Theoretischer Zahlensalat
Die Zahlen, mit denen die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA um sich wirft, sind gigantisch. In den europäischen Pensionseinrichtungen könnte unter ungünstigen Kapitalmarktbedingungen eine Lücke von bis zu 773 Mrd. Euro klaffen. Dieses Szenario hat die Behörde mit einem europaweiten Stresstest errechnet, an dem Pensionswerke aus 17 Ländern teilnahmen, die einen Großteil des Marktes abbilden.Grund zur Panik besteht allerdings nicht. Um auf diese Zahl zu kommen, haben die Aufseher reichlich unrealistische Annahmen treffen müssen. Den sehr heterogen ausgestalteten nationalen Betriebsrentensystemen hat EIOPA eine einheitliche Berechnungsmethode übergestülpt, die zudem zusätzliche Sicherungsmechanismen wie Nachschusspflichten von Arbeitgebern bei diesen Horror-Ergebnissen nicht berücksichtigte.Die enormen theoretischen Deckungslücken sind allerdings geeignet, maximale Aufmerksamkeit zu erregen bei einem komplexen Thema, das sonst selten für Schlagzeilen taugt. Viel Neues hat die Studie nicht gebracht und Überraschendes auch nicht – das gab sogar der EIOPA-Präsident höchstselbst zu. Natürlich leiden Pensionsfonds unter Zinstief und volatilen Kapitalmarktbedingungen. Natürlich hat sich das Umfeld in den vergangenen Jahren unglaublich geändert – und damit frühere Kalkulationen der Pensionswerke über den Haufen geworfen. Die tatsächlichen Deckungslücken in Europa zu quantifizieren ist jedoch auch mit dem EIOPA-Stresstest kaum einfacher geworden.Sicher ist jedoch eins: In Deutschland werden sich, wenn es noch mehr Schocks am Kapitalmarkt zu verarbeiten gibt, die Arbeitgeber warm anziehen müssen. Denn sie müssen bei Pensionsfonds und Pensionskassen nachschießen, wenn die Versorgungswerke in die Bredouille geraten. Bei den Pensionsverpflichtungen in den Bilanzen spüren die Unternehmen das Problem ja schon seit geraumer Zeit, indem sie ihre Rückstellungen im Zinstief immer weiter aufstocken müssen.Positives aus deutscher Sicht kommt in Sachen Betriebsrenten indes aus Brüssel. Die Pensions-Richtlinie IORP II kommt endlich voran. Sie setzt den künftigen Rahmen für die Betriebsrenten-Einrichtungen in Europa, ohne ihnen zu viel von den nationalen Eigenheiten zu nehmen. Ein paar Kritikpunkte kommen noch von deutscher Seite, doch das sind eher Nebensächlichkeiten – verglichen mit der früheren Furcht vor einer überbordenden Vereinheitlichungswut der EU-Bürokraten.