Wo Innovation stattfindet, boomt der Immobilienmarkt

Im Konzert der Weltmetropolen spielt Frankfurt bezüglich Innovation noch nicht die erste Geige - Nachholbedarf definiert aber erfolgversprechende Potenziale

Wo Innovation stattfindet, boomt der Immobilienmarkt

Standortentscheidungen von Unternehmen und Investitionsentscheidungen von Anlegern orientierten sich bislang in erster Linie an den klassischen Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt, Bevölkerungswachstum oder Beschäftigtenzahlen. Das erscheint mittlerweile überholt und bedarf einer zumindest graduellen Nachjustierung. Auch in Frankfurt am Main. Themen wie Nachhaltigkeit, Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum oder quantitativ häufig nicht messbare Indikatoren wie Lebensqualität nehmen eine immer höhere Gewichtung ein. Und in diesen Reigen hat sich im Verlauf der vergangenen Jahre auch das Thema “Innovation” als Erfolgsfaktor par excellence eingereiht. Innovative Städte haben in einer technologiegetriebenen Welt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Städten und erweisen sich als widerstandsfähiger gegenüber exogenen Schocks.Auch die Immobilienbranche kann sich diesem Trend nicht verschließen, lassen sich doch kausale Zusammenhänge hinsichtlich der Performance von Innovation und Talent auf der einen und immobilienmarktbezogenen Parametern auf der anderen Seite finden. Hotspots für Innovation sind für die Immobilienwirtschaft relevant, weil dort in aller Regel auch die Wirtschaft stark ist. Gutes Personal und vorhandenes Know-how bringen Unternehmen und damit Arbeitsplätze in die Städte. Attraktive Jobs ziehen wiederum neue Einwohner an. Firmen brauchen Geschäftsräume, Menschen Wohnungen, und wer in einer Stadt lebt, der wiederum kauft dort auch ein, was die Assetklasse Retail beflügelt. Und da auch ortsnah produziert oder zumindest gelagert werden muss, strahlt das letztlich auf Logistikimmobilien ab. Dieser Effekt zeigt sich nicht nur in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs.Mit dem allgegenwärtigen Thema des Fachkräftemangels erscheint es für Unternehmen wichtiger denn je, sich auf Städte zu fokussieren, die ein positives Klima für Innovation, Start-ups und Forschungseinrichtungen aufweisen und damit hoch qualifizierten Arbeitskräften ein attraktives Umfeld bieten. Pauschal lässt sich sagen: Wo Innovation stattfindet, boomt der Immobilienmarkt. Das gilt überall auf der Welt.Innovationsfähigkeit ist ein kritischer volkswirtschaftlicher Faktor geworden, der sich auf lokaler Ebene als Wirtschaftsmotor auswirkt. Das strahlt in die Immobilienwirtschaft aus, und zwar ganz gewaltig: In den vergangenen zehn Jahren ließen sich 37 % des internationalen Transaktionsvolumens bei den neun globalen Innovationschampions der JLL-Studie Innovation Geographies der Städte verorten. In dieser Untersuchung wurden weltweit 109 Städte sowohl hinsichtlich ihrer innovativen Attribute * als auch in Bezug auf die Förderung von qualifizierten Arbeitskräften (Talent) untersucht.Als Innovationsstandort Nummer 1 platzierte sich San Francisco, das mit seiner Bay Area das Silicon Valley beheimatet. Entsprechend hat es auch das angrenzende San Jose in die Top Ten geschafft. Den zweiten Rang sichert sich Tokio, das sich vor allem bei den Patentanmeldungen hervortut. Die höchstgewertete europäische Stadt im JLL-Ranking ist London, das seine Position vor allem seinen Universitäten von Weltrang verdankt. Entsprechend führt die Stadt in der Kategorie Talents auch die Weltrangliste an. Paris findet sich ebenfalls in den Top Ten der Innovativen, die allerdings durch US-amerikanische und asiatische Standorte dominiert wird. Frankfurt im vorderen DrittelUnd wie schneidet Frankfurt im globalen Vergleich ab? Die Stadt am Main belegt im Bereich Talent den Rang 43, im Bereich Innovation den Rang 37. Damit findet sich Frankfurt immerhin noch im vorderen Drittel des Rankings unter anderem aufgrund der hohen Volumina ausländischer Direktinvestitionen, insbesondere in den Bereichen IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) sowie Internet-Infrastruktur, und aufgrund der hohen Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung. Die ausländischen Direktinvestitionen summierten sich im Zeitraum 2015 bis 2018 auf 1,6 Mrd. Dollar und lagen damit höher als in Berlin oder München.Bezüglich des Kriteriums “Talent” liegt Frankfurts starke Position in einer bedeutenden Hochschullandschaft und einem relativ hohen Anteil an Beschäftigten in Hightech-Branchen begründet. Ungünstig auf die Positionierung wirkt sich dagegen die vergleichsweise geringe Zahl an Start-ups und damit verbunden ein niedriges Volumen an Risikokapitalfinanzierungen aus. Vor dem Hintergrund, dass Frankfurt das führende Finanzzentrum Kontinentaleuropas ist, mag das überraschen. Im Start-up-Segment Fintech profitiert Frankfurt allerdings von seiner Bankenlandschaft und dem Sitz der Regulierer. Viele Fintechs suchen gezielt die Nähe dieser Institutionen und finden Unterstützung von verschiedenen (auch städtischen) Initiativen.Hinter den Erwartungen zurück bleibt Frankfurt hinsichtlich des niedrigen Niveaus an Patentanmeldungen, geschuldet vermutlich der starken Konzentration des Finanzsektors. Während einige wenige Banken am Standort Frankfurt expandieren, befindet sich der Finanzsektor insgesamt unter dem Strich in einer Konsolidierungsphase. Die Helaba erwartet, dass in Frankfurt der Zenit der Bankbeschäftigung im Jahr 2021 erreicht sein wird. Der Anteil des Finanzsektors an der Gesamtbeschäftigung sinkt aber bereits seit rund 15 Jahren. Im laufenden Jahr 2020 wird dieser Sinkflug auf einem Level von rund 10 % voraussichtlich ein Ende haben und langfristig relativ stabil bleiben.Da die Beschäftigungszahlen in Frankfurt in den kommenden Jahren insgesamt wachsen werden, dürfte der Effekt der Finanzbranche zumindest quantitativ überkompensiert werden. Ebenfalls ungünstig wirkt sich – ähnlich wie in anderen europäischen Märkten – das recht geringe demografische Wachstum der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren aus. Und schließlich ist der Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss mit 34 % relativ niedrig, verglichen mit dem Durchschnitt von 41 % in den anderen europäischen Märkten. Zusammenspiel wesentlichDie solide Einordnung Frankfurts bei den Kriterien Innovation und Talent spiegelt sich auch auf dem Immobilienmarkt wider: So rangierte Frankfurt beim Investmentvolumen beispielsweise in den zurückliegenden drei Jahren kontinuierlich unter den globalen Top-30-Märkten.Für die entwickelten Volkswirtschaften mit einem nur noch geringen bis mäßigen Wirtschaftswachstum sind Innovation und Talentkonzentrationen essenzielle Wachstumsfaktoren. Beide, Innovation (durch technische Errungenschaften und Verbesserungen) und Talent (durch Forschungs- und Erfindergeist), können einen positiven Einfluss auf die Produktivität nehmen. Dabei ist das Zusammenspiel der Akteure vor Ort (Unternehmen, Behörden, Forschungseinrichtungen) wesentlich. Hierdurch entstehen Netzwerke und ein innovatives Umfeld, das neue Talente anzieht, aus- und weiterbildet.Und bei Städten, die in Bezug auf die administrative Fläche eingeschränkt sind – und Frankfurt zählt durchaus zu diesen Städten – darf der Stadtbegriff nicht an den Grenzen enden. Vielmehr ist in regionaler Dimension zu denken, denn ein Klein-Klein mit lokaler Kirchturmpolitik vergeudet Mainhattans Chancen, im Konzert der Großen wirklich mitzumischen. Zukunftsrelevante Themen wie die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in der Metropolregion zur Verdichtung von Lebens- und Arbeitszyklen blieben so außen vor. Mit der Folge, dass Leben und Arbeiten immer weiter auseinanderdriften, ein krasser Widerspruch zu dem, was innovative Städte eigentlich ausmachen sollte. Der Nachholbedarf in diesem Bereich definiert aber auch die Potenziale von Stadt und Region. Sie sollten genutzt werden. Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Deutschland