Versicherer stellen Bürgerrente vor
ak Köln
Die Versicherungsbranche positioniert sich mit einem eigenen Modell in der Diskussion um die Reform der privaten Altersvorsorge. Der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Norbert Rollinger, stellte am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz in Berlin das Konzept einer „Bürgerrente“ vor. Sie soll die ungeliebte Riester-Rente ersetzen. Die Bürgerrente soll für alle – Arbeitnehmer, Arbeitslose, Beamte und Selbstständige – zugänglich sein. Die Versicherer schlagen vor, dass der Staat die neue kapitalgedeckte Altersvorsorge mit 50 Cent je eingezahltem Euro fördert. Das Modell ist gedeckelt: Die Förderhöchstgrenze soll bei 4% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegen. Das wären aktuell knapp 300 Euro im Monat, die jeder Bürger einzahlen könnte. Die volle Beitragsgarantie der Riester-Rente gäbe es nicht mehr: „Bei 80% Garantieniveau können wir eine deutlich profitablere Kapitalanlage machen“, wirbt Rollinger.
Die Riester-Rente mit hohem bürokratischen Aufwand und 100% Beitragsgarantie bieten mittlerweile nur noch wenige Lebensversicherer im Neugeschäft an. Der Niedergang des einstigen Renten-Hoffnungsträgers spiegelt sich deutlich in den Zahlen wieder. Das Neugeschäft brach hier im vergangenen Jahr um 60% ein, nur noch 125000 neue Verträge wurden abgeschlossen. Der Bestand an Riester-Policen sank um 2% auf 10,2 Millionen.
Auch insgesamt schrumpften die Beitragseinnahmen der Lebensversicherer im abgelaufenen Jahr deutlich, was dazu führte, dass die Versicherungsbranche ihre ursprünglichen Wachstumsziele verfehlte. Die Einnahmen der Assekuranz sanken um 0,7 % auf 224 Mrd. Euro. Der Rückgang in der Lebensversicherung lag bei 6 % Rollinger machte für die Entwicklung in der volumenstärksten Sparte der Branche zwei Gründe aus: Zum einen würden durch die Normalisierung des Zinsniveaus andere Anlageformen wieder attraktiver. „Zum anderen führen die gestiegenen Lebenshaltungskosten dazu, dass viele Menschen weniger Geld für ihre Altersvorsorge übrig haben“, beklagte der seit September amtierende GDV-Präsident.
In den übrigen Sparten lief es besser. „Die Schaden- und Unfallversicherung hat nach einem Verlustjahr wieder schwarze Zahlen geschrieben“, verkündete Rollinger, der im Hauptberuf Vorstandschef der R+V ist. Nach den Milliardenschäden durch die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands im Sommer 2021 lieferten fast alle Zweige im vergangenen Jahr wieder Schaden-Kosten-Quoten unter 100%. Nur die Kfz-, die Wohngebäude- sowie die industrielle Sachversicherung wirtschafteten mit Combined Ratios zwischen 101 und 106% noch leicht defizitär. Mit einer spartenweiten Schaden-Kosten-Quote von 95% fuhren die Schaden- und Unfallversicherer in Deutschland damit einen versicherungstechnischen Gewinn von rund 4 Mrd. Euro ein.
Im laufenden Jahr rechnet die deutsche Versicherungsbranche wieder mit Wachstum. Der GDV geht von einem Beitragsplus marktweit von rund 3 % aus. Die Schaden- und Unfallversicherung wird es nach Einschätzung des Verbandes mit zwei gegenläufigen Effekten zu tun bekommen, aber unterm Strich um etwa 6% wachsen. Die Inflation treibt dabei die Beiträge nach oben, gedämpft wird die Entwicklung nach Ansicht von Rollinger durch starken Wettbewerb und die schwierige finanzielle Situation vieler Haushalte. In der Wohngebäudeversicherung dürfte sich die Inflation besonders bemerkbar machen – hier rechnet der GDV mit einem Beitragsplus von 16%.
Für die Lebensversicherung geht der Verband von einer Stagnation der Einnahmen aus, da sich weiterhin viele Menschen schwer tun könnten, für private Altersvorsorge Geld zurückzulegen. Steigende Zinsen könnten laut Rollinger aber auch die Konditionen der Lebensversicherer wieder attraktiver machen. Die privaten Krankenversicherer kalkulieren mit einem moderaten Beitragsplus 2023 von 3,5 %.