Juristische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals

Wirecard-Musterverfahren nach Schadenersatzklagen beginnt mit juristischer Schelte

Das Wirecard-Musterverfahren auf Schadenersatz klagender Aktionäre hat mit einem juristischen Schlagabtausch begonnen. Das Bayerische Oberste Landesgericht rügte einen Schriftsatz.

Wirecard-Musterverfahren nach Schadenersatzklagen beginnt mit juristischer Schelte

Wirecard-Musterverfahren für Schadenersatz startet mit juristischer Schelte

Bayerisches Oberstes Landesgericht bemängelt fehlende Konkretisierung bei den Feststellungszielen – Hessischer Bankkaufmann als Musterkläger

sck München

Das Musterklageverfahren geschädigter Wirecard-Aktionäre (KapMuG-Verfahren) gegen Ex-Vorstände des Zahlungsabwicklers, gegen den Insolvenzverwalter und gegen den Abschlussprüfer EY hat mit einer Kollegenschelte der zuständigen Gerichtskammer begonnen. Zum Auftakt der mündlichen Verhandlung kritisierte der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) die Vorlage zu den Feststellungszielen für das Verfahren als unpräzise. „Die juristische Qualität des Vorlagebeschlusses ist, sehr vorsichtig formuliert, äußerst dürftig“, sagte die Vorsitzende Richterin Andrea Schmidt laut Nachrichtenagentur dpa. Die Juristin ist zugleich Präsidentin des BayObLG mit Sitz in München.

Die Vorlage lieferte das Landgericht München I. Schmidt zufolge sei das Schriftstück zu allgemein formuliert. Es fehlten konkrete Angaben darüber, welche Informationen zu Wirecard falsch gewesen sein sollten. Die Vorlage ist entscheidend dafür, inwiefern die Ansprüche der Klage überhaupt berechtigt sind. Die Anspruchsteller begründen ihre Schadenersatzforderungen damit, dass die ehemaligen Vorstände des einstigen Dax-Mitglieds die Öffentlichkeit über die Lage des Unternehmens vorsätzlich belogen hätten. EY habe jahrelang die Falschangaben der Konzernführung mit uneingeschränkten Testaten abgesegnet. Die Aktionäre hätten im guten Glauben Papiere der Firma gekauft.

Großes öffentliches Interesse

Wirecard war im Frühsommer 2020 unter der Last von 3,2 Mrd. Euro Finanzschulden zusammengebrochen, als sich herausstellte, dass Treuhandkonten des Unternehmens in Südostasien von insgesamt 1,9 Mrd. Euro Luftbuchungen waren. Zudem habe das angeblich gewinnbringende Geschäft mit asiatischen Drittpartnern nur auf dem Papier existiert. Seit Dezember 2022 müssen sich drei Ex-Manager des Konzerns vor der zuständigen Strafkammer des Landgerichts München verantworten. Darunter befindet sich der Hauptangeklagte, Ex-Vorstandschef Markus Braun.

Fachleute rechnen mit einem Urteil in den Musterklageverfahren erst frühestens in drei Jahren. Mancher vermutet, dass das BayObLG ein Gutachten in Auftrag gibt, um die Schadenersatzansprüche auf Herz und Nieren von Spezialisten auf diesem Gebiet prüfen zu lassen.

Forderung in Milliardenhöhe

Auf Schadenersatz klagten insgesamt rund 8.500 Personen. Weitere 19.000 meldeten Schadenersatzforderungen an, ohne eine Klage eingereicht zu haben. Als Musterkläger fungiert ein Bankkaufmann aus Hessen, der mit Wirecard-Papieren eine halbe Million Euro verloren hatte. Die Forderungssumme wird auf insgesamt 7,5 Mrd. Euro beziffert.

Die wegen des Wirecard-Skandals heftig in die Kritik geratene EY-Gruppe setzt sich gegen die Forderungen der Aktionäre zur Wehr.

„Klagen unbegründet“

„Wir bewerten die Schadensersatzklagen gegen EY Deutschland als unbegründet. Das gilt für die im KapMuG-Verfahren gebündelten Klagen genauso wie für die Einzelklagen“, erklärte EY auf Nachfrage vor Beginn der mündlichen Verhandlung. Daher bestünden keine Ansprüche gegen EY Deutschland auf Schadenersatz.

Im April 2023 hatte die Abschlussprüferaufsicht Apas gegen EY wegen der Vorfälle bei Wirecard harte Sanktionen verhängt. Die Apas begründete ihre Strafen damit, dass EY bei der Prüfung der Wirecard-Abschlüsse in den Jahren 2016 bis 2018 gegen Berufspflichten verstoßen habe. Die Apas verdonnerte EY zu einer Geldstrafe von 500.000 Euro. Zudem darf EY bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zwei Jahre lang keine Abschlussprüfungen durchführen. Dabei handelt es sich laut Apas um Neumandate.

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