 bis 4% weiterhin eine attraktive Renditedifferenz zu alternativen Anlageopportunitäten besteht. Gleichzeitig stützen gesellschaftliche und realwirtschaftliche Treiber sowie langfristige Megatrends die Entwicklungen innerhalb einzelner Nutzungsarten.
Core-Objekte stärker gefragt
In allen Immobiliensegmenten werden Core-Objekte noch stärker nachgefragt sein. Nicht nur die Lage, sondern auch die Qualität und vor allem die Flexibilität von Gebäuden werden wichtiger. Ebenso erlangen Stadtteilentwicklungen, Mixed-Used-Konzepte und citynahe Logistiknutzungen eine größere Bedeutung. Entscheidend ist ebenso die Nachhaltigkeit von Gebäuden. Wir werden in der nächsten Dekade in den verschiedensten Bereichen gravierende technologische Neuerungen erleben, so dass es sich für Immobilieninvestoren viel mehr lohnt, in realwirtschaftlichen Szenarien zu denken, als nur auf die Prognosen der Inflation und Zinsen zu achten.
Zuletzt erschienen:
Gefördertes Wohnen als Ausweg (25. August)
Nachhaltigkeit braucht Investitionen (24. August)