Viele Hürden bei Anlageprodukten

EU-Kommission plant Anhörung, wie Zugang für Privatanleger zum Kapitalmarkt verbessert werden kann

Viele Hürden bei Anlageprodukten

Auf dem Weg zur geplanten Kapitalmarktunion hat die EU-Kommission noch viele Aufgaben zu bewältigen. Eine davon ist das erklärte Ziel, den Zugang für Privatanleger zu Kapitalmarktprodukten zu verbessern. An diesem Freitag plant Brüssel dazu eine öffentliche Anhörung. Zuvor hat die Kommission eine Studie erstellen lassen, die aufzeigt, inwieweit Schwächen im Vertrieb und Intransparenz bei den Kosten zu der schwachen Investmentkultur in Europa beitragen.sto Frankfurt – Die EU-Kommission hat sich mit Blick auf die geplante Kapitalmarktunion vorgenommen, den Zugang zu Anlageprodukten für Privatanleger zu verbessern. Für einen Überblick, wie es um die Vertriebssituation in den einzelnen Ländern der Europäischen Union bestellt ist, sorgt nun eine Studie, die Deloitte Luxembourg für die Kommission erstellt hat. Fazit: Für Verbraucher ist es schwierig, sich über die verschiedenen Formen der Geldanlage einen Überblick zu verschaffen, vor allem mit Blick auf die Kosten. Zugleich fehle es an unabhängiger Beratung. Die abhängigen Beratungsstellen wie von Banken rieten meist zu Hausprodukten. Außerdem seien die Kosten für Investmentfonds, Aktien, Anleihen, Lebensversicherungen und Altersvorsorgeprodukte in den einzelnen Ländern unterschiedlich hoch. An diesem Freitag (29. Juni) wird die EU-Kommission eine Anhörung dazu durchführen, wie der Zugang der Kleinanleger zu Kapitalanlageprodukten verbessert werden kann.Die Studie war 2017 in 15 Ländern der EU durchgeführt worden, somit vor Einführung der neuen Vorgaben im Vertrieb durch die Märkterichtlinie Mifid II und die Produktinformationsblätter Priips seit Anfang 2018 sowie die bald geltende Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD. Doch das nun vorhandene Mehr an Informationen wird bereits nach wenigen Monaten von Verbrauchern als wenig hilfreich empfunden, um mehr Klarheit und Orientierung bei Sparprodukten zu erhalten. Auch ist es erklärtes Ziel der EU-Kommission, im Rahmen der Kapitalmarktunion die Situation für Privatanleger mit Blick auf die Höhe der Kosten und die Komplexität der Produkte ein weiteres Mal zu verbessern. Die Studie zeigt auf, dass die Informationen über Investmentprodukte auf den Internetseiten der Vertriebsstellen nicht durchweg transparent dargestellt sind – das gilt vor allem für die Folgekosten nach Erwerb der Geldanlage – und dass es an einer Standardisierung des Ausweises aller Kosten fehlt. Fiktive Kundenanfragen durch Deloitte für die Studie ergaben, dass unabhängig vom EU-Land folgende Produktkategorien am meisten empfohlen wurden: Investmentfonds aus dem eigenen Haus (Mischfonds), gefolgt von Lebensversicherungen (Letztere vor allem in Frankreich). Lediglich die unabhängigen Berater in Großbritannien setzten am häufigsten auf die kostengünstigen ETFs vor klassischen Investmentfonds und Altersvorsorgeprodukten. Provisionsverbot zeigt SpurenOhnehin unterscheidet sich in Großbritannien und den Niederlanden einiges im Vertrieb der Investmentprodukte, da dort die Provisionen in der Beratung weitgehend verboten wurden. Dort wurden die fiktiven Kundenanfragen von Deloitte mit einer kleinen Anlagesumme von 10 000 Euro von Banken und Versicherern nicht angenommen, sondern an freie Vermittler beziehungsweise an eigene Internetangebote verwiesen, wo Kunden sich selbständig für eine Geldanlage entscheiden können (Execution only).Die speziell untersuchten Robo-Advisors beschränkten ihre Anlageempfehlungen ausschließlich auf ETFs. Spanische, britische und deutsche Online-Finanzberater sprachen sich mitunter auch für klassische Investmentfonds (Mischfonds) aus, während französische Anbieter Lebensversicherungen empfahlen.Außerdem hält die Studie fest, dass in Kontinentaleuropa die Privatanleger überwiegend die Vertriebsstellen von Banken und Versicherern für Investmentprodukte nutzten. In Großbritannien dominieren dagegen die unabhängigen Berater und die Internetplattformen.Mit Blick auf ETFs heißt es in dem Bericht, dass diese in Europa 25 % teurer seien als in den USA. Dies- wie jenseits des Atlantiks ist die Auswahl an Produkten zwar groß, doch die Zahl der Anbieter beschränkt sich in Europa auf eine Handvoll. In der Beratung von Banken werden die ETFs der Studie zufolge kaum empfohlen, so dass bislang nur 10 bis 15 % des verwalteten Vermögens in den börsennotierten Indexfonds von Privatanlegern stammten. Dies seien dann die wenigen Selbstentscheider in Sachen Finanzen, die sich eigenständig und ohne Beratung im Internet mit Investmentprodukten versorgten. Zu wenige InformationenGrundsätzlich bemängelt die Studie, dass im Vertrieb der untersuchten Anlageprodukte von einem in Finanzfragen eher besser informierten Anleger ausgegangen werde. Nur dieser sei in der Lage, die vorhandenen Produktinformationen, die damit verbundenen Risiken sowie die Gebühren über die gesamte Anlageperiode hinweg nachvollziehen zu können. Grundsätzlich sei es in den einzelnen untersuchten EU-Ländern einfacher, die Informationen über klassische Geldmarkt-, Anleihe-, Aktien- oder Mischfonds zusammenzubekommen als über ETFs und Immobilienfonds. Allerdings, so die Studie, sei es in manchen Fällen etwas schwierig, die vielen verschiedenen Informationen richtig zu kombinieren: Die Anleger müssten nämlich auf verschiedene Dokumente zurückgreifen und sie miteinander in Verbindung bringen. Dies sei etwa der Fall, wenn sich der Privatkunde für einen fremden und nicht den Hausfonds einer Bank entscheide, denn dann fielen zusätzliche Verwahrgebühren an.Deloitte bemängelt nachdrücklich die Informationsangaben über Lebensversicherungen und Altersvorsorgeprodukte. So sei es mit Ausnahme von Italien, Polen und Rumänien entweder unmöglich, die Kosten auf der Internetseite der Vertriebsstellen zu diesen Produkten zu finden, oder sie wiesen nur unzulänglich die Kosten aus. Zum Beispiel bleibe unklar, ob die Kosten der zugrunde liegenden Assets enthalten seien.Dies liege daran, dass es keine Verpflichtung für Distributoren gebe, gegenüber Nichtkunden, also Interessenten, die Kosten auszuweisen, heißt es in der Studie. Damit können Privatanleger sich aber nur schwerlich einen Überblick über die Kosten verschaffen, die abhängig von dem Anlageprodukt oder der Vertriebsstelle differieren. Also seien Verbraucher gezwungen, sich persönlich an einen Berater zu wenden. Diese Hemmschwelle könne im schlimmsten Falle dafür sorgen, dass der Privatkunde sich erst gar nicht mit dem Thema Geldanlage auseinandersetze.Mit Blick auf die Berater häuften sich zudem Beschwerden, dass sich die Privatkunden falsch oder nicht hinlänglich über die Kosten informiert fühlten oder dass Kosten verschwiegen würden, heißt es. Allerdings, darauf weist die Studie explizit hin, bezögen sich diese Beschwerden auf den Zeitraum vor 2018, bevor die neuen Vorgaben von Mifid II in Kraft getreten seien. VerbraucherunfreundlichBei den Kosten stellt die Studie zwischen den einzelnen Ländern eine große Spannbreite fest (siehe Grafik). In den Niederlanden und Großbritannien ist demnach das Preisniveau bei den laufenden Kosten am niedrigsten, was die Studie auf das Verbot der Provisionsberatung zurückführt. Italien, Polen, Rumänien und Spanien weisen die höchsten Gebühren aus. Abschließend weist die Studie darauf hin, dass der Finanzsektor beim sogenannten Consumer Markets Scoreboard der EU-Kommission, das die verschiedenen Märkte hinsichtlich der Verbraucherfreundlichkeit beurteilt, zu den Branchen gehört, die permanent am schlechtesten abschnitten. Kombiniert mit einer grundsätzlich schwachen finanziellen Bildung der europäischen Bürger sorge dies dafür, dass die Verbraucher wenig Vertrauen in den Finanzsektor wie in ihre eigenen finanziellen Entscheidungen hätten. Der durchschnittliche Verbraucher sei mit der heute vorherrschenden Komplexität an Informationen über Investmentprodukte überfordert. Daher investierten die wenigsten Privatkunden in den Kapitalmarkt.