Regulierung

Wenn die Pflicht zur Kür wird

Die britische Aufsicht macht die Pflicht gegenüber dem Verbraucher zur Kür. Mit Kreuzchen machen ist es bald nicht mehr getan. Das sorgt offenbar für Verstimmung im Schatzamt. Dabei ist es eine Chance.

Wenn die Pflicht zur Kür wird

Von Andreas Hippin, London

Der Streit zwischen Regierung und Finanzaufsehern hat ein neues Thema: City-Minister Andrew Griffith fürchtet, dass neue Vorgaben der Financial Conduct Authority (FCA) zum Schutz der Verbraucher eine Welle unberechtigter Klagen auslösen könnten. Das ist nicht ganz unberechtigt, gibt es doch opportunistische Kanzleien, die sich auf Massenklagen spezialisiert haben. Doch Finanzskandale wie der um den Verkauf nutzloser Restschuldversicherungen kosteten die Branche weitaus mehr. Medienberichten zufolge machte Griffith seinem Unmut über die im Sommer vergangenen Jahres vorgestellte „Consumer Duty“, die Ende Juli in Kraft treten soll, auf einem privaten Dinner mit Größen der Finanzwelt Luft. Mit dieser Pflicht gegenüber dem Verbraucher würden der Branche ausgerechnet zu einer Zeit, in der man versuche, die Chancen des Brexit zu nutzen, neue aufsichtsrechtliche Belastungen auferlegt. Doch wenn die Pflicht zur Kür wird, ist das eine große Chance für die Branche. Sorgt der bessere Verbraucherschutz für mehr Vertrauen, sind die Kunden auch bereit, Produkte in Betracht zu ziehen, die sie ansonsten ausgeschlossen hätten.

Bislang ging es in der Auseinandersetzung zwischen Schatzamt und Regulierern vor allem um die Reform von Solvency II, die nur im Schneckentempo vorankommt. Nun rückt die Forderung der FCA, dass Banken, Versicherer und andere Finanzdienstleister nachweisen sollen, im besten Interesse der Kunden gehandelt und ihnen gute Ergebnisse geliefert zu haben, in den Vordergrund. Das ist etwas ganz anderes, als ein paar Kreuzchen an der richtigen Stelle zu machen. Da geht es etwa um die schwer zu beantwortende Frage, ob die Verbraucher verstanden haben, wie ihnen Produkte erklärt wurden. Noch schwieriger dürfte es sein, die Vulnerabilität der Kundschaft einzuschätzen, insbesondere für Firmen, die Produkte herstellen, die von anderen vertrieben werden. Denn es geht dabei um die Gesamtheit der Kunden, nicht nur um diejenigen, mit denen man in direktem Kontakt steht. Die Aufsicht will auch erreichen, dass der Service nach dem Kauf eines Produkts, etwa einer Versicherung oder Hypothek, so gut ist wie davor. Es sollte ebenso leicht sein, an einem Produkt Veränderungen vorzunehmen, zu einem anderen Produkt zu wechseln oder ein Produkt loszuwerden, wie es zu kaufen. Die Mitarbeiter sollten sich über ihre Verantwortlichkeiten im Klaren sein, Unternehmenskultur und Personalmanagement sich darauf konzentrieren, gute Ergebnisse für die Verbraucher zu liefern.

Bis April sollen die Firmen alle erforderlichen Überprüfungen ihres Geschäfts in den Bereichen „Kundenverständnis“, „Preis und Wert“, „Produkte und Dienstleistungen“ und „Kundenunterstützung“ abgeschlossen haben. Sheldon Mills, der bei der FCA für Verbraucher- und Wettbewerbsthemen verantwortlich zeichnet, sagte vergangene Woche, dass einige Firmen die Aufgabe als zu groß erachten und eine „Vermeidungstaktik“ verfolgen. Sie müssten nun handeln, denn die bis Ende Juli laufende Frist werde nicht verlängert. Im vergangenen Jahr hatte die Behörde bereits eine Verlängerung um drei Monate gewährt. Es wäre also kein Wunder, wenn Firmen bis zur letzten Minute warten, bevor sie sich in dieser Sache engagieren.

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