Womit Banken 2023 im Firmenkundengeschäft kämpfen
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Die Rückkehr der Zinsen dürfte bei so manchem Firmenkundenbanker die Hoffnung auf die Rückkehr guter alter Zeiten wecken; als Kredite für sich genommen noch hochprofitabel waren und Cross-Selling-Bemühungen mehr den eigenen Bonuszielen dienten als der Profitabilität der Firmenkundenbeziehung an sich. Das jahrelange Niedrigzinsumfeld der Europäischen Zentralbank (EZB) und der erbitterte Wettbewerb der Banken untereinander haben profitables Firmenkundengeschäft schwieriger gemacht. Dazu reicht ein Blick auf den Corporate Banking Index der Unternehmensberatung Bain & Company, die halbjährlich die Profitabilität der Banken im Firmenkundengeschäft misst. Nach ihrem Tiefpunkt im zweiten Quartal 2020 als die durchschnittliche Eigenkapitalrendite vor Steuern bei −2% lag, konnten Banken zuletzt mit 7% zumindest wieder annähernd ihre Eigenkapitalkosten verdienen.
Solides Jahr 2022
Mit Spannung erwartet der Markt die nun anstehende Berichtsaison der Banken, die erste Aufschlüsse darüber geben wird, wohin die Reise der Banken im Firmenkundengeschäft gehen wird. Den Anfang macht kommende Woche die Deutsche Bank, für deren Firmenkundengeschäft Analysten nach jahrelanger Stagnation für 2022 einen starken Ertragssprung prognostizieren. Andreas Becker, Senior Executive Advisor bei der Unternehmensberatung Strategy&, hat den Eindruck, dass 2022 insgesamt ein ordentliches bis gutes Jahr im deutschen Firmenkundengeschäft war und dass sich das auch in den Zahlen der Banken widerspiegeln wird.
Doch die Hoffnung der Banken, dass das alte Geschäftsmodell im Firmenkundengeschäft mit nun steigendem Zinsniveau wieder von allein funktioniert, ist trügerisch: Die Profitabilität im Firmenkundengeschäft ist von vielen Variablen abhängig und die steigenden Zinsen sind mit Risiken verbunden.
Angriffslustige US-Banken
Neue Finanzierungen werden zwar zu höheren Zinsen abgeschlossen, doch darüber frohlocken insbesondere jene Häuser, die sich im klassischen Kreditgeschäft bislang zurückgehalten haben. Laut Becker sind das insbesondere die großen US-Banken. „Es gibt erneut große Ankündigungen, aber es folgen dieses Mal auch Taten“, sagt Becker. So sei Goldman Sachs stärker ins Cash-Management eingestiegen und die Citigroup baue ihr Geschäft mit kleineren Firmenkunden ebenso aus wie J.P. Morgan. „Ich bin sehr gespannt, ob die US-amerikanischen Banken an dem Trend festhalten werden und sich im Firmenkundengeschäft etablieren“, sagt Becker.
Für etablierte Firmenkundenbanken sind die steigenden Zinsen nicht nur gute Nachrichten. Auch sie profitieren bei kurzfristigen und variabel verzinsten Krediten unmittelbar von steigenden Zinsen. Sie haben aber das Problem, dass deutsche Firmenkunden im Schnitt sehr langfristig durchfinanziert sind. Laut Becker liegt der Kreditlaufzeitenmix deutscher Unternehmen im Schnitt bei vier Jahren oder mehr – mit extrem kreditnehmerfreundlichen Konditionen aus Vorkrisenzeiten. Diese niedrigen Margen hätten die Banken nun im Buch und könnten sie nicht so leicht anpassen.
Abwägung beim Neugeschäft
Die Chancen liegen im Neugeschäft, in das sich die Banken jedoch nicht blindlings stürzen können. Die höheren Zinsen kommen schließlich nicht ohne Risiken daher. Da wäre zum einen der zunehmende Druck auf der Refinanzierungsseite. „Banken stehen wieder ein Stück weit mehr allein im Refinanzierungsmarkt und können nicht mehr auf das Hilfspaket zurückgreifen“, sagt Becker. Damit spielt er auf das auslaufende TLTRO-Programm der EZB an, über das sich die Banken jahrelang günstig refinanzieren konnten. Auch im Einlagengeschäft und an den Anleihemärkten spürten Banken zuletzt Gegenwind.
Hinzu kommt laut Becker, dass sich die Auswirkungen vom Krieg in der Ukraine auf das Geschäft bislang zwar noch nicht so schlimm ausgewirkt hätten, wie zunächst befürchtet. Doch die genauen Auswirkungen seien mindestens noch ungeklärt. Banken sollten deshalb Szenarien simulieren, in denen sich die Qualität des bestehenden Kreditportfolios signifikant verschlechtert. Jede Bank hat nur ein gewisses Risikolimit zur Verfügung stehen, für das Gesamtportfolio wie für Einzelkunden. Die Herausforderung für Banken in der Portfolio- und Risikosteuerung besteht dieses Jahr darin, so viel lukratives Neugeschäft wie möglich zu machen, ohne dabei jedoch die eigenen Risikolimits so weit auszureizen, dass diese gerissen würden, sollte sich das Portfolio in Zukunft doch noch signifikant verschlechtern.
Laut Becker kommt es bei neuen Finanzierungen deshalb auf flexible Vertragsstrukturen an. Das bedeute insbesondere kürzere Kreditlaufzeiten, beidseitige Zinsanpassungsklauseln und die stärkere Berücksichtigung von Sicherheiten. Becker hat den Eindruck, dass Unternehmen und Banken enger zusammengerückt sind. Wegen der Befangenheit in Altverträgen auf der einen und den steigenden Kosten auf der anderen Seite erhöht sich Becker zufolge der Margendruck der Banken im Firmenkundengeschäft aber mehr, als dass er sinkt. „Deshalb denke ich nicht, dass Banken in diesem Jahr große Gewinnsprünge machen werden“, vermutet der Berater.
Umsatzverlust durch ESG
Bei all den kniffligen Entscheidungen, die das makroökonomische Umfeld erfordert, ist eine große Baustelle im Firmenkundengeschäft noch unberücksichtigt: Die nachhaltige Finanzwirtschaft, gern versinnbildlicht mit dem Akronym ESG. Für Becker ist das eines der Hauptthemen, das die Banken dieses Jahr beschäftigen wird. Bislang habe der Fokus darauf gelegen, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und Daten zu sammeln.
Die größere ESG-Herausforderung steht Banken aber erst noch bevor. Sie müssen die strategischen Konsequenzen aus den gesammelten Daten ziehen. Wenn Banken aus ESG-Gründen bestimmte Kunden oder Industrien nicht mehr finanzieren können oder wollen, müssen sie den damit einhergehenden Umsatzverlust, der laut Becker im Schnitt wohl mehr als 10% beträgt, irgendwie kompensieren. „Da tun sich einige Banken schwer und manche sehr schwer“, sagt der Berater.