„Wir sind nach wie vor Full-Service-Anbieter“
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die Commerzbank hat das erste Jahr nach Auslagerung des Research & Brokerage an Oddo BHF eigenen Angaben zufolge ohne Kundenabrieb gemeistert. „Eine Abwanderung von Kunden haben wir nicht registriert“, sagt Christian Eiteneyer, beim gelben Institut Global Head of Equity and M&A, der Börsen-Zeitung: „Ganz im Gegenteil, wir bekommen viel positives Feedback.“ Die Ankündigung der Kooperation beider Häuser hatte vor gut einem Jahr in der Branche für Aufmerksamkeit gesorgt. Denn allerorten suchen Banken nach Möglichkeiten, ihren Aufwand im kosten- und kapitalintensiven Aktiengeschäft zu reduzieren. So kündigte die Deutsche Bank, die sich früher als die Commerzbank zu einer Neuausrichtung entschlossen hatte, vor drei Jahren ihren Rückzug gleich aus dem weltweiten Aktiengeschäft an – Unkenrufe, dies besiegele zugleich einen Abstieg der größten deutschen Bank im Aktienemissionsgeschäft, haben sich bislang als voreilig erwiesen. Unicredit hatte schon vor elf Jahren den Schulterschluss mit Kepler Securities im Equity-Capital-Markets-Geschäft geübt und ihre Beteiligung am Broker 2018 auf 10% verdoppelt. Wie bei der Deutschen Bank fiel die Entscheidung auch bei der Commerzbank im Zuge einer konzernweiten Restrukturierung.
Das Konzept: Die Commerzbank kümmert sich um den Part des Aktienkapitalmarktgeschäfts bis zum Listing, also um Beratung, Strukturierung, Syndizierung sowie Origination. Und das französische Institut, das vor allem im Sekundärmarkt sowie im Wealth Management Stärken hat, deckt mit rund 200 Leuten all das ab, was danach kommt: Equity Sales, Research, Corporate Brokerage und ähnliche Funktionen.
Im Zuge des Umbaus und der Allianz mit Oddo BHF baute die Commerzbank in den Geschäftsbereichen Research, Sales, Trading und Corporate Access 80 Stellen ab. Laut einer Präsentation sind in der gelben Bank nur mehr 20 Leute mit Origination, Advisory, Structuring und Syndication befasst. Wie viel Geld die Großbank damit gespart hat, will sie auch auf Anfrage nicht konkret beziffern. Eiteneyer hält dazu indes fest: „Wir haben nicht nur Kosten geteilt, sondern auch Erträge.“ Dies dürfte besonders im momentanen Umfeld schmerzen – so sind die Erträge im deutschen Equity-Capital-Markets-Geschäft im Startquartal um gut 90% abgestürzt. Umso stärker würde es nun freilich zu Buche schlagen, hätte die Commerzbank noch die alte Kostenbasis. Zugleich ist das Institut erst dieser Tage mit HSBC und Unicredit als Joint Global Coordinator einer 212 Mill. Euro schweren Bezugsrechtsemission mandatiert worden.
Die Angleichung beider Organisationen habe eine Menge Arbeit mit sich gebracht, räumt Eiteneyer ein. Zu Beginn sei es die größte Herausforderung gewesen, während des Umbaus keinen Ball im parallel weiterlaufenden täglichen Geschäft fallen zu lassen.
Was die Aufteilung gemeinsam erzielter Erträge angeht, haben beide Seiten laut Eiteneyer eine recht einfache Vereinbarung getroffen, die Vereinbarungen zwischen verschiedenen Abteilungen ein- und derselben Bank ähnelt. Nur wenn etwa die Commerzbank zum Beispiel in besonderem Maße ins Risiko geht, weil sie zum Beispiel eine Aktienemission garantiert, verändert sich dieses Verhältnis zu ihren Gunsten.
Durch die Kooperation hat sich die Commerzbank, auch wenn sie Erträge teilen muss, ihre ursprüngliche Palette an Angebot bewahrt: „Wir sind nach wie vor Full-Service-Anbieter im Equity-Capital-Markets-Geschäft“, betont Eiteneyer. Als Vorteil stellt er zugleich eine Verlängerung der Reichweite heraus. So hat sich die Zahl der Werte, für welche die Commerzbank Kunden Research bereitstellen kann, infolge der Kooperation von gut 200 auf 700 erhöht, weil Oddo BHF gerade Research zu ausländischen Titeln eingebracht hat. Dieser Wert entspricht dem bei Ankündigung der Zusammenarbeit ausgegebenen Ziel. Zugleich hat sich die Zahl der an die Brokerage-Plattform von Oddo BHF angeschlossenen Institutionellen seit Lancierung der Kooperation im Mai vergangenen Jahres um rund 100 auf 750 erhöht. Die Commerzbank sieht ihre Vertriebsfläche verbreitert. Als sie ihre Corporate Conference 2021 erstmals mit Oddo veranstaltet habe, sei die Zahl der teilnehmenden Investoren um 75% auf 536 gestiegen, und die Zahl der Investorentreffen habe sich auf 3600 gut verdoppelt, heißt es.
Mit 55 Sales-Profis betrachtet sich Oddo BHF als eine der vier größten Equity-Brokerage-Plattformen Europas. „Seit 2019 hat Oddo BHF den Marktanteil im europäischen Brokerage verdoppelt“, sagt Christophe Tadié, geschäftsführender Gesellschafter von Oddo BHF und Leiter des Bereichs Corporates & Markets, der Börsen-Zeitung, ohne diesen Anteil konkret zu beziffern. Nach der exklusiven Vereinbarung mit der Commerzbank für Deutschland zeigt sich der Manager „offen für weitere Kooperationen dieser Art, etwa in Italien oder Skandinavien“. In die Kooperation mit dem gelben Institut eingebracht hatte Oddo BHF Partnerschaften mit Natixis, ABN Amro sowie BBVA. Während Oddo BHF somit etwa in Frankreich 220 Werte abdeckt, sind es in Italien und in Skandinavien jeweils nur 20.