Wie sich Banken dem Fachkräftemangel stellen
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Erst kamen die Kickertische und die quietschgrünen Loungemöbel. Dann die nach Möglichkeit von original italienischen Baristas betriebenen Cappuccino-Stände, die Communication-Hubs und die moosbewandeten Rückzugsecken. Die einst in sachlichem Graublau gehaltenen Büroetagen vieler Finanzkonzerne haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend in Erlebniswelten für Berufstätige verwandelt. Das Bemühen der Unternehmen, sich nicht bloß als hip darzustellen, sondern auch als Arbeitgeber, der Raum für die persönliche Entwicklung gibt, lässt sich mit den Händen greifen.
Dahinter steckt in der Regel die Erkenntnis, dass es immer schwieriger wird, ausreichend qualifizierten Nachwuchs zu finden. Vorbei die Zeiten, in denen knallharte Assessment-Center dafür sorgen sollten, dass nur hellste Köpfe mit den spitzesten Ellenbogen ins Kader kommen. Heute sind die Personalabteilungen schon froh, wenn auf jeden ausgeschriebenen Ausbildungsplatz eine weitgehend rechtschreibfehlerfreie Bewerbung eingeht.
Zugleich werden Vertreter der geburtenstarken Jahrgänge in den Vorruhestand geschickt oder in Altersteilzeitprogramme gelockt – zuletzt richtete sich etwa bei der Commerzbank dieses Angebot an Beschäftigte, die gerade erst in die Gruppe der sogenannten 50+ aufgerückt sind (BZ vom 18.5.2021). In dem Maße, in dem der Arbeitsdruck auf die verbleibende Belegschaft wächst, steigt die Notwendigkeit, sie bei Laune zu halten.
Motivationsmotor New Work
Neben der Möglichkeit zu zeit- und ortsflexiblem Arbeiten, die in vielen Finanzkonzernen bereits seit Langem zum Alltag gehört, gewinnen vor diesem Hintergrund auch Transparenz und Partizipation im Arbeitsalltag an Bedeutung sowie die – in der von Arbeitsteilung geprägten Arbeitsweise von Großkonzernen nicht immer einfach zu beantwortende Frage nach dem Sinn der jeweiligen Tätigkeit. Laut der Definition des Fraunhofer Instituts IAO zählen diese Aspekte neben dem stärkenorientierten Personaleinsatz sowie der projektbasierten Organisation und agilen Arbeitsmethoden zu den Grundsätzen von New Work.
Corona als Katalysator
Wie Jutta Rump, Professorin am Institut für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen, herausstellt, hat die Corona-Pandemie diesen Prozess noch beschleunigt. „Der unfreiwillige und nicht planbare Ausnahmezustand erzeugt ein Veränderungsklima ohnegleichen“, schreibt sie in dem 2021 veröffentlichten Aufsatz „Die Neue Normalität in der Arbeitswelt“.
Vielerorts sei ein neuer Mut zum Ausprobieren entstanden. Dieser basiere nicht zuletzt darauf, dass etwa das bis dato den für Beschäftigten mit Sonderstatuts vorbehaltene Homeoffice während des Lockdowns innerhalb kürzester Zeit zur Arbeitsform für alle wurde, deren Tätigkeit dies zulässt. Rump: „Eine Rückkehr in die alte Welt der Präsenzkultur im Sinne der Monopoly-Regel ‚Kehre zurück auf Los‘ ist eher unwahrscheinlich.“
Zugleich wurde nach dem Ende des Lockdowns nicht bloß in Gastronomie, Einzelhandel, Kindertagesstätten und Kliniken der seit vielen Jahren heraufbeschworene Arbeitskräftemangel sichtbar, sondern gerade auch in der Finanzbranche. Zwar sinkt unter dem Strich die Zahl der Stellen in der Kreditwirtschaft seit Jahren kontinuierlich, was auf die Ausdünnung der Filialnetze zurückzuführen ist. Zugleich erhöhen steigende regulatorische Anforderungen den Bedarf an Spezialisten für Controlling, Rechnungswesen, Compliance und nicht zuletzt ESG-Themen. Die Börsen-Zeitung hat sich umgehört, wie Personalerinnen und Personaler mit diesen Herausforderungen umgehen, und stellt die interessantesten Ansätze in der neuen Serie „Zukunft der Arbeit“ vor.