Solvency-II-Reform

Wichtiges Puzzleteil

Die EU-Kommission scheint die Bedeutung der Versicherungswirtschaft für den grünen Deal verstanden zu haben. Der Appetit auf höhere Kapitalanforderungen an die Branche ist eher gering.

Wichtiges Puzzleteil

Die Vorschläge der EU-Kommission für die erste wirkliche Reform der Versicherungsrichtlinie Solvency II fügen sich nahtlos ein in viele andere Vorlagen der Behörde, die in den letzten Monaten darauf abzielten, Wirtschaft und Investitionen nachhaltiger auszurichten. Das jetzt gelegte Puzzleteil ist dabei natürlich besonders wichtig – allein schon angesichts der Summen, die die Branche als institutioneller Investor in den Markt bringen kann. Bis zu 90 Mrd. Euro will Brüssel nun kurzfristig durch die Anpassungen der Solvency-Regeln freisetzen.

Ob dieses Geld dann tatsächlich langfristig in grüne Projekte fließen wird, bleibt aber abzuwarten. Die Brüsseler Vorschläge sehen zwar eine stärkere Berücksichtigung von Klimarisiken im internen Risikomanagement der Versicherer vor. Kritiker halten das aber nicht für ausreichend. Zudem bleiben derzeit noch viele Fragen offen – auch was die künftigen Kapitalanforderungen betrifft.

EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness hat jetzt zwar dankenswerterweise klargestellt, dass es keinen regulatorischen Bonus für grüne Investitionen geben soll. Allerdings lässt die Kommission dennoch mögliche Anpassungen der Kapitalanforderungen mit Blick auf Klimarisiken prüfen, was in eine ähnliche Richtung gehen würde. Eine Vorzugsbehandlung für nachhaltige Investments darf es aber nicht geben. Grün bedeutet nicht risikolos – dies sollte mittlerweile eine Binsenweisheit sein. Ebenso, dass die Finanzmarktregulierung risikobasiert bleiben muss.

Grundsätzlich hat Brüssel aber die Bedeutung der Versicherungswirtschaft für die grüne Transformation der Wirtschaft wohl verstanden. Der Appetit darauf, der Branche größere zusätzliche Kapitalanforderungen aufzubürden, scheint daher eher gering zu sein.

Zu den positiven Anpassungen der Solvency-Regulierung gehören auch die Erleichterungen, die risikoarme Versicherer erhalten sollen. Der Einzug einer stärkeren Verhältnismäßigkeit in der Regulierung, die es ja auch im Bankensektor schon gegeben hat, ist auch in der Versicherungswirtschaft überfällig.

Anders als bei den Banken verzichtet Brüssel bei den Versicherern aber auf eine stärkere europäische Integration: Weder soll es eine EU-Aufsicht über die großen Konzerne der Branche geben, noch wird es im neuen Abwicklungsregime eine europäische Behörde wie den SRB geben, und eine Harmonisierung der nationalen Sicherungssysteme gibt es ebenso wenig. Möglicherweise hat die EU-Kommission hier eine Chance verpasst.

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