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Trump gegen Biden

Wer die US-Wahl gewinnt, das beeinflusst auch die Aussichten von Branchen und Sektoren. Unter demokratischen Präsidenten sind die Aktienmärkte häufig deutlich geklettert. Von Dieter Kuckelkorn Wenn am 3. November die Amerikaner zur Wahlurne...

Trump gegen Biden

Wer die US-Wahl gewinnt, das beeinflusst auch die Aussichten von Branchen und Sektoren. Unter demokratischen Präsidenten sind die Aktienmärkte häufig deutlich geklettert. Von Dieter KuckelkornWenn am 3. November die Amerikaner zur Wahlurne gehen, ist das nicht nur für die politische Zukunft der USA und der Welt, sondern auch für die globalen Märkte ein bedeutendes Ereignis, das die Investmententscheidungen der Marktteilnehmer beeinflussen wird. Dementsprechend beschäftigen sich nicht nur Wahlforscher mit den Wahlprognosen, sondern auch Marktstrategen, die herauszufinden versuchen, welche Assets am meisten vom Wahlausgang profitieren und welche benachteiligt werden.Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Wahlsieger in den USA nicht allzu viel durchsetzen kann, wenn seine Parteifreunde nicht die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses haben. Klare Aussagen und Anlageempfehlungen lassen sich daher vor allem für den Fall einer “Blue Wave” (Blau steht für die Demokraten) oder “Red Wave” (Rot steht für die Republikaner) machen, worunter man versteht, dass der Wahlsieger jeweils auch eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses erlangt. Nur dann kann der Gewinner seine politischen Vorstellungen wirklich durchsetzen.Auf die US-Konjunktur wird der Wahlausgang wahrscheinlich wenig Einfluss haben. Die Ökonomen der schweizerischen Großbank UBS gehen sowohl für den Fall einer Red Wave als auch einer Blue Wave von einem leicht positiven Effekt auf die Konjunktur aus, da beide Seiten diese ankurbeln wollen, wenn auch auf leicht unterschiedliche Weise. Für den Fall eines Wahlsieg einer der beiden Kandidaten ohne Kontrolle des Kongresses rechnen sie hingegen mit lediglich neutralen bis leicht negativen Auswirkungen.Die Aussicht auf ein Kursfeuerwerk lasse sich letztlich weder aus dem Programm des einen noch des anderen Kandidaten ableiten, meinen auch die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Positiv sei jedoch ein klarer Wahlsieg eines der beiden Kandidaten, so dass es nicht zu einer für die Börse schädlichen längeren Phase der Unsicherheit komme. Zwar hätten die Anleger bislang kaum Anstoß genommen an den hohen Bewertungen an den Aktienmärkten. Diese machten die Märkte jedoch anfällig für Kurskorrekturen, für die Unsicherheit sorgten.Für den Fall eines Wahlsiegs von Präsident Trump geht man bei der UBS davon aus, dass am US-Aktienmarkt Finanzwerte und Branchen wie beispielsweise Energie profitieren werden. Themen wie eine starke Betonung des Wirtschaftswachstums und die wohl ausbleibende Verschärfung von Regulierungen sollen aber auch Vorteile für Value Stocks bieten. Ein Risikofaktor seien aber die sich wohl weiter verschärfenden Handelskriege. Für den Bereich Fixed Income sagen die Analysten eine steilere Zinsstrukturkurve voraus sowie niedrigere Aufschläge für Unternehmensanleihen gegenüber Staatstiteln. Zudem wird ein zumindest zeitweiliger Anstieg des Dollars erwartet, da ein stärkeres Wirtschaftswachstum in den USA ausländisches Kapital anziehen werde, trotz der bestehenden Defizite der US-Wirtschaft und des Staates. Demokraten planen SteuererhöhungEin Durchmarsch der Demokraten an allen Fronten könnte Gefahren für den Aktienmarkt bringen, so die Analysten der Bank. Zwar setzten die Demokraten auf eine fiskalische Stützung der Volkswirtschaft, allerdings planten sie auch eine Anhebung der Körperschaftsteuer von 21% auf 28%, was die Gewinne der Unternehmen im marktbreiten Aktienindex S&P 500 um 5% reduzieren würde. Zudem sei mit mehr Regulierung zu rechnen, wenn auch nur auf ausgewählten Gebieten wie dem Energiesektor und für die großen Technologiewerte, sowie auch für den Finanzsektor – wobei es dort aber wohl nur um den Aspekt des Verbraucherschutzes geht. Schlechter aussehen könnte es auch für die Pharmaindustrie, wenn die Demokraten eine Begrenzung der Medikamentenpreise anstreben. Mit einer gesetzlichen Krankenversicherung für sämtliche Amerikaner – gut für die Bürger, aber schlecht für die Börse und die Unternehmen – rechnen die Experten der UBS auch für den Fall eines Wahlsieg Bidens nicht. Langfristige Gewinner einer Präsidentschaft Bidens seien hingegen Unternehmen und Aktien aus den Bereichen Energieeffizienz, Smart Mobility und erneuerbare Energien.Die Helaba-Analysten sehen Biden als Präsidenten mit Blick auf die Auswirkungen am Aktienmarkt eher kritisch. Klar sei, dass das Biden-Programm mit Steuererhöhungen und Re-Regulierung bei Aktionären wenig Begeisterung auslöse, schmälere es doch die Gewinne der Unternehmen. Auf den ersten Blick sei Trump daher aus Sicht der Börse das kleinere Übel. Allerdings sei das Pulver für weitere Steuersenkungen bereits weitgehend verschossen, und seine protektionistische Handelspolitik berge für US-Unternehmen Risiken.Eine besondere Betrachtung verdienen die Rüstungsaktien, die in hohem Maße von Entscheidungen der Politik abhängig sind. Für diese Branche dürfte der Wahlausgang aber kaum besondere Auswirkungen haben, weil sich die Ansätze der beiden Kandidaten hier kaum unterscheiden. Beide Kandidaten setzen auf die Konfrontation mit den eurasischen Großmächten China und Russland sowie auf starke Aufrüstung. Trump ist zwar der erste Präsident seit längerer Zeit, der in seiner ersten Amtszeit keinen größeren Krieg begonnen hat, während Biden dem Clinton/Obama-Lager zuzuordnen ist, das sich in der Vergangenheit aggressiver zeigte. Ob diese Beobachtungen aus der Vergangenheit aber als Prognose für die Zukunft taugen, darf bezweifelt werden. Beide möglichen Administrationen haben nämlich das Problem der vollkommen aus dem Ruder laufenden amerikanischen Rüstungsausgaben zu lösen, so dass für die Rüstungskonzerne kaum mit einem weiteren warmen Regen zu rechnen ist.Für europäische Aktien gilt grundsätzlich Ähnliches wie für amerikanische Dividendentitel. Gewinner einer Trump-Wiederwahl wären Bereiche wie Energie, aber auch Healthcare und Banken. Europäische Autowerte dürfte nach Einschätzung der UBS hingegen unter den Handelskriegen leiden. Eine Eroberung des Weißen Hauses durch Joe Biden wäre hingegen auch für die europäische Energiebranche schlecht, profitieren würden allerdings Automobilwerte wegen der zu erwartenden konzilianteren Einstellung in Fragen der Handelspolitik. Zu den Gewinnern werden auch Versorger gezählt, wohl wegen der zu erwartenden stärkeren Förderung erneuerbarer Energien. Biden gilt als diplomatischerBedenken für den Fall eines Wahlsiegs Bidens hat David Zahn, Leiter Europäische Anleihen bei Franklin Templeton: “Biden ist der Typus von Politiker, der für die Europäer Normalität ist. Er möchte die Menschen zusammenbringen, und dies dürfte in Europa gut ankommen. Allerdings gibt es für die Märkte bei einer Biden-Präsidentschaft zwei wichtige Bereiche der Sorge oder Unsicherheit. Generell werden Steuererhöhungen befürchtet, und die Unsicherheit um die künftige US-Steuerpolitik wird an den Märkten weltweit spürbar sein.”Entspannter sieht die Lage Michael Herzum, Leiter Macro & Strategy bei Union Investment. An den Kapitalmärkten herrsche zwar die Sorge, ein Wahlsieg Bidens könne die Ertragskraft von “Corporate America” belasten und damit den Aktienmarkt schädigen. Diese Befürchtung sei auch nicht unbegründet. Schließlich enthalte das demokratische Wahlprogramm “Build Back Better” einige Härten für US-Unternehmen.In Summe würden aber die positiven Faktoren überwiegen, die Wall Street nach einem kurzen Rücksetzer also leicht zulegen, so Herzum. Denn unter einem Präsidenten Biden werde die Handelsrhetorik weniger harsch sein und die US-Außenpolitik diplomatischer. Sinkende Risikoprämien und eine geringere Volatilität am Aktienmarkt würden im Ergebnis höhere Bewertungen in Form eines steigenden Kurs-Gewinn-Verhältnisses erlauben. Dieser rhetorische Rückenwind werde die negativen Effekte der geplanten Steuererhöhungen auf die Gewinne überkompensieren. Die Vorschläge zu Infrastrukturausgaben und Löhnen seien zudem wachstumsfördernd und würden die Unternehmensgewinne stützen.Über viele Jahrzehnte galten amerikanische Präsidenten aus den Reihen der Republikanischen Partei üblicherweise an der Wall Street als die bessere Wahl für den Aktienmarkt, da sie üblicherweise über wirtschaftsfreundlichere Wahlprogramme verfügten. Das war jedoch offenbar ein Trugschluss, denn wie die Analysten der Helaba jetzt in einer Studie nachgewiesen haben, kamen in der Vergangenheit Präsidenten aus der Demokratischen Partei während ihrer Amtszeit im Durchschnitt auf die deutlich größeren Kursgewinne des amerikanischen Leitindex S&P 500. Dies gilt demnach für den durchaus langen Zeitraum seit 1928.In der Zeitspanne von 1928 bis 2016 kamen republikanische Präsidenten im Durchschnitt auf einen jährlichen Anstieg des S&P 500 von 1,8%. Nimmt man lediglich die Jahre zwischen 1944 und 2016, ergab sich ein durchschnittlicher Anstieg um 4,8%. Das bleibt deutlich hinter dem zurück, was demokratische Präsidenten für sich verbuchen können: Im Mittel der Jahre von 1928 bis 2016 ergibt sich bei ihnen ein jährlicher Anstieg des US-Benchmark-Index um 9,1%. Für die Jahre zwischen 1944 und 2016 ergibt sich sogar ein Plus von 10% im jährlichen Durchschnitt.Sollten nun die US-Börsianer mit Blick auf die Wertentwicklung ihrer Portfolios für Joe Biden stimmen? Die Analysten der Helaba machen selbst darauf aufmerksam, dass es sicherlich zu weit führen würde, die zu beobachtenden Performance-Unterschiede allein den politischen Machtverhältnissen zuzuschreiben. So sei auf Seiten der Republikaner die Große Depression der 1930er Jahre in die Amtszeit des Republikaners Hoover gefallen. Richard Nixon hatte mit den Auswirkungen des großen Erdölpreisschocks zu kämpfen, während in die Amtszeit von George W. Bush dem Jüngeren sowohl das Platzen der New-Economy-Blase als auch die Anschläge auf das World ­Trade Center sowie spektakuläre Bilanzierungsskandale wie bei Enron und Worldcom gefallen sind. Bushs zweite Amtszeit habe sich zudem durch die Subprime-Krise mit ihren massiven Verwerfungen im Finanzsektor ausgezeichnet, die auf die Realwirtschaft übergesprungen seien und die bis dahin schwerste Rezession seit den 1930er Jahren ausgelöst hätten.Demokrat Truman habe hingegen vom Aufschwung der Nachkriegsjahre profitiert, Kennedy vom dynamischen Wachstum der 1960er Jahre, während Bill Clinton nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Friedensdividende habe einstreichen können. Und die Aktienkursgewinne während der Amtszeit Obamas seien zu einem nicht geringen Teil eine zyklische Gegenbewegung auf den Kurseinbruch von 2008 gewesen und zudem zurückzuführen auf die extrem lockere Geldpolitik der Fed, für die nicht der Präsident verantwortlich zeichne. Durchaus gute Bilanz TrumpsDer gegenwärtige Präsident Donald Trump kann sich immerhin rühmen, dass der S&P 500 seit Beginn seiner Amtszeit um durchschnittlich 13% pro Jahr zugelegt hat, womit er im langjährigen Durchschnitt durchaus gut aussieht. Allerdings sind die Analysten der Helaba der Meinung, dass dies sicherlich nicht allein auf seine “geniale” Politik der Steuersenkungen und ­Deregulierung zurückzuführen sei.Bleibt noch die Frage, wer von den beiden Kandidaten denn nun die Wahlen gewinnen wird. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 galt Hillary Clinton als klare Favoritin gegenüber dem bei vielen damals als “Polit-Amateur” geltenden Trump, diesmal werden von vielen Beobachtern Joe Biden die größten Chancen eingeräumt. Dafür spricht auch die Tatsache, dass in den vergangenen hundert Jahren mit einer einzigen Ausnahme ein Präsident jedes Mal dann wieder gewählt wurde, wenn es in den zwei Jahren vor den Wahlen keine Rezession gab. Aktuell gibt es jedoch durch Covid-19 bedingt eine schwere Rezession. Ein gewichtiges Argument ist auch, dass sich bei sämtlichen amerikanischen Präsidentschaftswahlen seit 1984 Allan Lichtman, Professor für Geschichte an der American University, anhand von 13 von ihm betrachteten Kriterien als ein Prognostiker erwies, der stets Recht hatte. Lichtman geht aktuell von einem Wahlsieg Bidens aus.Allerdings gibt es auch Argumente für einen Wahlsieg Trumps. So lassen sich angesichts der aktuellen Krise die Erfahrungen der Vergangenheit kaum brauchbar auf die Gegenwart übertragen. Unter Berücksichtigung auf die wirtschaftliche Lage mit der Rivalität mit China, den schweren sozialen Unruhen und den enormen staatlichen fiskalischen und geldpolitischen Hilfen für die Wirtschaft lässt sich sagen, dass sich die USA in einer Lage befinden, wie es sie noch nie gegeben hat. Ferner gilt es noch etwas anderes zu berücksichtigen: Es hat sich gezeigt, dass Trump-Anhänger eine Aversion gegen die meisten US-Medien haben, die sie als zu liberal empfinden. Da jedoch die Medien die meisten Wahlprognosen in Auftrag geben, nehmen Trump-Anhänger in der Regel deutlich unterrepräsentiert an den Umfragen teil. Dies hat 2016 zu Fehlprognosen geführt. Das gilt aktuell insbesondere für die so genannten “Swing States”, die noch heftig umstritten sind. Hohe Volatilität bei MachtwechselWer allerdings für die Prognose des Wahlausgangs lieber auf die Erfahrungen der Vergangenheit setzt, dem könnte die Entwicklung des amerikanischen Benchmark-Indizes S&P 500 als Prognosewerkzeug dienen. Mit einer Zuverlässigkeit von 87% seit 1928 lässt sich sagen, eine positive Performance des Aktienindex in den drei Monaten vor dem Wahltermin dafür spricht, dass der Amtsinhaber gewinnt. Weist der Index eine negative Performance auf, gewinnt meist der Herausforderer.Und noch ein weiterer Aspekt ist interessant: Sollte es zu einem Wachwechsel im Weißen Haus kommen, ist für die ersten Monate nach den Wahlen mit einer hohen Volatilität am amerikanischen Aktienmarkt zu rechnen. Es wird also rund um die amerikanischen Präsidentschaftswahlen nicht nur in der Politik spannend, sondern aller Voraussicht nach auch an den Märkten.