Talentjagd in Paris
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Nach dem Brexit setzen viele US-Banken auf Paris. Das führt zu einem harten Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt. Französische Banken stehen deshalb unter Druck, höhere Gehälter zu zahlen und Zugeständnisse zu machen.
Eine Meldung zeigt, wie hart umworben Spitzenkräfte im Finanzsektor am Standort Paris derzeit sind. Denn nach dem Brexit setzen immer mehr US-Banken, die bisher London als Tor zum europäischen Binnenmarkt genutzt haben, auf die französische Hauptstadt. PJT Partners hat sich deshalb gerade die Dienste von René Proglio gesichert, eines der bekanntesten Experten für Fusionen und Akquisitionen in Frankreich.
Proglio geht zu PJT Partners
Der 72-Jährige war lange Chef von Morgan Stanley France und ist der Zwillingsbruder von Henri Proglio, dem früheren Chef von Veolia Environnement und Électricité de France (EDF). Er wird als Partner bei der 2015 durch die Abspaltung von BlackRock entstandenen Investmentbank beginnen. Sie ist seit der Neuverhandlung der Schulden von Ralley, dem Hauptaktionär der Einzelhandelsgruppe Casino, vor zwei Jahren auf dem französischen Markt aktiv. 2020 hat sie Sanofi bei der Akquisition des Spezialisten für Immuntherapieprodukte Kiadis beraten, genau wie den Verwaltungsrat von Suez im Übernahmekampf mit Veolia.
PJT Partners ist nicht die einzige US-Bank, die Büros in Paris eröffnet oder bereits bestehende Niederlassungen ausbaut, um weiterhin Zugang zum Euroraum zu haben. Nach Angaben der Finanzplatzvereinigung Paris Europlace konnte die französische Hauptstadt seit dem Brexit-Votum bereits von fast 200 Projekten für Neuinvestitionen oder Umzüge profitieren. Sie stehen für rund 4000 direkte Arbeitsplätze, indirekte Arbeitsplätze mitgezählt sogar für rund 10000. J.P. Morgan Chase, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of America, Citigroup, aber auch Fondsadressen wie BlackRock, Citadel und Schroder setzen auf Paris und bauen ihr Geschäft dort aus.
Centerview Partners wiederum hat bereits 2020 ein Büro in Paris eröffnet und für die Leitung Matthieu Pigasse angeworben, den langjährigen Chef von Lazard in Frankreich. Derzeit vergehe keine Woche, in der kein Headhunter anrufe, um einen neuen Job anzubieten, berichtet ein Pariser Investmentbanker. So etwas habe er in den letzten 15 Jahren nicht gesehen, sagt ein anderer über den Talent-Wettkampf, den sich Banken und Versicherungen inzwischen liefern. Da die Stellenangebote im Finanzsektor in Paris so stark gestiegen sind, es aber nicht genügend Kandidaten gibt, hat die Zeitarbeitsfirma Manpower gerade eine dreitägige Einstellungskampagne veranstaltet.
Die Talentjagd der US-Banken setzt auch ihre französischen Wettbewerber unter Druck, höhere Gehälter zu zahlen. Denn die Amerikaner greifen für Kandidaten tiefer in die Tasche. Sie „sind in der stärkeren Position und zahlen mehr“, berichtet der Leiter der Niederlassung eines US-Instituts. „Europäische Banken müssen ihre Gehälter deutlich erhöhen, wenn sie mithalten wollen.“
M&A-Analysten im Einstiegsbereich können in Paris inzwischen ein Grundgehalt zwischen 60000 Euro und 70000 Euro verlangen. Einige jüngere Mitarbeiter französischer Banken sollen von US-Banken bereits das doppelte Gehalt angeboten bekommen haben. Bei Bankmitarbeitern mit sechs bis acht Jahren Berufserfahrung betrage der Gehaltsunterschied zwischen angelsächsischen und französischen Banken dagegen nur 10% bis 20%, schätzt Diane Segalen von der gleichnamigen Personalvermittlung.
Werben mit Sozialkultur
Um Talente zu halten, werben französische Banken verstärkt mit ihrer Sozialkultur, die im Gegensatz zur eher harten amerikanischen Firmenkultur steht. Einige Banken zahlen vielversprechenden Mitarbeitern mittlerweile sogar Sonderboni, damit sie nicht abwandern. Auch bei der Anwesenheitspflicht im Büro machen viele jetzt Zugeständnisse. Begehrte Kandidaten können inzwischen viel mehr Tage zu Hause aushandeln als noch vor ein paar Jahren und so etwa in günstigeren Städten im Süden des Landes wohnen.