EU-Taxonomie

Warum die Green Asset Ratio in die Irre führt

Für Banken soll die Green Asset Ratio nach Vorstellung der EU das Maß aller Dinge werden. Dabei greift die zugrunde liegende Taxonomie viel zu kurz und die Methodik schadet der Aussagekraft erheblich.

Warum die Green Asset Ratio in die Irre führt

Wie „grün“ sind Banken und ihre Unternehmenskunden? Und wie können sie ihren ökologischen Fußabdruck nachweisen? Einheitliche Standards, die Nachhaltigkeit greifbar und damit messbar machen, haben zwar auf sich warten lassen, inzwischen aber hat die Europäische Union auf diesem Gebiet größere Schritte unternommen: zum einen mit der EU-Taxonomie, die als Orientierungsrahmen einen Standard schafft, wann Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten. Zum anderen mit besseren Transparenzvorschriften zur Nachhaltigkeit, und zwar sowohl in der Breite als auch im Umfang: Immer mehr Unternehmen müssen mit dem Ziel der Veröffentlichung aussagekräftiger und vergleichbarer Informationen be­richten.

Für Banken soll nach den Vorstellungen der EU die Green Asset Ratio (GAR) das Maß aller Dinge werden. Die GAR stellt den Anteil nachhaltiger Finanzierungen an den Gesamtaktiva einer Bank komprimiert und leicht erkennbar dar. Basis ist die EU-Taxonomie, die spätestens mit der Diskussion um Gas und Atomkraft auch der breiteren Öffentlichkeit ein Begriff wurde. Grundsätzlich sind einfache und eingängige Kennzahlen wie die GAR positiv, zielen sie doch darauf ab, einen objektiven Maßstab für das Nach­haltigkeits­profil einer Bank zu bieten. Sie kann für Kunden, Geschäftspartner und Investoren zu einem bedeutenden Entscheidungskriterium werden, da sie die bislang eher qualitative ESG-Berichterstattung um eine einheitliche, quantitative und prominent platzierte Kennzahl erweitert.

Der Haken an der Sache: In der Realität wird die GAR diesem Ziel nicht gerecht. Das liegt zum einen daran, dass die EU-Taxonomie bislang nur einen Teil der Wirtschaft abbildet. Momentan werden lediglich zwischen 20 und 40% der Wirtschaftsaktivitäten überhaupt von der Taxonomie erfasst, und nur etwa 7% erfüllen aktuell tatsächlich die ambitionierten Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie.

Angaben von breiter aufgestellten Unternehmen und Banken liegen daher logischerweise ebenfalls in diesem niedrigen, einstelligen Bereich. Zudem liegt der Fokus der Taxonomie noch auf dunkelgrünen Aktivitäten. Aktivitäten, die zwar CO2-Emissionen einsparen, aber nicht alle der Taxonomie-Kriterien erfüllen, fallen aktuell aus dem Taxonomie-Raster heraus. Dadurch werden sie de facto mit „braunen“ Aktivitäten von Unternehmen gleichgesetzt, die viel CO2 emittieren und nichts dagegen unternehmen. Der ganze Bereich der Transformationsfinanzierung ist also noch nicht abgedeckt. Er spielt aber für das Gelingen der Transformation die entscheidende Rolle.

Sind Windparks nicht grün?

Darüber hinaus schadet die Methodik der Green Asset Ratio ihrer Aussagekraft erheblich. Der Grund: Es dürfen nur Positionen gegenüber größeren Unternehmen berücksichtigt werden. Kredite an kleinere Unternehmen, die selbst keiner ESG-Berichtspflicht unterliegen, fallen mit Blick auf die Proportionalität heraus – allerdings nur aus dem Zähler der Kennzahl, nicht aus dem Nenner. Ein Beispiel aus der Praxis: Windparks werden über Projektgesellschaften finanziert. Das ist im gemeinsamen Interesse des Erbauers und der finanzierenden Bank. Die Projektgesellschaft unterliegt aber praktisch nie einer ESG-Berichtspflicht, da sie gemessen an den relevanten Kriterien, zum Beispiel an der Anzahl der Mitarbeiter, zu klein ist. Im Ergebnis darf der Kredit für einen Windpark also nicht in das Nachhaltigkeitsprofil der Bank einfließen.

Schlimmer noch: Da der Kredit nur aus dem Zähler herausgerechnet wird, nicht aber aus dem Nenner, wird der grüne Anteil an der Bilanzsumme sogar verringert. Das bedeutet: Die Finanzierung des Windparks schadet der Green Asset Ratio.

Seit diesem Jahr müssen Banken über den taxonomiefähigen Anteil ihrer Vermögenswerte berichten. Nach einer ersten Erhebung des Bankenverbandes liegt die Spanne bei deutschen Banken zwischen null und 24%, während der europäische Wert mit 18 bis 37% deutlich positiver ausfällt. Allerdings ist dieser Unterschied nicht mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu erklären. Vielmehr ist die Methodik bzw. das Rechtsverständnis zur EU-Taxonomie Treiber für die unterschiedlichen Ergebnisse. Während viele deutsche Banken ihre grünen Aktiva in Bezug zur Bilanzsumme (Total Assets) setzen, rechnen andere europäische Banken aus dem Nenner all jene Posten heraus, die prinzipiell aus dem Zähler der Green Asset Ratio ausgeklammert werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel Staatsanleihen.

Dass es diese unterschiedlichen Sichtweisen gibt, liegt an der EU-Kommission: Sie hat Anfang des Jahres FAQs veröffentlicht, mit denen sie versucht, einige der gröbsten Webfehler der GAR zu heilen. Die Antworten der FAQs stehen jedoch in deutlichem Widerspruch zum Gesetzestext. Um rechtssicher zu handeln, gehen vor allem viele Banken in Deutschland auf Nummer sicher und setzen den Nenner der Bilanzsumme gleich. Unabhängig von diesen Unterschieden verdeutlichen bereits die geringen Werte zur Taxonomiefähigkeit, dass Banken nur einen kleinen Bruchteil der Finanzierungen unabhängig von ihrem Finanzierungszweck als nachhaltig werten können.

Taxonomie greift zu kurz

Aus Sicht der Banken verdeutlicht das zwei Punkte: Zum einen ist die Green Asset Ratio zwar gut gemeint, aber nicht gut umgesetzt. Für die Banken ist das kurzfristig vor allem ein Kommunikationsproblem, das in der Öffentlichkeit und bei Investoren für etliche Fragen sorgen dürfte. Durch die Europäische Bankenaufsicht zeichnen sich über Offenlegungen unter der Säule III bereits Lösungen ab, allerdings wirken diese frühestens ab 2025.

Deutlich fundamentaler ist das Problem, dass die Taxonomie weiterhin viel zu kurz greift. Der Ukraine-Krieg hat das Zeitfenster der Transformation nochmals verkürzt, da Ziele zur Klimaneutralität vorgezogen wurden. Die Taxonomie konzentriert sich aber weiter nur auf dunkelgrüne Aktivitäten. Sie muss endlich die Gesamtwirtschaft in den Blick nehmen und Transformationskriterien für diese definieren. Eine grüne Taxonomie reicht nicht, um den Klimaschutz voranzubringen: Wir müssen von der „Green Economy“ zu „Greening the Economy“ kommen. Und dies müssen sowohl die Taxonomie als auch die Nachhaltigkeits-KPIs der Banken abbilden.