DZ Bank

„Wir wollten etwas schaffen, das sich selbst automatisiert abwickelt“

Nach rund drei Jahren Projektphase hat die DZ Bank ihre OTC-Derivate digitalisiert. Der Prozess verläuft vollautomatisiert und rechtsverbindlich.

„Wir wollten etwas schaffen, das sich selbst automatisiert abwickelt“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Ende Juni war es so weit: Knapp drei Jahre nachdem die DZ Bank das Projekt zur vollständigen Digitalisierung von OTC-Derivaten mit den Partnern Bayerische Landesbank und der Professur „Computational Finance“ der LMU München in das InnovationLab des genossenschaftlichen Spitzeninstituts gebracht hatte, konnte Vollzug gemeldet werden. Die Funktionsfähigkeit eines eigenentwickelten Smart Derivative Contract („SDC“) für ein solches außerbörsliches, nicht gecleartes Finanzinstrument ist nachgewiesen worden.

Dabei wurden die Settlement-Zahlungen täglich über die Deutsche-Börse-Tochter Eurex Clearing abgewickelt und anschließend der gesamte Lebenszyklus dieses OTC-Derivates über mehrere Tage vollautomatisiert und rechtsverbindlich prozessiert. Implementiert wurde das digitale OTC-Derivat über Distributed-Ledger-Technologie („DLT“) und Cloud-Technologie. Der Grundgedanke: Ein Smart Derivative Contract digitalisiert Vertragsinhalte und wickelt Vertragsbedingungen selbständig ab, was komplexe Abwicklungsprozesse vereinfacht und beschleunigt, zudem werden Kontrahentenrisiken reduziert – ein zentraler Aspekt bei allen Wertpapiergeschäften.

Die Initiatoren des Projektes bei der DZ Bank sind der im Risikocontrolling tätige sowie an der LMU lehrende Christian Fries und der die Digitalisierung des Instituts mitgestaltende Senior Business Analyst Peter Kohl-Landgraf mit Unterstützung aus dem Rechts-, dem Abwicklungs- und dem IT-Bereich. Inspiriert wurde das Duo von frühen DLT-Anwendungen, auch wenn sich bei der Umsetzung zeigte, dass man eine Blockchain nicht zwingend braucht. „Wir hatten vor drei Jahren damit begonnen, wie man ein solches der Absicherung dienendes Finanzinstrument neu denken kann. Denn bislang wurden immer zusätzliche Bauteile aufgesetzt, was die Prozesse jedes Mal weiter verkompliziert hat. Aus diesem Kontext heraus wollten wir etwas schaffen, das sich selbst automatisiert abwickelt“, sagt Fries.

„Erster Prototyp ging schnell“

Was solche Banken-Projekte diffizil macht, ist eine Umsetzung, die von Tag eins an in das vorhandene regulatorische Raster passen muss mit allen juristischen Notwendigkeiten – für die im konkreten Fall Jones Day Beistand leistete. Mit der Umsetzungsgeschwindigkeit des Projektes sind die beiden nicht unzufrieden, auch wenn es an einigen Stellen hakte. „Der erste Prototyp ging schnell“, dann kam es aber in der Verzahnung von rechtlichen und technologischen Komponenten zu Verzögerungen. „Solche Transaktionen müssen rechtlich bindend abgewickelt sowie Compliance mit MaRisk in allen Prozessschritten sichergestellt sein.“ Fries hebt die Pionierleistung hervor: „Andere Häuser simulieren nur, wir aber sind wirklich zum Mars geflogen – das macht einen großen Unterschied.“

Bei der Konstruktion hat die DZ Bank einen cleveren Mechanismus eingebaut: Der Marktwert des OTC-Kontraktes wird nach einem vorab vertraglich vereinbarten einheitlichen Bewertungsmodell berechnet, womit ausstehende Forderungen und Verbindlichkeiten per automatisierte Buchung täglich ausgeglichen werden – und dafür werden tägliche Vorfinanzierungen eingestellt, welche die Zahlungsabwicklung garantieren. Solche Module braucht man, um die Prozessbewirtschaftung einem Algorithmus anzuvertrauen, was dann Kosten und Komplexität im Lebenszyklus eines solchen Wertpapiers reduziert. „Der Algorithmus muss gnadenlos deterministisch sein, um die Vertragsbedingungen automatisiert ausführen zu können. Denn auch wenn es beim täglichen Settlement nur um geringe Beträge geht: Geld muss immer nur für eine gewisse Prozessperiode zur Verfügung stehen, aber wir müssen jederzeit wissen, was der Swap jetzt wert ist. Das ist jetzt alles vertraglich vereinbart“, erklärt Finanzmathematiker Fries.

Der Handel des Zinsderivates lief über eine Woche, man habe das Protokoll sechs Tage nicht angefasst, berichten die beiden. Für die DLT setzte man Quorum ein, eine von J.P. Morgan entwickelte und dann an Consensys übergebene Blockchain, das habe sehr gut funktioniert – aber man hätte es grundsätzlich auch ohne Blockchain machen können, sagt Fries. Was fehlt: „Ein digitaler Euro hätte gut reingepasst.“ So hat man die Deutsche Börse als zentralen Kontoführer in einem dezentralen Ökosystem dabei. Die beiden Digitalexperten sind Blockchain-Realisten: Diese ganze Finanzmathematik müsse nicht auf eine Blockchain, wichtig sei eine Verbindung Onchain zu Offchain, damit es friktionsfrei im breiten Ökosystem funktioniert. Denn bei OTC-Produkten gehe es nicht nur um Standardisierung von Daten und Prozessen, sondern für eine Bank stehe die Auflösung von Risiken im Vordergrund – und das Herz eines passionierten Finanzmathematikers jubelt natürlich vor Freude, wenn man so etwas hingekriegt hat.

Hartnäckig geblieben

Ein wenig mühsam gestaltete sich indes der bankinterne Marsch durch die Institutionen. Es sei schon so gewesen, dass die Fachabteilungen abgeholt werden mussten, als das Projekt in den Proof of Concept gehen sollte. Aber das Team ist hartnäckig geblieben und kann heute berichten, dass alle in dem Projekt dieselbe Sprache sprechen, also jeder wisse, was ein OTC-Protokoll ist. Er betrachte diese Team-Bildung mit ihrem interdisziplinären Know-how „als immateriellen Vermögenswert“, sagt Kohl-Landgraf. Das gehört ja zu den Dingen, die in Banken aufgebaut werden müssen, um diese Vorwärtskultur der Tech-Gründer zu adaptieren – im Fintech-Sektor werden solche in der Bank stattfindenden Einheiten als „Captives“ bezeichnet. Gewisse Dinge könnten nur als Open-Source-Projekt funktionieren, denn mit einem proprietären Protokoll kommt man eben nur so weit, sagt Fries. In einer offenen Struktur seien die Prozesse für alle einfacher.

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