Prämiensparen

Zinsstreit neigt sich zugunsten der Sparkassen

Seit der Klatsche am Bundesgerichtshof im Oktober richten sich Sparkassen auf hohe Zinsnachzahlungen für uralte Prämiensparverträge ein. Am Oberlandesgericht zeichnet sich eine Rechtsprechung zu ihren Gunsten ab.

Zinsstreit neigt sich zugunsten der Sparkassen

Von Jan Schrader, Frankfurt

Nach der Niederlage der Sparkassen im Prämiensparstreit vorm Bundesgerichtshof im vergangenen Oktober deutet sich nun im weiteren Verfahren zunehmend ein Punktsieg für die Finanzgruppe an: Denn nachdem das Gericht in Karlsruhe die verbreitete Zinsberechnungsmethode der Sparkassen für uralte Prämiensparverträge für ungültig erklärt und den Weg für Zinsnachzahlungen geebnet hatte, bleibt den Instituten zumindest eine für sie besonders nachteilhafte Rechenmethode womöglich erspart.

Konkret geht es um das Verfahren gleitender Durchschnitte, das von der Verbraucherzentrale Sachsen in der Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig favorisiert wird (Az. 5 MK 1/19). Der Gutachter in dem Verfahren, der Finanzwissenschaftler Friedrich Thießen, hält diese Methode für unangemessen, wie die Verbraucherzentrale Sachsen der Börsen-Zeitung berichtet.

Ein Urteil steht in Dresden aber noch aus. Die Verbraucherzentrale strebt danach, mit einem eigens beauftragten Gutachten das Gericht vom Sinn gleitender Durchschnitte zu überzeugen, wie Michael Hummel, Referatsleiter für Recht der Verbraucherzentrale, ausführt.

In Sachsen führen die Verbraucherschützer mehrere Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen, aber auch andere Verbraucherzentralen sowie der Bundesverband VZBV sind aktiv. Gerade Sparkassen, aber auch einige Genossenschaftsbanken haben Prämiensparpläne und ähnliche Verträge um die Jahrtausendwende rege verkauft.

Detail mit großer Wirkung

Für Sparkassen und Banken geht es dabei um viel Geld: Denn gleitende Durchschnitte ziehen die vergangene Entwicklung mit ein. Da die Zinsen in früheren Jahrzehnten sehr hoch waren, steigt damit rechnerisch der Referenzzinssatz an – rückblickend erhalten Kunden gemäß dieser Methode also mehr Geld. In Sachsen zeichnet sich mit dem aktuellen Gutachten allerdings eine Rechtsprechung entgegen gleitender Durchschnitte ab.

Schon in einem ähnlichen Einzelstreitfall mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresdenverwarf das Oberlandesgericht diese Methode (vgl. BZ vom 13. April). Der Kläger erhält statt gut 11000 Euro nur etwas mehr als 6200 Euro, wie die Stiftung Warentest zu diesem Fall berichtet. Das Gutachten im Streitfall mit der Sparkasse Leipzig wiederum, der noch im Oktober unter dem Aktenzeichen XI ZR 234/20 in Karlsruhe verhandelt worden war, passt somit zu dem vorherigen Urteil. Der zu­ständige Senat am Oberlandesgericht ist derselbe wie zuvor im Streit mit der Sparkasse Dresden.

Die Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) aktualisierte bereits ihren Tätigkeitsbericht für das zurückliegende Jahr. Wenn Sparkassen eine Einigung mit ihren Kunden anstreben, müssen sie dabei anders als von der Verbraucherzentrale angestrebt keineswegs mit gleitenden Durchschnitten rechnen, wie die Ombudsleute befinden. Auch empfehlen sie eine andere statistische Zeitreihe als Grundlage für die Berechnung und berufen sich dabei auf den Gutachter Thießen. Der Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Technischen Universität Chemnitz hatte bereits in einer Verhandlung im März Stellung bezogen.

Gleitende Durchschnitte ergeben laut dem Urteil des Oberlandesgerichts im Fall der Sparkasse Dresden wegen der Konstruktion der Prämiensparverträge keinen Sinn: Der fest vereinbarten Prämie, die Jahr für Jahr steigt, steht ein flexibler Zinssatz gegenüber. Doch dieser Zinssatz wäre weniger flexibel, wenn er durch das Verfahren des gleitenden Durchschnitts träge an der zurückliegenden Zinsentwicklung kleben würde, wie das Gericht argumentiert. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Verfahren „den damaligen Interessen der Vertragsparteien entsprochen haben könnte.“

Karlsruhe hat das letzte Wort

Endgültig entschieden ist der Fall aber noch nicht, betont Verbraucherzentralen-Rechtsreferent Hummel. Er verweist darauf, dass andere Sachverständige in anderen Verfahren womöglich zu einer anderen Einschätzung kommen. So laufen aktuell etwa Klagen gegen die Saalesparkasse, die Sparkasse Nürnberg und die Stadtsparkasse München. Am Ende landet der Streit nach Einschätzung Hummels wieder beim Bundesgerichtshof. Weil ein solches Verfahren Zeit braucht, wären die Details der Zinsnachberechnung damit frühestens im Herbst 2023 nach seiner Einschätzung geklärt – für Verträge, die oft bereits vor der Jahrtausendwende abgeschlossen worden waren. Damals waren Zinsanpassungsklauseln, anders als heute, noch nicht üblich. Weil entsprechende Klauseln in den Altverträgen bis heute fehlen, müssen Gerichte klären, welche Formel aus damaliger Sicht angemessen gewesen wäre.

Die Anleger befinden sich nun in einer Zwickmühle, wenn die Sparkassen mit einem Vergleichsangebot auf sie zukommen. Wenn sie die Zinsnachzahlung jetzt einstreichen, verzichten sie damit auf etwaige höhere Ansprüche in der Zukunft. Die Verbraucherzentrale Sachsen will den Anlegern keinen Ratschlag geben, ob sie sich auf einen Vergleich einlassen oder doch lieber abwarten sollten. Es sei eine Wahl zwischen „dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach“, sagt Hummel.

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