GastbeitragFolgen der Zinssenkung auf das Risikomanagement

Zinsrückgang gibt Risikomanagern Auftrieb

Erstmals seit knapp fünf Jahren hat die Europäische Zentralbank die Zinsen im Euroraum gesenkt. Das kam zwar nicht überraschend, stellt das Risikomanagement der Banken aber gleich vor mehrere Herausforderungen.

Zinsrückgang gibt Risikomanagern Auftrieb

Gastbeitrag

Zinsrückgang gibt Risikomanagern Auftrieb

Das zuletzt andauernd hohe Zinsniveau bescherte Finanzinstituten robuste Zinsmargen. Mit der jüngsten Senkung des Leitzinses von 4,5 auf 4,25% durch die EZB könnte sich nach der beispiellosen Serie von Erhöhungen im Kampf gegen die Inflation ein Umschwung andeuten. Doch in welche Richtung werden sich die Zinsen weiterbewegen? Und wie schnell? Das hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und die ist durchaus volatil. Auf die erste Zinssenkung folge nicht unweigerlich die nächste und man könne keine „Art Autopilot“ ableiten, betonte unlängst Joachim Nagel, Bundesbank-Präsident und Mitglied des EZB-Rates.

Stabil durch unsichere Zeiten

Ganz gleich, wie sich das Zinsumfeld entwickelt – Risikomanager und Treasurer haben eine zentrale Aufgabe: Die Bank stabil und rentabel durch unsichere Zeiten zu steuern. Diese Aufgabe stellt sie jedoch durch die aktuelle Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Zinsentwicklung und die Veränderung der Zinsmargen vor besondere Herausforderungen.

Zwar gehört die Entwicklung von Szenarien zu den Aufgaben des Risikomanagements. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch Szenarien eintreten können, auf die Banken nicht optimal vorbereitet sind. So stiegen die Zinsen zuletzt in kurzer Zeit viel stärker als erwartet. Und damit erhöhte sich das Zinseinkommen schneller, als es Banken in ihren Berechnungsmodellen einkalkuliert hatten.

Extreme Szenarien erwägen

Was die Institute zuletzt positiv überraschte, könnte durch eine Trendumkehr bei der Zinsentwicklung für negative Überraschungen sorgen. Deshalb sollten sich Risikomanager derzeit noch stärker als zuvor Gedanken über ihre Szenarioplanung machen. Dazu zählt, dass sie nicht nur von der Bankenaufsicht geforderte Szenarien durchrechnen, sondern weitere Szenarien – auch extreme.

Kundenverhalten antizipieren

Darüber hinaus sollten sie auch die Entwicklung des Einlagenzinses in ihren Szenarien besonders berücksichtigen. Denn auch diesen verringerte die EZB nach knapp neun Monaten auf Rekordhoch um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75%.

Bei der Berechnung der Szenarien ist es die Herausforderung, in den Modellen sowohl mögliche Zinsanpassungen als auch das künftige Verhalten der Kunden zu berücksichtigen. Wechseln Kunden sofort in andere Produkte oder zu anderen Banken, wenn die Zinsen auf ihrem Tagesgeldkonto sinken? Oder verhalten sie sich doch träger als gedacht? So wie beim Anstieg der Zinsen, als nicht jeder auf der Suche nach dem besten Zinssatz gleich wechselte.

Bedeutung nimmt zu

Diese Entwicklungen zeigen: Die Rolle des Risikomanagements gewinnt in unsicheren Zeiten für die Positionierung der Banken an Bedeutung. Denn durch die Vorgaben zum Risikoappetit und den relevanten Stressszenarien setzen die Risikomanager den Rahmen für die ökonomische Steuerung. Umso wichtiger ist es, jetzt über die regulatorischen Anforderungen hinaus zu planen und möglichst verschiedene Szenarien durchzurechnen. So bleibt die Bank in ihren Entscheidungen flexibel, unabhängig von den Entwicklungen im Umfeld – und profitabel.

Arvind Sarin

Head of Finance, Risk und
Compliance Financial Services KPMG

Tim Breitenstein

Director Risk & Treasury Financial Services KPMG

Stefan Markwardt

Partner Risk & Treasury Financial Services KPMG

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