IMMOBILIEN

Wohnen statt Handel

Die Covid-19-Krise hat die Party am Immobilienmarkt vorerst beendet. Doch gibt es unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Segmente. Wohnen ist weiter gefragt, während vor allem der Einzelhandel leidet. Von Werner Rüppel Am Immobilienmarkt...

Wohnen statt Handel

Die Covid-19-Krise hat die Party am Immobilienmarkt vorerst beendet. Doch gibt es unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Segmente. Wohnen ist weiter gefragt, während vor allem der Einzelhandel leidet.Von Werner RüppelAm Immobilienmarkt hat weltweit und auch insbesondere in Deutschland rund ein Jahrzehnt Party geherrscht. Wer in Betongold investierte, wurde in den vergangenen Jahren reich. Treiber des Booms waren die wachsende Nachfrage, vor allem auch nach Wohnungen, die prosperierende Wirtschaft sowie ein extrem niedriges Zinsniveau. Wie der Immobilienpreisindex des VDP (Verband deutscher Pfandbriefbanken) zeigt, hat der Preisanstieg sich bis Ende des ersten Quartals fortgesetzt.Doch dann kam die Corona-Pandemie nebst Lockdown in Deutschland und vielen anderen Staaten. Dem konnte sich natürlich auch der Immobilienmarkt nicht entziehen. Insbesondere Mieten für Gewerbeojekte fallen inzwischen teilweise immer noch aus, und auch der massive konjunkturelle Einbruch schlägt zumindest zum Teil durch.Zwei Dinge fallen dabei auf. Zum einen sind die einzelnen Immobilien-Assetklassen durch Corona unterschiedlich getroffen. “Wohnimmobilien sowie Logistik- und Büroimmobilien kommen wohl ohne große Schäden aus”, stellt die DZ Bank in einer Analyse fest. “Für Handel und Hotels sieht es trübe aus.” Unterschiede gibt es auch zwischen den einzelnen Ländern. So gilt der deutsche Immobilienmarkt als relativ stabil, während internationale Märkte mitunter größere Schwankungen aufweisen. Und in Großbritannien stellt das Thema Brexit nach wie vor einen Bremsklotz dar. Zum anderen hat die Covid-19-Krise im März zunächst einmal zu einem Stillstand am Immobilienmarkt geführt. Transaktionen wurden verschoben, die Marktteilnehmer haben sich erst einmal gefragt, was die Pandemie für Immobilien bedeutet. Inzwischen haben sich die Geschäfte, insbesondere bei Wohnen, aber wieder belebt. Nicht nur die Wirtschaft insgesamt, auch der Immobilienmarkt fährt wieder hoch. Krise als zweite ChanceZwar ist die Unsicherheit nach wie vor groß, weiß doch niemand, welchen Verlauf die Pandemie nimmt und wann sie besiegt ist. Doch ist zumindest bei Wohnimmobilien kaum jemand bereit, Objekte zu niedrigeren Preisen zu verkaufen. Vielmehr ist die Nachfrage nach Wohnen nach wie vor groß, so ist mehrfach zu hören. Manche Beobachter sehen daher die Coronakrise sogar als zweite Chance, als Einstiegsgelegenheit bei Immobilien, zumindest was ausgewählte Assetklassen betrifft. Denn die Zinsen sind weltweit und vor allem in Euroland extrem niedrig und werden vermutlich noch sehr lange Zeit niedrig bleiben.Wer nun über den Kapitalmarkt in Immobilien investiert, hat vor allem drei Möglichkeiten. In Deutschland sehr beliebt sind die offenen Immobilienfonds, die direkt breit gestreut in ausgewählte Immobilien investieren. Darüber hinaus können Anleger an der Börse Aktien (inklusive der steuerbegünstigten Reits) erwerben, die auf Immobilien spezialisiert sind. Nach der Vonovia ist dabei mit der Deutschen Wohnen soeben eine weitere Wohnimmobilientitel in den Dax und damit in die erste deutsche Börsenliga aufgerückt. Zudem stehen Aktienfonds, die in Immobilienwerte investieren, als Investitionsmöglichkeit zur Verfügung. Rekord bei offenen ImmobilienfondsTrotz Corona haben die in offenen Immobilienfonds in Deutschland angelegten Gelder ein Rekordniveau erreicht. Wie die Ratingagentur Scope in ihrer aktuellen Marktstudie feststellt, betrug das in diesen Fonds verwaltete Vermögen rund 112 Mrd. Euro. Dabei flossen den offenen Immobileinfonds im ersten Quartal dieses Jahres 4 Mrd. Euro neue Mittel zu, während Anleger in diesem Zeitraum per saldo riskante Aktienfonds verkauften. Laut Scope haben die Zuflüsse der offenen Immobilienfonds übrigens bis Ende Mai angehalten.Vor allem konnten die konservativen, relativ risikoarmen Produkte auch in den vergangenen Monaten mit ihrer Wertentwicklung überzeugen. “Die offenen Immbilienfonds sind in der Covid-19-Krise ihrem Ruf als Stabilitätsanker gerecht geworden”, stellt Scope fest. Denn während andere Anlagesegmente vor allem im März dieses Jahres zum Teil drastische Verluste hinnehmen mussten, sei die durchschnittliche Performance der offenen Immobilienfonds im ersten Quartal positiv geblieben.Vor allem aufgrund der gestiegenen Risiken und gesunkenen Ertragsaussichten in einzelnen Immobiliensegmenten, allen voran Einzelhandel und Hotel, hat Scope zwölf offene Immobilienfonds herabgestuft. Drei Fonds konnten ihr Rating halten. Die von der Agentur bewerteten Fonds verwalten zusammen rund 100 Mrd. Euro.”Die Covid-19-Krise stellt für die offenen Immobilienfonds ohne Zweifel die größte Herausforderung seit 2008/09 dar”, erklärt Sonja Knorr, Leiterin Alternative Investments bei Scope. Trotz der Herabstufungen befänden sich die Ratings insgesamt nach wie vor auf hohem Niveau. So liegt das durchschnittliche Rating der Fonds bei “a”, was aus Anlegersicht eine gute risikoadjustierte Rendite erwarten lasse (vergleiche auch die Tabelle zu den einzelnen offenen Immobilienfonds).In der Finanzkrise 2008/09 mussten 18 offene Immobilienfonds mit einem Vermögen von rund 25 Mrd. Euro aus Liquiditätsgründen geschlossen und später abgewickelt werden. Eine solche Situation ist laut Knorr aktuell nicht in Sicht. Denn die Fonds verfügten derzeit über ausreichend liquide Mittel von durchschnittlich knapp 20 % des Fondsvermögens. Zudem habe es seit Beginn der Coronakrise keine außergewöhnlichen Mittelabflüsse gegeben. Darüber hinaus sind die im Jahr 2013 eingeführten Mindesthalte- und Kündigungsfristen gemäß der Scope-Analyse ein wesentlicher Grund für die stabile Liquiditätssituation der Fonds.Vor allem Fonds mit dem Schwerpunkt Einzelhandel und Hotels wurden von Scope schlechter bewertet. Denn diese beiden Segmente seinen von der Pandemie stark getroffen worden, weil monatelang Kunden ausblieben.Offene Immobilienfonds legen vor allem in Büroimmobilien an. Dieser Markt werde zwar durch die Krise negativ beeinflusst. Doch geht Scope nicht davon aus, dass die Leerstände bei Büros in erstklassigen Lagen dauerhaft ansteigen würden. Das Risiko steigender Leerstände treffe vor allem auf Immobilien in weniger attraktiven Lagen zu. Positive Rendite erwartetNach einer durchschnittlichen Rendite von 3,1 % der offenen Immobilienfonds im Jahr 2019, erwartet Scope für das Gesamtjahr 2020 Fondsrenditen in einem Band zwischen 1,5 % und 2,0 %. Die Fondsmanager selbst sind optimistischer: In der von Scope durchgeführten Umfrage unter 24 Fondsanbietern rechneten zwei Drittel mit einer Performance zwischen 2,0 % bis 2,5 % in diesem Jahr.Ein wesentlich höheres Risiko als offene Immobilienfonds weisen Investments in einzelne Immobilienaktien sowie auch in entsprechende Aktienfonds auf. Dies hat sich auch in der Coronakrise gezeigt als diese Anlagen teilweise regelrecht einbrachen. Zuletzt haben Immobilienaktien sich aber wieder deutlich erholt. Und eine Vonovia, die auf Wohnen spezialisiert ist, hat jüngst sogar ein neues Allzeithoch erreicht. Zudem haben die Bochumer in den vergangenen Jahren mit einer steigenden und relativ hohen Dividende aufgewartet. Darüber hinaus dürften Vonovia im September in den Euroland-Top-Index Euro Stoxx 50 aufsteigen. Zuletzt ist auch der Deutschen Wohnen der Aufstieg in den Dax gelungen, obwohl sie große Bestände in dem durch einen Mietpreisdeckel belasteten schwierigen Berliner Immobilienmarkt hält. Der Berliner Wohnungsmarkt bleibt natürlich ein Risiko für den Titel, obgleich das Research der Deutschen Bank die Aktie aktuell mit einem Kursziel von 60 Euro zum Kauf empfiehlt.Günstiger bewertet als die Wohntitel sind Gewerbeimmobilienaktien wie Aroundtown, für die Analysten auch von einer hohen Dividendenrendite ausgehen. Das ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich Wohnen auch in der Krise als das wesentlich stabilere Segment erwiesen hat.Etwas weniger riskant, als in eine einzelne Immobilienaktien zu investieren, ist es, einen entsprechenden Aktienfonds zu erwerben. Zu den Top-Produkten zählt dabei der Axa Aedificandi, der bereits 1970 aufgelegt wurde und Assets über mehr als 700 Mill. Euro verwaltet. Der auf die Eurozone fokussierte Fonds enthält vor allem große Positionen in Wohnimmobilien-Titeln wie Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG Immobilien. Die Performance des Aedificandi über zehn Jahre berägt stattliche 8,7 %.Der Janus Henderson Pan European Property legt hingegen in Immobilienaktien in ganz Europa an und wird von der Ratingagentur Morningstar mit der Höchstnote von fünf Sternen bewertet. Auch hier sind Vonovia und Deutsche Wohnen die größten Positionen. Über zehn Jahre beträgt die Performance hohe 11,5 % pro Jahr.Im Vergleich schwächer abgeschnitten haben zuletzt Immobilienaktienfonds mit weltweitem Fokus. Doch konnten Anleger auch mit diesen Produkten, bis Corona kam, also in Zeiten der Party der vergangenen Jahre, durchaus attraktive Erträge erzielen. Nachfrage bleibt hochJeder Anleger muss selbst entscheiden, ob er in riskantere Anlagen wie Aktie und Aktienfonds oder in einen risikoarmen offenen Immobilienfonds investieren möchte. Manch einer findet auch hohe und stetige Dividenden einer Wohnimmobilienaktie wie Vonovia attraktiv. Viele Investoren hierzulande sind jedoch risikoavers. Vor diesem Hintergrund dürfte vor allem die Nachfrage nach offenen Immobilienfonds hoch bleiben.