Energiehunger von Big Tech

Wettbewerb um Ressourcen braucht Balance

Dass es im Wettbewerb um den Zugang zu fossilfreier Energie zu Konflikten kommt, illustriert ein Vorkommnis in der Kleinstadt Wierin­germeer.

Wettbewerb um Ressourcen braucht Balance

bg

Nicht jeder Betreiber eines Rechenzentrums ist in Europa willkommen, wenn er Kapazitäten hinstellen will. Insbesondere bei Meta oder Google regt sich schnell öffentlicher Widerstand, wenn solche Pläne zur Errichtung von sogenannten „Hyperscaler Data Centers“ von den Kommunen genehmigt werden. Silicon-Valley-Konzerne sind mitunter dazu übergegangen, über Strohmänner zu gehen und selbst im Tarnkappenmodus zu bleiben – Experten sprechen vom „techlash“, der Big Tech zu schaffen macht.

Die auf Gewerbesteuereinnahmen schielenden Kommunen rollen Big Tech aber trotzdem gerne den roten Teppich aus – und kriegen dafür Unterstützung von ganz oben. In den Niederlanden sorgte der Minister für Wirtschaft und Klima, Eric Wiebes, dafür, dass Meta/Facebook speziellen Zugang zum Hochspannungsnetz erhält für das geplante Mega-Rechenzentrum in Zeewolde. Details zum Vertrag wurden erst bekannt, als Journalisten auf das Informationsfreiheitsgesetz pochten. Der Vertrag zum Verkauf von 166 Hektar Farmland an den Zuckerberg-Konzern wurde dann vom Stadtrat des Nestes mit 23000 Einwohnern Anfang Dezember abgesegnet.

Microsoft drängelt sich vor

Dass es im Wettbewerb um den Zugang zu fossilfreier Energie zu Konflikten kommt, illustriert ein Vorkommnis in der Kleinstadt Wierin­germeer. Dort wurden 82 Windräder aufgestellt, die in der Region eigentlich 370000 private Haushalte mit sauberer Energie versorgen sollten. Das Gros der Kapazitäten sicherte sich dann aber Microsoft für ein großes Rechenzentrum in der holländischen Ebene. Und nur dieser Aufkauf von Windenergie enthüllte, dass der US-Konzern (neben Google) dort überhaupt eine Serverfarm plant. Solche Infrastruktur wird dann vor allem für das Cloud Computing oder das näher an den Verbraucher rückende Edge Computing benötigt. Die lokalen Umweltschützer sorgt der gigantische Wasserverbrauch der Rechenzentren – das haben sie mit den Kritikern der Tesla-Gigafabrik in Grünheide gemeinsam.

Aber soll die Alternative wirklich sein, dass solche Großprojekte so lange mit Auflagen belegt werden, bis die Initiatoren die Flucht ergreifen? Wer den Zugang für alle im digitalen Alltag will, wird sich politisch und gesellschaftlich damit arrangieren müssen. Denn auch die härtesten Umweltschützer nutzen das Smartphone, das am Ende eines Cam­paigning-Tages aufgeladen werden muss. Die EU-Taxonomie wird diesen Realismus widerspiegeln, dass es einen Übergang braucht für den Ausbau regenerativer Energien.

Bis dahin buhlen alle um diese knappe Ressource, und jedes Land und jede Region wird für sich abwägen müssen, wie viel Raum sie den Rechenzentren im Energiemix zubilligt. Für Dänemark wird vorausgesagt, dass in dem Land bis 2030 gut 15% der erzeugten Energie für Rechenzentren draufgehen – und Meta ist als Unternehmen heute schon der größte Käufer von sauberer Energie weltweit. In Irland dürfte bis 2028 ein Drittel der Energie in Rechenzentren fließen, da sich 30 Projekte in Planung befinden – mit dieser Ausbaustufe ist dann wohl eine Grenze erreicht, die eine weitere Ansiedelung von Big Tech verhindert, drohen doch andernorts Blackouts, wenn so viel in die Serverfarmen fließt.

Experten weisen darauf hin, dass es eines integrierten Ansatzes bedarf für die Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Ansiedelung von Rechenzentren. Denn für eine Balance kann man es schwerlich Lokalpolitikern überlassen, die natürlich die Gewerbesteuer haben wollen. Sonst sieht es bald überall so aus wie in Nordholland: Dort befinden sich auf einer Fläche von 4000 Quadratkilometern derzeit 57 Rechenzentren. Wer will sich da noch über Windräder aufregen?