Wenn der Topf nicht zum Deckel passt

Von Isabel Gomez, Stuttgart Börsen-Zeitung, 11.6.2016 Es ist selten, dass bei einer Podiumsdiskussion nach den ersten Minuten ein gemeinsamer Nenner gefunden wird. So geschehen am Donnerstagabend, als der Sparkassenverband Baden-Württemberg (SVBW)...

Wenn der Topf nicht zum Deckel passt

Von Isabel Gomez, StuttgartEs ist selten, dass bei einer Podiumsdiskussion nach den ersten Minuten ein gemeinsamer Nenner gefunden wird. So geschehen am Donnerstagabend, als der Sparkassenverband Baden-Württemberg (SVBW) und das Europa Zentrum Stuttgart geladen hatten, um die Auswirkungen der Regulierung auf den Mittelstand und regionale Banken zu diskutieren. Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, fasste gleich zu Beginn zusammen, dass die derzeitige Form und Intensität der Regulierung, speziell die des Finanzmarktes hin zur Kapitalmarktunion, nicht zur deutschen Wirtschafts- und Bankenstruktur passe. Gegner der These fanden sich auf dem Podium nicht.Während höhere Kapitalpuffer bei Banken und die Aufsicht über das europäische Bankensystem für sich genommen sinnvolle Instrumente seien, übersehe die EZB als Regulierungsbehörde, welche Anreize dadurch geschaffen würden, so Burghof. Die Regulierungskosten führten, in Kombination mit der Niedrigzinspolitik der EZB, zu einem Fusionsdruck bei kleineren Banken, die sich zu größeren, riskanteren Banken zusammenschlössen. So passten sich die Geschäftsmodelle der Institute, getrieben durch die Regulierung, zunehmend einander an. “Homogenität ist aber nicht Merkmal eines stabilen Systems”, so Burghof. Hätte es 2008 lediglich Großbanken in Deutschland gegeben, die in der Krise fast alle gestützt werden mussten, wäre es nicht zum Aufschwung der Wirtschaft ein Jahr später gekommen, ist er sich sicher. “Das deutsche Bankensystem ist generisch entstanden, es hat einen Grund: Es passt zur deutschen Wirtschaft”, so Burghof. Falsche AnreizeUnterstützung erfuhr diese These vor allem von SVBW-Präsident Peter Schneider, der die Pläne für eine europäische Einlagensicherung scharf kritisierte. Für ihn zählt zu den falschen Anreizen, dass Kredite an mittelständische Firmen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden müssen. “Der Mittelstandskredit ist für uns kein unbeherrschbares Risiko”, sagte er. Da ließ er auch den Einwand von Joachim Menze, Leiter der Regionalvertretung der EU-Kommission in München, nicht gelten, auch die Vergabe von Mittelstandskrediten führe zu einer Fristentransformation, die nun einmal ein Risiko darstelle. Das bestritt Schneider nicht, er hält das Risiko aber für kontrollierbar: “Das haben Banken immer gemacht, das ist ihre Aufgabe.”Ihren Aufgaben, so berichtete Gerhard Brandstätter, Präsident des Verwaltungsrats der Sparkasse Südtirol, können italienische Sparkassen nicht mehr nachkommen. Ihm zufolge sind einige der von Burghof geschilderten Auswirkungen bereits Realität. Nachdem sich die einst 90 Sparkassen im Zuge der Krise per Dekret von ihren jeweiligen Stiftungen abspalten mussten, übernahmen vor allem Großbanken die kleinen Institute. Nun hätten die verbleibenden 18 Sparkassen Schwierigkeiten, etwa den für die Region wichtigen Tourismus zu finanzieren, da dies durch die Bilanzierungs- und Risikovorgaben nahezu unmöglich sei.Selbst Andreas Schwab, Europa-Abgeordneter der CDU für Baden-Württemberg und binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, stimmte zu, dass die Regulierung für Regionalbanken “ein Stück zu viel” sei und die Wechselwirkungen “nicht mehr richtig beherrschbar” seien. Allerdings sei dies, entgegen der Meinung seiner Mitdiskutanten, in Brüssel durchaus angekommen. Das zeige der Bericht über die bisherige Regulierung im Finanzdienstleistungssektor seines Kollegen Burkhard Balz (CDU), der eine Bestandsaufnahme und kritische Überprüfung der bisherigen Regulierung und ihrer Auswirkungen fordert – mit der Möglichkeit, Maßnahmen mit unerwünschten Nebenwirkungen auch wieder zurückzunehmen.Diese “bessere Regulierung” stehe auf der Agenda von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker “ganz oben”, bestätigte Menze. Ein Wunschkonzert für Sparkassen und Volksbanken wird daraus gleichwohl nicht. In der Politik gehe es eben um Mehrheiten, so die Politiker. “Es sind viele Leute an diesen Diskussionen beteiligt, auch aus Ländern, die keine Regionalbanken haben. So gibt es bei jeder Maßnahme einen, der sie nach wie vor gut findet”, so Schwab. ——–Die Regulierung passt nicht zur Wirtschafts- und Bankenstruktur in Deutschland.——-