Bettina Orlopp

„Wir müssen Quartal für Quartal konsequent abliefern“

Im Interview mit der Börsen-Zeitung spricht die Finanzchefin der Commerzbank über die schwache Börsenbewertung, den möglichen Ausstieg des Bundes und die Folgen der Baseler Kapitalregeln.

„Wir müssen Quartal für Quartal konsequent abliefern“

Frau Dr. Orlopp, zu Beginn der Pandemie äußerten Sie die Erwartung, dass die Belastung aus dem Lockdown bei der Commerzbank erst in zwei bis drei Quartalen sichtbar werden würde. Jetzt sind wir sechs Quartale weiter, die Zahlen sind hoch wie nie, und die Virusvariante Omikron hält Europa in Atem. Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie noch mal die Risikovorsorge erhöhen müssen?

Beim Thema Risikovorsorge sind wir ja eher auf der konservativen Seite. Wir haben im vergangenen Jahr bereits viel gebucht und zusätzlich auch ein sogenanntes Top-Level-Adjustment von fast 500 Mill. Euro gebildet. Wir haben dieses Polster bis jetzt de facto nicht gebraucht. Wir wollen es, nach allem, was wir im Moment sehen, auch noch für 2022 weitgehend bewahren. Wir müssen abwarten, wie vor allem die kleineren Unternehmen durch die aktuelle Corona-Welle kommen. Und wir bleiben deshalb weiter vorsichtig: Wir haben in den ersten drei Quartalen insgesamt 257 Mill. an Kreditausfällen gebucht und haben für das gesamte Jahr eine Guidance von unter 700 Mill. Euro für das Risikoergebnis ausgegeben. Im vierten Quartal müsste schon wirklich viel passieren, damit wir das voll ausnutzen müssen. Von daher fühle ich mich nach wie vor sehr wohl mit der Prognose, das Jahr mit einem positiven Nettoergebnis abzuschließen.

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Bundesregierung? Halten Sie einen weiteren Lockdown für denkbar?

Die Krise hat uns gelehrt, dass die Pandemie eine große Dynamik hat und wir immer wieder von neuen Themen überrascht werden. Dem muss sich die neue Regierung jetzt umgehend stellen. Wenn wir auf unsere Nachbarländer schauen, sehen wir ja das gesamte Spektrum möglicher Reaktionen, vom Ende aller Einschränkungen bis zum harten Lockdown. Da müssen wir auch in Deutschland unseren Weg finden – und das als Unternehmen und als Bürger dann nehmen, wie es kommt.

Welche Erwartungen haben Sie an Ihren Großaktionär, den Bund? Die FDP war ja die einzige Partei, in deren Programm eine Veräußerung der Commerzbank-Beteiligung stand. Jetzt ist Christian Lindner Bundesfinanzminister.

Die Frage, was mit dem Bundesanteil geschehen soll, können nur der neue Finanzminister und die Bundesregierung beantworten. Wir haben es nicht in der Hand, und im Koalitionsvertrag steht nichts zu dem Thema. Für uns gilt einfach, dass wir unsere Strategie weiterhin konsequent umsetzen müssen. Wenn wir auf diese Weise unsere Profitabilität steigern, kommt das allen Aktionären zugute. Was der Bund daraus macht, ist seine Entscheidung.

Wie sieht es mit den Stützungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) aus? Auch die Commerzbank hat ja kräftig von den längerfristigen Refinanzierungsgeschäften im Rahmen des TLTRO-Programmes profitiert. Rechnen Sie wegen der vierten Welle mit einer Verlängerung?

Beim Thema Zinsen ist die EZB im Gegensatz zu manch anderen Notenbanken nicht so besonders offen. Klar ist, dass der EZB-Rat auf der einen Sitzung, die er in diesem Jahr noch hat, die verschiedenen Maßnahmen diskutieren wird. Hätten Sie mich vier Wochen früher gefragt, wäre meine Antwort gewesen: Wahrscheinlich wird das Programm so nicht verlängert, zumindest nicht mit den bisherigen Bedingungen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Verschärfung der Situation kann es natürlich schon sein, dass die EZB auch darüber noch mal nachdenkt. Wobei schon auch hinterfragt werden muss, ob das Programm die richtigen Steuerungsimpulse für die Märkte gibt.

Ohne das Programm hätte die Commerzbank nicht weniger Kredite vergeben?

Vermutlich nicht. Es ist schließlich unsere Kernaufgabe, unsere Kunden mit der Finanzierung zu versorgen, die sie brauchen. Allerdings sind unsere Kunden aktuell sehr vorsichtig. Sie treibt die Unsicherheit um, wie es jetzt weitergeht. Der klassische Mittelständler wird sich immer die Frage stellen: „Was passiert, wenn ich jetzt ein Investitionsprogramm starte, und dann kommt ein Lockdown und mir brechen die Erträge weg?“ Daher bewahren diese Unternehmen ihre Liquidität. Sie wollen möglichst unabhängig durch die Krise steuern und sind daher weniger investitionsfreudig als in normalen Zeiten. Das ist das eigentliche Thema: Die Nachfrage nach Krediten ist schlichtweg nicht so groß, wie wir sie gerne hätten – und wie es aus meiner Sicht auch sinnvoll wäre, angesichts der großen Aufgabe, vor der die Unternehmen stehen. Wir haben die digitale und die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu meistern; beides kostet extrem viel Geld. Um als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir rasch gewaltige Summen investieren. Sonst besteht die Gefahr, dass wir von den asiatischen Ländern oder auch den USA abgehängt werden.

Hätte es Konsequenzen für Ihre Politik in Sachen Verwahrentgelte, wenn die EZB die Hilfen noch einmal verlängert?

Zunächst einmal müssen wir unterscheiden zwischen Firmenkunden und Privatkunden. Bei Firmenkunden gehören Verwahrentgelte in Zeiten von Negativzinsen jetzt zu unserem Geschäftsmodell, das muss man klar sagen. Natürlich stößt das nicht immer auf Zustimmung. Aber die Kunden verstehen auch die Notwendigkeit. Sie können nachvollziehen, was bei uns an Kosten entsteht, wenn sie ihre Liquidität bei uns parken. Bei den Privatkunden reden wir nur über einen kleinen Anteil unserer Kunden. Dadurch, dass die Schwelle bei 50 000 Euro liegt, ist die Mehrzahl unserer Sparer von dem Thema gar nicht betroffen. Aber klar ist natürlich: Sollte sich das Zinsumfeld grundsätzlich ändern, wofür es derzeit bei der EZB keine Signale gibt, dürfte sich natürlich auch unser Umgang mit dem Thema ändern.

Wie viele sind denn betroffen?

Wir nennen hierzu keine Zahlen, aber es ist nur eine Minderheit unserer Kunden. Wir sind das Thema bewusst zunächst bei den großen Vermögen angegangen und haben uns dann allmählich weiter vorgearbeitet. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Aktuell haben wir bei Privatkunden 16 Mrd. Euro bepreist – bei einem Gesamtvolumen von etwa 146 Mrd. Euro. Rund 100 Mrd. liegen unter dem Freibetrag.

Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag zur Umsetzung von Basel III publiziert. Was bedeutet der für die Mindestkapitalanforderungen an die Commerzbank?

Bislang ist das ja nur ein Entwurf. Aber wenn das so bleibt, ändert sich für uns da eigentlich relativ wenig. Das liegt natürlich auch daran, dass wir die Trim-Prüfungen…

…die Überprüfung der bankinternen Modelle durch die EZB…

…im vergangenen und in diesem Jahr schon hatten. Manche der Effekte, die durch Basel sonst gekommen wären, sind damit bereits eingepreist. Vor allem aber soll es Übergangsfristen geben für die Themen, die uns stark betreffen, wie die Immobilienfinanzierung und die Kredite an Unternehmen ohne Rating. Da reden wir über Zeiträume jenseits des Jahres 2030. Der Zeithorizont für meine Planung reicht momentan bis ins Jahr 2025, und bis dahin sind die Auswirkungen von Basel sehr gering.

Aber die Kurve geht dann ja doch erkennbar hoch. Wie viel wird es denn dann zwischen 2025 und 2030 sein?

Zunächst einmal sollen diese Übergangsfristen gelten für die Baufinanzierung und das Thema und Unternehmen ohne Rating, die sogenannten Unrated Corporates. Das waren für uns wirklich die Knackpunkte. Dieser Aufschub verschafft den Beteiligten Zeit, Lösungen zu entwickeln. In Frankreich wurde für das Thema Unrated Corporates offenbar eine solche Lösung gefunden. Das gelingt uns vielleicht auch und dann werden die Effekte vielleicht auch nicht mit voller Wucht kommen.

Wie sieht die französische Lösung denn aus?

Soweit ich weiß, hat die Nationalbank die Erstellung der Ratings übernommen.

Das war ja auch im Gespräch für die Bundesbank, die ja ohnehin Ratings erstellt für die Entgegennahme von Sicherheiten.

Ja, in diese Richtung ging die Diskussion. Ratings durch eine offizielle Stelle hätten natürlich auch etwas für sich. Eine andere Idee wäre, über das Pooling von Bankenratings nachzudenken. Diese Diskussion sollten wir zeitnah führen. Ich gehe davon aus, dass es möglich ist, bis zum Ende der Übergangsfrist gemeinsam eine gute Lösung zu finden.

Lassen Sie uns über die Restrukturierung reden. Den größten Teil der Kosten für den Abbau von 10 000 Arbeitsplätzen haben Sie ja bereits bilanziell verarbeitet, obwohl das Programm noch bis 2024 läuft.

Es ist in der Tat gut für uns, dass wir damit den wesentlichen Teil der Lasten schon geschultert haben. Jetzt bleiben nur noch zwei bilanziell recht überschaubare Themen: die Schließung von Standorten im Ausland, wo die rechtlichen Rahmenbedingungen anders sind und die Aufwendungen für die Schließung von Filialen, die man erst dann buchen kann, wenn das Schild abgeschraubt und der Schlüssel übergeben ist.

Auf diese Weise sollte bei den Investoren früher der erfreuliche Eindruck entstehen, dass Sie beginnen, die Früchte der Restrukturierung zu ernten.

Klar ist das ein Vorteil. Aber Personalabbau in dieser Größenordnung ist nicht in erster Linie ein bilanzielles Thema. Es geht um die Funktionsfähigkeit einer Organisation als Ganzes – und immer um Menschen. Das lässt mich gerade als frühere Arbeitsdirektorin nicht kalt. Wir bei der Commerzbank tun alles, um den Abbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Das kostet viel Geld, aber das sind wir unserer Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schuldig. Dass es uns dabei gelungen ist, die Kapitalquote bei 13,5 % zu halten, obwohl wir in den vergangenen Monaten fast 2 Mrd. Euro an Restrukturierungskosten gebucht haben, ist mir in meiner Rolle als CFO natürlich sehr wichtig. Denn das war ja immer eine Kernfrage: ob diese Bank eigentlich solche Belastungen verarbeiten kann, ohne dass die Kapitalquote dabei in Mitleidenschaft gezogen wird.

Aber trotzdem kommt der Aktienkurs auf keinen grünen Zweig, sondern notiert noch immer weit unter Buchwert. Woran liegt das?

Es braucht alles seine Zeit. Wir müssen jetzt Quartal für Quartal konsequent abliefern, sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite. Und einhalten, was wir versprechen. Dass momentan die Richtung stimmt, sehen wir an den Analystenkommentaren und Kurszielen für unsere Aktie, die zuletzt angehoben wurden. Und am Ende hilft es unserem Aktienkurs natürlich immer, wenn die Zinsen steigen.

Diese Fantasie hat sich ja gerade verflüchtigt.

Na ja, die Frage ist, für wie lange. Wenn die Notenbanken in den USA und England jetzt wirklich Schritte vornehmen, wird auch der Druck auf die EZB steigen. Für unsere Planung spielt das übrigens erstmal keine Rolle, weil wir bewusst konservativ gerechnet und keine Zinserhöhungen vorausgesetzt haben. Damit hatten wir, wie Sie wissen, in der Vergangenheit nicht so gute Erfahrungen gemacht. Diesmal haben wir die Kostenbasis so angesetzt, dass wir auch ohne Zinswende eine ordentliche Cost-Income-Ratio erreichen. Wenn die Zinsen dann wirklich steigen, würde entsprechend eine spürbare Verbesserung obendrauf kommen. Das ist in einer unsicheren Situation wie heute die richtige Herangehensweise.

Sie könnten die Investoren auch mit einem Dividendenversprechen locken. Hier halten Sie sich ja bislang bedeckt, auch wenn Sie im Gegensatz zur Deutschen Bank Ausschüttungen während der Restrukturierungsphase nicht ausschließen.

Damit ein Unternehmen Dividenden ausschütten kann, braucht es ein nachhaltig profitables Geschäftsmodell. Das gilt für uns als Bank erst recht. Wir müssen immer wieder in der Lage sein, selbst Kapital zu generieren, um externe Schocks wie zum Beispiel die Coronakrise zu verarbeiten. Deshalb ist Profitabilität mit Blick auf Dividendenzahlungen so wichtig. Da sind wir auf einem guten Weg: Wir werden in diesem Jahr wie angekündigt ein positives Nettoergebnis erzielen. Was dann kommt, werden wir sehen. Wir sollten jedenfalls zunächst weitere Fortschritte bei unserer Transformation machen. Und damit meine ich vor allem, dass wir einen angemessenen Gewinn – operativ und netto – schreiben. Und wenn wir das 2022 schaffen, dann diskutieren wir das Thema Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe gern wieder.

Zumindest, wenn Ihnen keine außerordentlichen Belastungen dazwischenkommen. Wie wahrscheinlich ist es etwa, dass die Commerzbank wegen der gestoppten Auslagerung der Wertpapierabwicklung Regresszahlungen an HSBC leisten muss?

Die Gespräche darüber laufen. Das ist aber kein Thema, das mich um den Schlaf bringt.

Ihr Basisszenario ist, dass die 200 Mill. Euro, die sie dafür zurückgestellt haben, ausreichen?

Bei den 200 Mill. Euro handelt es sich um die Abschreibungen für die IT, die wir jetzt nicht nutzen. Für die Einigung über die Kündigung haben wir einen zweistelligen Millionenbetrag zurückgestellt.

Wie soll es denn weitergehen mit der Wertpapierabwicklung?

Darum kümmert sich unser neuer Chief Operating Officer Jörg Oliveri del Castillo-Schulz mit seinem Team. Wir können über das Thema heute ganz anders nachdenken als noch vor ein paar Jahren. Das hängt mit dem starken Wachstum im Wertpapiergeschäft bei Privatkunden zusammen. Dafür haben wir eine funktionierende Plattform.

Wie sieht es mit Ihren Überlegungen aus, wegen Wirecard juristisch gegen EY vorzugehen?

Wir prüfen Schadenersatzansprüche gegen verschiedene Beteiligte im Zusammenhang mit der Insolvenz von Wirecard. Diese Prüfungen dauern noch an.

Wie sieht es mit dem Klagerisiko wegen der Frankenkredite aus, die Ihre polnische Tochter MBank vergeben hat?

Wir hatten auf eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichts in Polen gesetzt, aber die ist bislang ausgeblieben und wird unserer Einschätzung nach noch länger auf sich warten lassen. Die MBank hat jetzt ein dreimonatiges Pilotprojekt gestartet und einem Teil der Franken-Kreditnehmer ein Angebot für eine Einigung gemacht. Das Konzept sieht vor, dass sich Bank und Kreditnehmer gewissermaßen auf halber Strecke treffen. Nach dem Pilotprojekt wird die MBank entscheiden, ob, wann und zu welchen Bedingungen sie anderen Kreditnehmern ebenfalls eine Einigung anbietet.

Wie viel Vorsorge haben Sie dafür getroffen?

Die Vorsorge für das Frankenthema beläuft sich auf etwa 500 Mill. Euro, einschließlich der 95 Mill. Euro, die wir im dritten Quartal verbucht haben. Im Sommer gab es wieder etwas mehr Klagen, mal sehen, was das vierte Quartal bringt und wie das Pilotprojekt angenommen wird.

Und dann ist da ja auch noch der Streit wegen der Negativzinsen. Die Verbraucherzentralen haben eine Klage gegen die Commerzbank eingereicht, weil sie Negativzinsen auf Sparkonten für rechtswidrig halten.

Da sind wir eindeutig anderer Meinung: Bei unseren Bestandskunden treffen wir entsprechende Vereinbarungen immer individuell. Bei Neukunden werden entsprechende Regelungen direkt bei Kontoeröffnung getroffen. Das ist aber wie gesagt ein Thema, das die breite Privatkundschaft nicht betrifft.

Die Verbraucherzentralen sagen, dass die Banken bei Sparverträgen rechtlich gesehen Kreditnehmer ihrer Kunden sind und daher keine Negativzinsen verlangen dürfen.

Wie immer in solchen Fällen stehen sich da zwei Rechtspositionen gegenüber, die sich widersprechen. Wir müssen auf eine angemessene Bepreisung unserer Dienstleistungen pochen – erst recht im Negativzinsumfeld. Dazu zählt die sichere Verwahrung von Einlagen, für die ein Entgelt anfallen kann. Am Ende geht es darum, Lösungen zu finden, die für beide Seiten sinnvoll sind.

Gerade die Commerzbank hat mit Wechselprämien und Gratiskonten viel dafür getan, eine andere Erwartung bei den Kunden zu schüren.

Geänderte Rahmenbedingungen erfordern ein anderes Pricing, das ist völlig legitim, und das ist auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens so.

Wie viele Kunden haben denn die neuen AGB bereits unterschrieben?

Das entwickelt sich ganz erfreulich. Die aktiven Kunden reagieren sehr schnell und stimmen zu, das ist auch bei der Comdirect so. Bei manchen Kunden dauert es auch länger, aber damit hatten wir gerechnet. Auf diese Kunden gehen wir noch einmal zu, um ihre Zustimmung einzuholen. Schließlich geht es darum, die vertragliche Basis mit unseren Kunden rechtssicher zu gestalten, da bleiben wir dran.

Was bedeutet die Neubewertung der Cum-cum-Transaktionen durch das Bundesfinanzministerium für die Commerzbank?

Wichtig ist mir erstmal, dass das klar vom Cum-ex-Komplex abzugrenzen ist. Bei Cum-cum-Transaktionen geht es nicht um strafrechtliche Vorwürfe. Es geht vielmehr allein um steuerliche Fragen, für die es aber auch noch keine letztinstanzliche Beurteilung gibt.

Bei Cum-cum-Transaktionen haben ausländische Aktieninhaber Dividendentitel zum Stichtag per Wertpapierleihe deutschen Finanzdienstleistern zur Verfügung gestellt, damit diese Steuererstattungen geltend machen können. An den Erträgen wurden die Inhaber dann über die Leihegebühr beteiligt. Welche Rolle hatte die Commerzbank genau inne?

Wir haben diese Geschäfte schon vor Jahren komplett eingestellt. Für die Zeit davor geht es darum, ob Kapitalertragsteuer zu Unrecht angerechnet wurde und gegebenenfalls an das Finanzamt zurückgezahlt werden muss. Vor einigen Jahren gab es diesbezüglich ein Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums, in dem ausdrücklich erklärt wurde, dass die Rückzahlungen nur teilweise und nur für die Jahre ab 2013 verlangt werden. Dafür haben wir entsprechend Rückstellungen gebildet. Das Überraschende an dem neuen Rundschreiben im Juli dieses Jahres war insbesondere, dass es dort hieß, dass nun doch auch die Fälle vor 2013 betroffen sind. Ob dies zu einer Änderung der steuerlichen Behandlung bei der Commerzbank führt, bleibt der Betriebsprüfung vorbehalten. Dennoch haben wir als vorsichtige Kaufleute eine zusätzliche Rückstellung gebildet.

Das Interview führten Anna Sleegers und Bernd Neubacher

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