US-Justizminister zielt auf Versicherer
mic München
Das US-Justizministerium hat eine Untersuchung über die sogenannten Structured-Alpha-Fonds der Allianz-Tochter AGI eingeleitet. Es sei ein Ersuchen zur freiwilligen Überlassung von Unterlagen und Informationen übermittelt worden, teilte der Münchner Versicherer am Sonntagabend mit. Im Vorstand verantwortet Jacqueline Hunt die Sparte Vermögensverwaltung.
Damit erreicht der Streit mit US-Großanlegern wie beispielsweise Pensionsfonds über Verluste, die sie wegen des Kurssturzes während der Coronakrise erlitten hatten, eine neue Stufe. Ansprüche hatte ein erster Pensionsfonds im Juli 2020 erhoben, anschließend hatte sich die Wertpapieraufsicht SEC eingeschaltet (vgl. BZ vom 23. Juli 2020).
Die Schadenersatzforderungen gegenüber den Fonds schwellen an, weil weitere Investoren vor Gericht aktiv geworden sind. Während vor einigen Monaten noch von 4 Mrd. Dollar die Rede war, soll sich die Summe mittlerweile auf rund 6 Mrd. Dollar belaufen. In der gesamten Structured-Alpha-Familie der AGI waren vor Beginn des pandemiebedingten Kurssturzes rund 8 Mrd. Dollar angelegt. Davon lagen beispielsweise 2 Mrd. Dollar in dem Fondstyp der 1000er-Reihe, der eine Outperformance des jeweiligen Index von 10% als Zielrendite hatte.
Die Fondsstrategien waren so angelegt, dass sie die Outperformance über Options- und Liquiditätsprämien auch bei Seitwärtsbewegung oder moderater Veränderung der Märkte erreichten. Sie waren jedoch nicht auf eine wochenlange Volatilität der Märkte ausgerichtet. Man habe eine eigene Überprüfung der Angelegenheit eingeleitet, erklärten die Münchner.
Aktienkurs schmiert ab
Die Allianz hat die Angelegenheit nach eigenen Angaben nun erneut bewertet. Man sei „zu dem Schluss gekommen, dass ein relevantes Risiko besteht, dass die mit den Structured-Alpha-Fonds verbundenen Angelegenheiten erhebliche Auswirkungen auf künftige Finanzergebnisse der Allianz-Gruppe haben könnten“, heißt es in einer Ad-hoc-Mitteilung, die nur wenige Tage vor Präsentation der Halbjahreszahlen am nächsten Freitag veröffentlicht wurde. Diese Mitteilung wird nicht nur mit dem Einschalten des Justizministeriums begründet, sondern beruhe auch auf der Grundlage der Informationen, die der Allianz zum heutigen Zeitpunkt zur Verfügung ständen.
Der Allianz-Aktienkurs reagierte am Montag zunächst zögerlich auf die Neuigkeit. Das Papier startete mit einem Abschlag von knapp 4% in den Handel. Im Tagesverlauf nahm der Kursverlust jedoch Fahrt auf. In der Spitze notierte das Papier 10% im Minus. Die Allianz-Aktie schloss den Xetra-Handel mit einem Kursrückgang von 7,8% auf 193,70 Euro. Dies entspricht dem Verlust einer Marktkapitalisierung von 6 Mrd. Euro.
Rückstellungen hat die Allianz jedoch nicht gebildet. Es sei nicht möglich, die konkreten finanziellen Auswirkungen, einschließlich möglicher Strafzahlungen, zuverlässig abzuschätzen, heißt es in der Mitteilung. Denn der Ausgang der Untersuchungen und der Gerichtsverfahren könne nicht vorhergesagt werden.
Die Allianz hatte in ihrem Geschäftsbericht 2020 informiert, dass zu den Klägern sowohl institutionelle Investoren als auch Einzelpersonen zählten. Die Klagen seien zum Teil als Sammelklage ausgestaltet. Weiter hieß es: „Die Allianz beabsichtigt, sich nachdrücklich gegen die Klagevorwürfe zu verteidigen.“
Kläger sahen sich abgesichert
Die Kläger wie der US-Pensionsfonds Arkansas Teacher Retirement System, der die Klagewelle losgetreten hat, sind der Meinung, dass die AGI-Investmentstrategie in den Structured-Alpha-Fonds auf stabile Renditen und auf eine Absicherung auch in Abschwungphasen ausgerichtet gewesen sei. Tatsächlich aber sei der Wert der Fonds stark gesunken, und zwar teils um weit mehr als 70%. Zusätzlich habe die Fondsgesellschaft AGI gegen ein Anhalten der Marktvolatilität gewettet. Mit einer Serie von Investmententscheidungen habe die AGI die eigenen Risikomanagement-Vorschriften verletzt und den Verlust vergrößert. Mittlerweile wurden Structured-Alpha-Fonds teilweise liquidiert.
Neben dem Lehrer-Pensionfonds aus Arkansas gehören unter anderem Blue Cross & Blue Shield, ein Pensionsfonds der Gewerkschaft Teamsters aus Chicago, die New York City’s Metropolitan Transportation Authority und die Lehigh University zu den Klägern.