FOKUSSpar- und Investitionsunion

Idee einer zentralisierten Aufsicht findet geteiltes Echo

Frankreichs Regierung hofft, dass es endlich Unterstützung für die Idee einer zentralisierten Kapitalmarktaufsicht gibt. Die Rückmeldungen zur Konsultation für die Spar- und Investitionsunion zeigen jedoch an, dass einige EU-Staaten Vorbehalte haben.

Idee einer zentralisierten Aufsicht findet geteiltes Echo

FOKUS: Spar- und Investitionsunion

Idee einer zentralisierten Aufsicht findet geteiltes Echo

Frankreichs Regierung hofft, dass es endlich Unterstützung für die Idee einer zentralisierten Kapitalmarktaufsicht gibt. Die Rückmeldungen zur Konsultation für die Spar- und Investitionsunion zeigen jedoch an, dass einige EU-Staaten Vorbehalte haben.

Von Michael Marray, Frankfurt

Der von der für Finanzdienstleistungen zuständigen EU-Kommissarin Maria Albuquerque angekündigte Vorschlag für eine stärkere Zentralisierung der Kapitalmarktaufsicht trifft auf ein geteiltes Echo. Das zeigt eine Auswertung der Stellungnahmen von Finanzindustrie und Finanzinstitutionen zur so genannten Spar- und Investitionsunion (SIU).

Albuquerque hat Vorschläge für eine EU-weite Aufsicht über Marktinfrastrukturen wie Börsen, Clearinghäuser und Zentralverwahrer - und auch für große Vermögensverwalter - vorgelegt. Im Rahmen der Konsultation von Marktteilnehmern zur SIU, die vom 3. Februar bis zum 7. März lief, wurden sehr unterschiedliche Positionen deutlich.

Französische staatliche Institutionen und Unternehmen des Privatsektors sprachen sich für eine stärker zentralisierte Aufsicht aus. Einige Teilnehmer aus Ländern wie Luxemburg, Irland und Schweden warnten jedoch vor einer weiteren Ebene der Bürokratie - und davor, der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA mehr Befugnisse zu übertragen.

Unter den politisch einflussreichen Beteiligten an der Konsultation fordert beispielsweise die Banque de France Fortschritte auf dem Weg zu einer einheitlichen europäischen Aufsicht. Die Notenbank stellt fest, dass seit der Gründung der ESMA viel erreicht wurde, um die Regeln zu harmonisieren und die aufsichtliche Konvergenz umzusetzen. Zudem wird auf die begrenzte, aber voll funktionsfähige direkte Aufsicht durch die ESMA verwiesen, die sich beispielsweise auf Ratingagenturen, Benchmarks, Anbieter von ESG-Ratings, externe Prüfer europäischer grüner Anleihen und bald auch auf Anbieter von Consolidated Tapes erstreckt. Es bestehen jedoch nach wie vor erhebliche Unterschiede, und grenzüberschreitende Aktivitäten sind nach wie vor wegen der Notwendigkeit mehrerer Zulassungen sehr aufwändig.

Die französische Zentralbank stellt fest, dass eine gemeinsame europäische Aufsicht durch die ESMA einen großen Paradigmenwechsel darstellen würde, der eine Überarbeitung der ESMA-Governance erforderte, um die Wirksamkeit des Entscheidungsprozesses zu gewährleisten und gleichzeitig eine faire Vertretung der nationalen Behörden zu garantieren. Um dies zu erreichen, wäre ein schrittweises und zielgerichtetes Vorgehen erforderlich, das sich auf drei Bereiche konzentrieren müsste: Eine unmittelbare Priorität sollte darin bestehen, der ESMA direkte Aufsichtsbefugnisse für Anbieter von Krypto-Vermögenswerten zu übertragen, ähnlich wie dies bereits für Benchmarks oder Ratingagenturen der Fall ist; im Interesse der Finanzstabilität sollte die einheitliche oder zumindest gemeinsame Aufsicht auf systemrelevante Einrichtungen wie Zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer ausgedehnt werden, deren grenzüberschreitende Rolle eine Aufsicht auf EU-Ebene erfordert; und die Stärkung der makroprudenziellen Perspektive bei der Aufsicht über Schattenbanken erfordere wirksame Governance-Regelungen, die mit Gegenseitigkeits- und Erweiterungsbefugnissen erreicht werden könnten, die der ESMA für Non Bank Financial Institutions gewährt werden könnten. 

Französische Aufsicht fordert mehr Kompetenzen für ESMA

Die französische Autorité des Marchés Financiers (AMF) nennt als eine ihrer drei Prioritäten für die Spar- und Investitionsunion die „endgültige Integration der EU-Aufsicht“. Sie argumentiert, dass eine stärker integrierte Aufsicht auf EU-Ebene nach wie vor ein fehlendes Element eines gut funktionierenden Binnenmarkts für Kapital ist und dass „die Konvergenzbemühungen nicht ausreichen“.

Das Fehlen einer wirklich einheitlichen Aufsicht auf EU-Ebene zwinge die Gesetzgeber und die EU-Regulierungsbehörden dazu, extrem detaillierte und präskriptive Vorschriften zu erlassen, was zur Belastung der Regulierung beitrage und die Qualität der EU-Gesetzgebung beeinträchtige. Die AMF ist der festen Überzeugung, dass die EU ohne greifbare Fortschritte bei der Aufsicht auf EU-Ebene nichts Sinnvolles zur Vereinfachung beitragen könne. Daher sei es notwendig, in der Frage einer stärker europäisch ausgerichteten Aufsicht deutliche Fortschritte zu erzielen.

Die AMF sagt, dass mehrere Szenarien auf dem Tisch liegen, von einer „europäischen SEC“, die einen sehr starken politischen Antrieb voraussetzen würde, bis hin zu differenzierteren Ansätzen. Ihrer Ansicht nach müssen jedoch alle Szenarien auf der bestehenden europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA aufbauen und die Entwicklung aller lokalen Märkte und Ökosysteme sicherstellen sowie die große Vielfalt an Aktivitäten und Akteuren, die von den Marktaufsichtsbehörden reguliert werden, und deren wichtige Mandate in Bezug auf die Produktregulierung berücksichtigen.

Eine direkte EU-Aufsicht sei möglicherweise nicht kosteneffizient, wenn sie versuchen würde, alle Sachverhalte zu regeln und alle Produkte zu prüfen und zu beaufsichtigen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Modell der Bankenaufsicht, den Single Supervisory Mechanism. Das SSM-Modell ermögliche beispielsweise eine umfangreiche Delegation an nationale Behörden, insbesondere für kleinere, nicht systemische Institute.

Als unmittelbaren Schritt spricht sich die AMF dafür aus, der ESMA direkte Aufsichtsbefugnisse über globale grenzüberschreitende Anbieter von Krypto-Anlagen zu übertragen. Als Nächstes sollte eine sorgfältige Zuordnung der Kriterien, die eine Übertragung auf die ESMA-Aufsicht auslösen, vorgenommen werden, damit der EU-Gesetzgeber die Gründe und Prioritäten für eine direkte Aufsicht objektivieren kann. Zu den Kandidaten für eine direkte Beaufsichtigung durch die ESMA sollten große europaweite Marktinfrastrukturen gehören. Spezifische Vereinbarungen (z.B. Aufsichtskollegien, „Lead Supervisor“-Ansatz), die sich mehr auf die derzeitigen Kapazitäten der nationalen Behörden stützen würden, aber mit einer stärkeren Beteiligung der EU-Ebene, könnten alternative Lösungen für andere paneuropäische Marktteilnehmer wie große Vermögensverwaltungsgruppen sein. Die französische Aufsichtsbehörde ist zugleich der Ansicht, dass die direkte europäische Produktaufsicht ein schwierigeres Thema sei und eine genauere Prüfung erfordern würde.

Nach Ansicht der AMF ist eine reformierte Governance Voraussetzung für die ESMA, um eine europäische Aufsichtsbehörde mit überarbeiteten Befugnissen zu werden. Ziel sollte es sein, eine effiziente Governance und die Priorisierung der EU-Interessen zu gewährleisten und gleichzeitig der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, alle nationalen Regulierungsbehörden einzubeziehen. „Der SSM ist ebenfalls ein interessantes Modell“, heißt es weiter. Eine Reform des Finanzierungsmodells der ESMA sei notwendig, um die derzeitigen Spannungen zwischen den jeweiligen Budgets der nationalen Wettbewerbsbehörden und der ESMA zu lösen. Und schließlich „sollte man anerkennen, dass die ESMA ihre Aufsichtskultur weiterentwickeln muss“.

Aufsicht über Assetmanager

Das Thema einer stärker integrierten Aufsicht für große EU-Vermögensverwalter wird von mehreren französischen Instituten angesprochen, darunter BNP Paris Asset Management. Vermögensverwalter argumentiert, dass die Koordinierung durch eine federführende Aufsichtsbehörde den Meldeaufwand verringern und die Beaufsichtigung gruppeninterner und EU-weit delegierter Vereinbarungen vereinfachen würde.

Auch die Finanzplatzinitiative Paris Europlace befasst sich mit dem Thema Zentralisierung, allerdings aus einem anderen Blickwinkel. Die Initiative argumentiert, dass die Verwendung von Verordnungen, die direkt anwendbar sind, im Vergleich zu Richtlinien, die unterschiedlich umgesetzt und interpretiert werden, das Risiko der Regulierungsarbitrage einschränken würde. Die Bevorzugung von Verordnungen gegenüber Richtlinien würde daher auch zu einer einheitlicheren Anwendung der europäischen Vorschriften führen.

Vorbehalte und Gegenstimmen

Der Widerstand gegen eine stärker zentralisierte Aufsicht kommt von einer Reihe von Einrichtungen. Der luxemburgische Versicherungs- und Rückversicherungsverband (ACA) erklärt, dass „im Zusammenhang mit der SIU regelmäßig das Konzept einer zentralisierten EU-Aufsicht ins Gespräch gebracht wird. Der ACA sieht keine wesentlichen Vorteile in einer solchen Zentralisierung. Der Präzedenzfall des SSM auf der Bankenseite hat gezeigt, dass er in erster Linie eine zusätzliche Aufsichtsebene zu den bestehenden nationalen Aufsichtsbehörden mit sich bringt, die zusätzliche Kosten für die Branche verursacht und nur sehr begrenzte Vorteile bietet. Konvergenz der Aufsicht und Informationsaustausch statt einer zentralisierten Aufsichtsbehörde sind der richtige Weg“.

Finance Sweden schreibt, dass regulatorische Harmonisierung und schrittweise aufsichtsrechtliche Konvergenz im Allgemeinen bevorzugte Ansätze seien. Unterschiedliche Aufsichtserwartungen und -praktiken könnten dem Binnenmarkt schaden und ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Dies deutet darauf hin, dass eine stärkere regulatorische Konvergenz Vorteile mit sich bringt, und unterstreicht die Notwendigkeit, Goldplating zu vermeiden, „aber dies als Plädoyer für eine allgemeine zentralisierte Aufsicht zu verstehen, ist zu weitreichend und verfrüht“.

Und der niederländische Verband der Fonds- und Vermögensverwalter (DUFAS) schreibt, dass vor einer Änderung der derzeitigen Aufsichtsregelungen unbedingt alle Faktoren sorgfältig geprüft werden müssten. Ein wirksamer Aufsichtsrahmen müsse ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Zielen wie Finanzstabilität, Marktintegrität, Marktwachstum und Anlegerschutz herstellen. Die klare Definition der Ziele und die Bewertung der Kosten und des Nutzens jeder Änderung seien von entscheidender Bedeutung.

„Wir müssen einen pauschalen Ansatz vermeiden, indem wir die Unterschiede zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern und Infrastrukturen anerkennen“, so DUFAS. Bestimmte Bereiche der EU-Kapitalmärkte, insbesondere solche mit einer starken grenzüberschreitenden, gesamteuropäischen Dimension, könnten von einer Aufsicht auf EU-Ebene profitieren. Dies gelte insbesondere dort, wo Effizienzgewinne besser auf EU-Ebene erzielt werden können. Je nach den spezifischen Merkmalen der einzelnen Sektoren müssten möglicherweise zusätzliche Kriterien von Fall zu Fall geprüft werden.