„Wir haben die Leistungsfähigkeit einer Großbank“
Von Joachim Herr, München
Die österreichische Oberbank will im kommenden Jahr ihre Schlagzahl für die Expansion in Deutschland erhöhen. Geplant sind neue Filialen in Köln, Düsseldorf, Kassel, Magdeburg und Cottbus, wie der Vorstandsvorsitzende Franz Gasselsberger in München im Gespräch mit der Börsen-Zeitung ankündigt. In diesem Jahr kam Potsdam auf der Deutschlandkarte der Oberbank hinzu. Die gesamte Zahl hierzulande steht nun bei 43 Standorten. Potsdam ist bisher die nördlichste Filiale in Deutschland und die erste in der Region Berlin-Brandenburg. In Köln und Düsseldorf kommen 2022 die ersten in Nordrhein-Westfalen hinzu.
Dann wäre das Ziel von 50 Filialen fast erreicht. Gasselsberger verneint die Frage, ob er einen Plan für die weitere Zukunft habe: „Ich habe keine neue Zahl als Ziel.“ Neue Chancen gibt es für die Oberbank hierzulande aus seiner Sicht „an attraktiven Bankenplätzen“ allerdings weiterhin. „Solange die großen und mittelständischen Banken nicht aufhören umzustrukturieren, werden wir weiter expandieren“, sagt er. Wegen des Stellenabbaus kämen Fachkräfte auf den Markt. „In Düsseldorf und Köln haben wir die allerbesten Bewerbungen für die Filialleitung erhalten, obwohl wir dort noch unbekannt sind.“ Qualifiziertes Personal zu finden, ist ein weiteres wichtiges Kriterium für die Expansionspläne der Oberbank.
„Das Entscheidende aber ist, dass wir unsere Identität als Regionalbank nicht preisgeben“, betont Gasselsberger. „Das heißt, wir müssen in unseren Filialen die größeren Kunden persönlich betreuen können.“ Auch er und sein Vorstandskollege Martin Seiter machten regelmäßig Besuche in Deutschland: „Die Kunden wollen mit uns reden, uns ihren Betrieb zeigen und erzählen, was sie im nächsten Jahr vorhaben.“ Direkte Kontakte seien aber auch aus einem anderen Grund besonders wichtig: „Die größte Sicherheit, die wir als Bank haben, ist nicht die Hypothek, sondern der Unternehmer und seine Zukunftsfähigkeit“, sagt er. „Deshalb müssen wir die Unternehmer kennen.“
Kundentreue lässt nach
Gasselsberger scheint davon überzeugt zu sein, weitere Kunden in Deutschland zu gewinnen. Deren Treue zu einer Hausbank sei jedenfalls nicht mehr so groß wie vor 20 oder 30 Jahren. Auf der Kundenseite gebe es Bewegung: „Mittelständler überdenken ihre Hausbankenpolitik und ergänzen diese.“ Hinzu komme, dass steigende Kreditvolumen manche Kreditgeber an die Grenzen brächten. Gasselsberger formuliert es so: „Die Kunden entwachsen zum Teil den kleineren Banken und Sparkassen.“ Ihnen gegenüber sei die Oberbank mit einer Bilanzsumme von 27 Mrd. Euro und einer Kernkapitalquote von rund 18% im Vorteil. „Wir sind eine Regionalbank, haben aber die Leistungsfähigkeit einer großen Geschäftsbank“, wirbt der Vorstandschef.
Der Anteil des Firmenkundensegments liege bei 70% des Geschäfts der Oberbank, die ihren Sitz in Linz hat. „In Deutschland machen wir nur das Mittelstandsgeschäft und das Private Banking, nicht das Retailgeschäft“, berichtet Gasselsberger. „Wir sind vor allem stark im Auslandsgeschäft, in der Exportfinanzierung – genau das, was die deutschen Unternehmen brauchen.“ Von den knapp 58000 Firmenkunden der Oberbank seien rund 11500 in Deutschland.
Noch ein weiterer Punkt spricht aus Sicht des Chefs für die Oberbank: „Dank unserer guten Kostenstruktur sind wir mit unseren Konditionen konkurrenzfähig.“ In den ersten neun Monaten dieses Jahres betrug die Aufwand-Ertrags-Quote 49,5%. „Unsere Expansion drückt nicht auf die Kosten, sondern bringt uns Erträge.“ Zwar nicht sofort, aber: „Wir brauchen zwei bis zweieinhalb Jahre, bis eine neue Filiale den Break-even-Punkt erreicht.“
Trotz der Digitalisierung, für die die Pandemie geradezu ein Turbo sei, ist der direkte Kontakt zu Kunden nach Worten des Bankchefs unverzichtbar. „Der Beratungsbedarf der Kunden ist enorm gestiegen, unter anderem wegen Investitionsförderung und Unterstützungsmaßnahmen im Zuge der Pandemie.“ Filialen gehörten trotz erheblicher Kosten zur zentralen Vertriebsschiene der Oberbank. „Es geht darum, das zu machen, was der Kunde will, und nicht, was die Banken glauben“, fügt Gasselsberger hinzu.
Jede Bank will grün sein
Was ihn am meisten umtreibe, sei „das Megathema Nachhaltigkeit“, das die Digitalisierung als Topaspekt abgelöst habe. „Es gibt keine Bank, die nicht behauptet, sie sei grün, aber man muss das unterlegen gegenüber der Öffentlichkeit, den Aktionären und der Aufsicht.“ Um glaubwürdig zu sein, wolle die Oberbank mehr tun, als der Gesetzgeber verlange. Die entscheidende Frage für Banken sei, wie sich Nachhaltigkeit auf die Firmenkredite auswirke. „Ab 2022 werden wir jährlich veröffentlichen, wie hoch der CO2-Ausstoß ist, den die Kredite verursachen, die wir vergeben haben“, kündigt der Vorstandschef an.
„Die EU-Taxonomie ist die größte Herausforderung“, meint Gasselsberger. „Wie sollen Banken nachvollziehen, dass eine neue Produktionsanlage den Vorgaben der Taxonomie entspricht?“ Kritik äußert er an den Regulatoren und der Politik: „Wir gehen in einem Regularien- und Verordnungsdschungel unter.“ Der Aussage, Banken würden für die Nachhaltigkeit nicht genug tun, widerspricht Gasselsberger vehement: „Solche Behauptungen sind plakativer Aktionismus.“