Interview mit Dr. Stefan Bund und Michael Bolle

Von Solvency II über Basel III bis CRA III

Wie Versicherungen und Banken steigende regulatorische Anforderungen meistern

Von Solvency II über Basel III bis CRA III

Banken und andere Finanzinstitute nutzen im Risikomanagement eine wachsende Bandbreite an Informationsquellen sowie Analyse- und Modellierungstools – vor allem bei der Bewertung von Kreditrisiken. Dies ist eine unmittelbare Folge neuer regulatorischer Anforderungen, die zum Beispiel aus Solvency II, Basel III oder der CRA Verordnung erwachsen. Mit ESMA, EBA oder EIOPA wird zudem die Liste der Aufsichts- und Regulierungsbehörden immer länger. Hinzu kommt die Europäische Zentralbank (EZB) als eine der wichtigsten und anspruchsvollsten Akteure im Regulierungsbetrieb. Dr. Stefan Bund, Chief Analytical Officer der Scope Group und Geschäftsführer der Scope Risk Solutions, und Michael Bolle, Commercial Director der Scope Group, erklären im Interview die Gründe für den wachsenden Bedarf an anspruchsvoller Risikoanalyse und wie Finanzinstitute die regulatorischen Anforderungen effizient erfüllen können. Welche neuen Kernanforderungen gelten für Investoren in Bezug auf externe Ratings? Dr. Stefan Bund: Als Konsequenz der Finanzkrise werden Banken, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder Vermögensverwalter insgesamt in ein immer anspruchsvolleres Regulierungskorsett gedrängt. Was externe Ratings betrifft, haben Aufsichtsbehörden eine einfache Kernforderung: Finanzinstitute sollen sich nicht mehr mechanisch auf diese verlassen. Vielmehr müssen sie bei Investitionsentscheidungen zu jedem Kreditrisiko eine eigene Einschätzung entwickeln und dafür entsprechende analytische Kapazitäten aufbauen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Konzept der “Plausibilität”: externe Ratings müssen stets intern plausibilisiert werden. Michael Bolle: Das heißt, Finanzmarktteilnehmer dürfen sich nicht blind auf Kreditrisikokennzahlen in Form von Buchstaben oder Scores verlassen. Sie müssen vielmehr selbst erfassen, welche Risiken mit diesen Kennzahlen konkret assoziiert sind. Als Teil ihrer Investitionsentscheidungen müssen sie die fundamentalen Risikotreiber verstehen und berücksichtigen, auch wenn externe Ratings herangezogen werden.Wir wirkt sich diese regulatorische Kernforderung in der Umsetzung konkret aus? Dr. Stefan Bund: Ein prominentes Beispiel ist die europäische Solvency II-Richtlinie. Sie bestimmt, dass sich Versicherungsunternehmen nicht ausschließlich auf externe Ratings stützen dürfen. Stattdessen müssen sie nachweisen, dass sie das Kreditrisiko, in das sie investieren, vollständig verstehen und auf die Robustheit der von ihnen verwendeten externen Bewertungen vertrauen können. Gibt es besondere Herausforderungen für Versicherungsunternehmen?Dr. Stefan Bund: Von Versicherungen wird erwartet, dass sie sämtliche Risiken in ihren Portfolios intern bewerten und angemessen managen. Eine besondere Herausforderung dabei ist, dass die regulatorischen Anforderungen auch auf der Ebene der Assetmanager greifen, die Portfolios von Versicherungsunternehmen verwalten. Das bedeutet, dass Assetmanager neben den von ihren Kunden definierten Reporting-Standards zusätzlich regulatorische Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf Kreditrisiken erfüllen müssen. Um die dafür notwendige Bewertungskompetenz und Risikomanagement-Infrastruktur vorzuhalten, setzen zahlreiche Assetmanager wiederum auf externes Know-how – wie es zum Beispiel die Scope Risk Solutions zur Verfügung stellt. Wie passen sich Banken an die neue Regulierungswelt an? Dr. Stefan Bund: Analog zu Versicherungsunternehmen müssen auch Banken erhöhten regulatorischen Aufwand beim Risikomanagement bewältigen. Vor allem Basel II und Basel III sind dafür verantwortlich. Herausfordernd für Banken ist insbesondere die Verpflichtung, regelmäßig die Angemessenheit und Eignung interner Modelle zu überprüfen und anzupassen – eine Forderung, die die EZB im Rahmen ihrer Initiative “Targeted Review of Internal Models” (TRIM) penibel überwacht. Mit welchem Serviceangebot unterstützen Ratingagenturen Finanzinstitute dabei, diesen neuen regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden? Michael Bolle: Unabhängige Ratingagenturen unterstützen Finanzinstitute zunehmend mit erweiterten Dienstleistungen dabei, interne und auf das neue regulatorische Umfeld zugeschnittene Risikobewertungen durchzuführen. Ein wesentlicher Vorteil dabei ist, dass ihre Bewertungen nicht von internen Anlagepräferenzen der Kunden beeinflusst sind.Dr. Stefan Bund: Die Ratingagentur Scope hat jüngst eine spezialisierte Tochtergesellschaft gegründet, um die wachsende Nachfrage nach hochwertiger interner Kreditanalyse vor allem von Versicherungen und Banken zu bedienen: Die Scope Risk Solutions führt qualitative und quantitative Kreditanalysen durch und stellt sicher, dass Kunden nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Berechnung des Ausfall- und Verlustrisikos intern nutzen können, um ihren regulatorischen Anforderungen zu genügen.Welchen Vorteil hat die Lieferung solcher Risikobewertungen durch eine Ratingagentur? Michael Bolle: Nehmen Sie zum Beispiel die Scope Risk Solutions: Sie ist die analytische Verlängerung der Scope Ratings, der einzigen europäischen Ratingagentur, die alle wichtigen Assetklassen in Europa bewertet. Damit profitieren Versicherungen und Banken vom Zugang zum analytischen Know-how einer etablierten Ratingagentur, deren Ansätze auf europäischen Sichtweisen zu Kreditrisiken basieren. Des Weiteren bieten die von der Scope Risk Solutions angebotenen Risikobewertungsmodelle ein Maximum an Konsistenz und Vergleichbarkeit mit den Modellen und Bewertungen der Scope Ratings.Dr. Stefan Bund: Ein gutes Beispiel, das die Vorzüge verdeutlicht, ist IFRS 9. Dieses Regelwerk verlangt für Portfolios die Bildung von Rückstellungen, auch wenn aktuell kein dezidiertes Ausfall- oder Verlustrisiko besteht. Viele interne Modelle von Investoren berücksichtigen dies noch nicht, da sie üblicherweise nur einen Einjahreshorizont haben. Die Methodiken und Bewertungsansätze der Scope Ratings hingegen basieren auf einem Betrachtungshorizont über die gesamte Laufzeit der Risikoposition. Damit kann das Serviceangebot der Scope Risk Solutions Investoren optimale Unterstützung bieten. Zum Schluss: Mit welchen regulatorischen Trends rechnen Sie? Dr. Stefan Bund: Wir erwarten, dass sich die Kreditanalyse-Kompetenzen und -Prozesse von Versicherungsunternehmen und Assetmanagern immer stärker denen von Banken angleichen werden. Dabei werden sich interne Modelle für risikoarme Anlageklassen von eher einfachen quantitativen zu anspruchsvollen qualitativen Modellen wandeln. Das Interview führte Martin Winkler.—–Dr. Stefan BundChief Analytical Officer der Scope Group und Geschäftsführer der Scope Risk SolutionsMichael BolleCommercial Director der Scope Group