Lob des Bargelds
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Der Anlass steht im Titel: 20 Jahre alt ist in diesem Jahr „unser“ Geld geworden. Bekanntermaßen sind es drei Jahre mehr, schließlich wurde der Euro ja als Buchgeld bereits 1999 eingeführt. Aber für die meisten Bürger ist die Ausgabe der Euro-Banknoten und Euro-Münzen der eigentliche Startschuss für die Einheitswährung gewesen.
Beim Lesen des Buches wird freilich schnell klar, dass das Jubiläum allenfalls einer von mehreren Anlässen ist, dass dieses Buch entstanden ist. Schließlich gibt es längst eine Debatte darüber, wie lange es überhaupt noch Scheine und Münzen im Umlauf geben wird. Weil sich immer neue Formen des Zahlungsverkehrs etablieren, die Bargeld verdrängen. Weil in der Pandemie im Einzelhandel um Kartenzahlung gebeten wurde und der Boom des Online-Handels andere Bezahlarten angeschoben hat. Oder weil die Politik im Kampf gegen Geldwäsche den Einsatz von Bargeld beschränkt – gerade erst jüngst etwa beim Immobilienerwerb.
Allen diesen Entwicklungen stellt die Textsammlung unter Leitung des für Bargeld zuständigen Vorstandsmitglieds der Bundesbank, Prof. Johannes Beermann, die Perspektive entgegen, dass Bargeld durchaus eine Zukunft hat. Der weit überwiegende Teil der Autoren, die sich an der Jubiläumsschrift beteiligt haben, ist nämlich sehr wohl der Ansicht, dass Bargeld kein Auslaufmodell ist. Und die meisten Beiträger machen keinen Hehl daraus, dass dies aus ihrer Sicht auch gut so ist. Das Buch enthält reichlich Lob fürs Bare – und wichtiger: zahlreiche kluge Argumente gegen eine Abschaffung.
So ist das frühere EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch überzeugt, dass es „keine gleichwertige Alternative“ zum Euro-Bargeld gebe. Aufgabe des Eurosystems müsse es daher sein, die Existenz des Bargelds abzusichern und „ungerechtfertigte Beschränkungen abzuwehren“. Der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing betrachtet Forderungen wie vom Ökonomen Kenneth Rogoff, das Bargeld abzuschaffen, ebenfalls überaus kritisch. Umfragen belegten, so argumentiert Issing, welch hohe Bedeutung die Bürger dem Schutz der Privatsphäre und damit der Anonymität der Bargeldzahlungen beimessen. „Ein der Freiheit seiner Bürger verpflichteter Staat kann deren Präferenzen in einer für das Vertrauen in das Geldsystem – und darüber hinaus – so wichtigen Frage nicht ignorieren“, unterstreicht Issing.
Die besondere Stärke der Jubiläumsschrift ist freilich, dass sie weit über die politische Debatte über Für und Wider des Bargelds hinaus in der Tiefe zu ergründen sucht, welche Rolle es für Menschen spielt. So sondiert die Wirtschaftspsychologin Julia Pitters „die Faszination eines Geldreizes im Gehirn“, während sich der französische Essayist Gaspard Koenig mit den Maori-Stämmen als „einer sehr fortschrittlichen und innovativen bargeldlosen Gesellschaft“ befasst und die Soziologin Viviana Zelizer wiederum erläutert, wie in der Pandemie und der einhergehenden sozialen Distanzierung ausgerechnet Geldüberweisungen soziale Bindungen generierten.
Zugleich bietet die Textsammlung attraktiven Lesestoff für all jene, die – eng auf den Haupttitel bezogen – einen Deep Dive der ersten 20 Jahre der Euro-Bargeldgeschichte suchen. Etwa, wenn der Finne Antti Heinonen, der eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung der Euro-Noten spielte, sehr eindrücklich erzählt, wie es eigentlich genau zu den Geldscheinen kam, die heute im Umlauf sind.
Kurzum: Die Schrift bietet sehr viel unterschiedliche Einblicke rund ums Thema Euro-Bargeld. Sie als Tour d’Horizon zu bezeichnen, würde ihr aber nicht gerecht, denn das würde eine gewisse Beliebigkeit unterstellen. Das Buch besitzt jedoch in seinem Aufbau eine kluge Systematik – und viele Einzeltexte überzeugen durch ihre Tiefgründigkeit und ihre Nähe zum Gegenstand.
Johannes Beermann (Hrsg.)20 Jahre EuroZur Zukunft unseres Geldes Siedler Verlag, München1. Auflage, München 2022ISBN 978-3-8275-0165-3 527 Seiten, 32,00 Euro | |||