Unsicherheit sorgt für gemischtes Bild
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt
Die belgisch-französische Fondsgesellschaft Candriam blickt weltweit wie auch in Deutschland auf ein Rekordjahr zurück. Mit dem Start in den laufenden Turnus zeigte sich die Leiterin der Frankfurter Niederlassung, Tanja Bender, angesichts der Marktentwicklung infolge des Ukraine-Kriegs im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zufrieden. „Es gab Abflüsse bei unseren Aktien- und Rentenfonds und zugleich Zuflüsse in den Bereichen High-Yield-, Emerging-Markets-Bonds sowie Absolute-Return-Fonds, insgesamt war dies mehr oder weniger ausgeglichen“, so Bender, die von der Mainmetropole aus für das deutsche und österreichische Geschäft zuständig ist.
Dass dies so sei, sei indes Ergebnis sehr intensiver Arbeit und vieler Gespräche mit den Kunden, um Lösungen angesichts der volatilen Marktsituation zu finden. „Auch wenn das Geschäft aufwendiger und damit ein wenig arbeitsintensiver ist als in der Aufwärtsbewegung der vergangenen Jahre, das reizt mich mehr. Wir reden mit Kunden proaktiv darüber, wie man Aktien und Renten gegen Wertverluste wie auch gegen die Inflation absichert.“
Angesichts der unsicheren Gemengelage mit steigender Inflation und Zinsen, explodierten Energiepreisen und diversen anderen wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs sei die Unsicherheit unter den Kunden aktuell sehr hoch, da die Zweit- und Drittrundeneffekte derzeit noch nicht absehbar sind. Grundsätzlich sei eine langsam wachsende Anzahl an Ausschreibungen für Bond-Mandate erkennbar, da die steigenden Zinsen wieder mehr Investments in diesem Segment attraktiver machten. „Aktuell ist das Geschäft sehr gemischt, klare Favoriten oder regelrechte Verkaufskandidaten kann man nicht erkennen, jeder Investor reagiert anders auf die derzeit vorherrschende Unsicherheit“, berichtet Bender.
Im vergangenen Jahr hatte es für Candriam im allgemeinen Aufwärtstrend der Fondsbranche einen warmen Rekordregen gegeben: Weltweit stieg das verwaltete Vermögen um 18 Mrd. Euro auf einen Höchststand von 158 Mrd. Euro. 67% entfielen auf nachhaltige Anlagen. Investments mit Berücksichtigung von Umwelt, sozialen Themen oder guter Unternehmensführung gehören schon lange zur Ausrichtung der einstigen Dexia Asset Management, die nach der Übernahme durch New York Life in Conviction and Responsibility in Asset Management, kurz Candriam, umgetauft wurde. Auch das deutsche und österreichische Geschäft erreichte mit 3,5 Mrd. Euro zuvor unerreichte Höhen nach 2,2 Mrd. Euro im Vorjahr, wozu neben den Bewertungsgewinnen infolge der Marktentwicklung auch Rekordzuflüsse von 650 Mill. Euro beitrugen. Global betrachtet waren es 7,4 Mrd. Euro Nettomittelzuflüsse. Thematische globale Aktienfonds waren dabei stark gefragt (Zuflüsse von 2,1 Mrd. Euro).
Wie Bender berichtete, sorgte der Abwärtstrend an den Märkten seit Jahresbeginn dafür, dass das verwaltete Vermögen für deutsche und österreichische Kunden per Ende April auf 3,2 Mrd. Euro zurückfiel, während die Zuflüsse um die Nulllinie blieben. Grundsätzlich richtet sich das Candriam-Angebot hierzulande nur an institutionelle Investoren und Distributoren: Dachfonds, Banken und Sparkassen, Vermögensverwalter, Family Offices, Anlageberater, Versicherer und Pensionskassen.
Verzicht auf russische Bonds
Mit Blick auf die Kriegsregion ist Candriam schon lange sehr zurückhaltend gewesen. Russische Staatsanleihen wurden schon vor vielen Jahren aus dem investierbaren Universum herausgenommen, da das Land das Völkerrecht immer wieder verletzt und auch im Inland Menschen- und Bürgerrechte missachtet. Wie Bender erläuterte, bewertet Candriam Länder mithilfe von 500 Datenpunkten in den vier Bereichen Umwelt, Soziales, Wirtschaft und Humankapital. Maximal 100 Punkte können erreicht werden, unter 25 gilt ein Land als nicht investierbar – siehe Russland. China wird zudem bewusst ebenfalls ausgeklammert.
Unternehmen hingegen unterliegen der normalen ESG-Bewertung (Environment, Social, Governance) durch die Fondsmanager. Wegen der sich abzeichnenden Krise hatte Candriam alle russischen Investments Ende Januar eingestellt. Das Exposure beträgt derzeit nur noch 0,002 % der Assets under Management und soll vollständig abgebaut werden.