GastbeitragZehn Jahre EZB-Bankenaufsicht

Zehn Impulse zur Weiterentwicklung der EZB-Bankenaufsicht

Vor zehn Jahren hat die EZB auch die Aufsicht über die bedeutendsten Banken übernommen. Sie hat schnell ihre Rolle gefunden, findet VÖB-Hauptgeschäftsführerin Iris Bethge-Kraus. Doch es gibt auch noch Optimierungsmöglichkeiten.

Zehn Impulse zur Weiterentwicklung der EZB-Bankenaufsicht

Zehn Impulse zum Jubiläum der EZB-Bankenaufsicht

Am 4. November 2014 hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) die direkte Aufsichtsverantwortung über die als bedeutend eingestuften Institutsgruppen der Eurozone übernommen. Derzeit sind dies 113 Institutsgruppen, davon 25 in Deutschland. Elf davon gehören dem Verband öffentlicher Banken (VÖB) an.

Die nationalen Aufsichtsstrukturen sind über Jahrzehnte gewachsen. Die EZB hatte nur wenige Jahre Vorlaufzeit, um sich auf diese komplexe Aufgabe vorzubereiten, die ihr als Reaktion auf die Finanzmarktkrise 2008 angetragen wurde. Rückblickend lässt sich jedoch festhalten: Die EZB hat die üblichen „Kinderkrankheiten“ eines Start-ups zügig überwunden, ihre Rolle schnell gefunden und war auch in Krisenzeiten jederzeit in der Lage, ihr Mandat zu erfüllen.

Vorreiterrolle eingenommen

Bei einigen Themen hat die EZB sogar eine Vorreiterrolle eingenommen, auch dank der Expertise der 20 nationalen Aufsichtsbehörden. Das trifft etwa auf das Management von Klima- und Umweltrisiken zu. Hier lässt sich jedoch auch konstatieren, dass die EZB durchaus über das Ziel hinausschießen kann. Deshalb möchte ich nicht nur meinen Respekt für die geleistete Arbeit der EZB bekunden, sondern diesen auch mit zehn konkreten Impulsen zum zehnten Jubiläum verbinden.

Erstens sollte die EZB etwa analog zu den US- und UK-Aufsichtsbehörden – neben der Sicherung der Finanzstabilität – auch die Wettbewerbsfähigkeit der Kreditwirtschaft als Aufsichtsziel verfolgen. Auf diese Weise könnte sie den Finanzstandort Europa stärken.

Nationale Besonderheiten berücksichtigen

Dem Primat der Harmonisierung zum Trotz sollte die EZB zweitens die Geschäftsmodelle, Größe, Komplexität und das Risikoprofil der Institute stärker berücksichtigen. Auch sollten die Besonderheiten der nationalen Bankenmärkte im Aufsichtshandeln noch stärker berücksichtigt werden.

So sollten drittens die Empfehlungen der unabhängigen Expertengruppe vom April 2023 zeitnah in die EZB-Prozesse einfließen – insbesondere die Empfehlung, dass Kapitalzuschläge allein nicht alle Risiken abdecken können und die EZB bei festgestellten Mängeln mehr qualitative Maßnahmen verfolgen sollte.

Workarounds vermeiden

Die EZB sollte viertens überstürztes Umsetzen vermeiden. Immer wieder kommt es in Einzelfällen vor, dass die EZB auf Basis von Entwürfen oder Berichten der EU-Regelsetzer bereits Daten abfragt oder gar Implementierungen erwartet. Dies sollte schon aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit vermieden werden – ganz abgesehen von den Kosten, die den Instituten durch solche „Workarounds“ entstehen.

Fünftens muss die interne und die externe Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden optimiert werden. An zentralen Besprechungen der operativen Aufsichtsteams (JST) sollten gegebenenfalls auch die horizontalen Methodenabteilungen der EZB teilnehmen. Das könnte dazu beitragen, Silodenken zu vermeiden. Darüber hinaus könnten Fragen der Institute direkt einvernehmlich geklärt werden.

Bessere Abstimmung erforderlich

Anbieten würde sich dies zum Beispiel bei der Diskussion des Supervisory Examination Programs. Auch kommt es immer noch vor, dass Institute identische Anfragen von der EZB und der nationalen Behörde erhalten. Hier ist eine bessere Abstimmung erforderlich.

Wünschenswert ist sechstens eine effizientere Bankenaufsicht. Die Erwartung, dass durch die Übernahme von Aufgaben durch die EZB die Aufsichtskosten der nationalen Behörden sinken würden, hat sich nicht bestätigt. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass die EZB ihre Arbeit weiter digitalisiert und in „Suptechs“ künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen einsetzt. Denn dies dürfte auch zu einer Entlastung bei den Kosten beitragen.

Aus Krisen lernen

Insbesondere in den jüngsten Krisen in den USA und der Schweiz konnten Aufsicht, Politik und Institute Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Daten im Ernstfall tatsächlich benötigt werden und auf welche verzichtet werden kann. Hier knüpft der siebte Impuls an: Die Lehren aus Krisensituationen sollten in die Aufsichtspraxis einfließen.

Der achte Punkt betrifft die eindeutige Abgrenzung von aufsichtsrechtlichen Begriffen. Die EZB hat Sonderprüfungen und Datenabfragen massiv ausgeweitet. Deutlich wird es an dem „Begriffsdschungel“, der durch die verschiedenen Auskunftsersuchen entstanden ist: „Thematic oder Targeted Review“ und „Deep Dive“, um nur einige zu nennen. Zudem besteht aufgrund der intransparenten Zusammensetzung der Säule-2-Kapitalanforderung weiter Unklarheit darüber, ob Risiken doppelt erfasst (in Säule 1 und 2) und mit Kapital unterlegt werden müssen.

Prinzipienorientierung fördern

Speziell bei neuen Technologien sollte neuntens ein stärker prinzipienorientierter Aufsichtsansatz verfolgt werden. Denn das eröffnet den Instituten mehr Gestaltungsspielraum, um individuelle Lösungen zu entwickeln. Auf diese Weise wird das auch das Innovationspotenzial der beaufsichtigten Institute nicht ausgebremst.

Zehntens gilt es, den Dialog mit der Kreditwirtschaft zu intensivieren. Über die Verbände hat die EZB die Möglichkeit, gebündeltes Feedback zu ihren Aufsichtsinitiativen zu erhalten. Dies sollte sie auch abseits von Konsultationen häufiger nutzen.

Vertrauen in den Bankensektor stärken

Diese Impulse könnten der EZB helfen, ihre Rolle als Aufseherin noch schlagkräftiger auszuüben und somit das Vertrauen in den Bankensektor nachhaltig zu stärken. Der VÖB steht auch in den kommenden zehn Jahren sehr gern zur Unterstützung bereit.

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