„Wir brauchen eine koordinierte Industriestrategie in Europa“
„Wir brauchen eine koordinierte Industriestrategie“
Der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke über eine aktive Rolle des Staats und die Unterstützung einzelner Sektoren
Um die Bedingungen für Investitionen zu verbessern, braucht es nach Meinung von Matthias Ecke regulatorische Stabilität und eine aktive Industriepolitik. Sie soll gezielt Rahmenbedingungen setzen, um Zukunftsindustrien den Weg zu ebnen. Die EU muss dazu „abkommen von einer sehr orthodoxen Position“.
fed Brüssel
Was sind die wichtigsten finanz- und wirtschaftspolitischen Aufgaben der nächsten fünf Jahre?
Das Wichtigste ist, dass wir die Bedingungen für Investitionen verbessern. Indem wir regulatorische Stabilität gewährleisten, damit den Unternehmen klar ist, unter welchen Bedingungen sich ihre Investitionen rechnen. Indem wir öffentliche Investitionen fördern, aber auch private Investitionen mobilisieren, etwa durch die Kapitalmarktunion. Indem wir bürokratische Kosten senken. Und: Wir brauchen eine koordinierte Industriestrategie in Europa.
Was verstehen Sie darunter?
Aktive Industriepolitik ist strategisch und investitionsgetrieben. Und sie weist Staaten eine aktive Rolle zu. Anders als eine liberale Industriepolitik, die den Staat auffordert, sich zurückzuhalten. Und auch anders als eine reaktive Industriepolitik, die strauchelnde Industrien zu stützen versucht. Nein, aktive Industriepolitik setzt gezielte Rahmenbedingungen, um zukunftsträchtigen Industrien den Weg zu bahnen.
Wie soll das geschehen?
Wir müssen nichts neu erfinden. Denn es gibt ja aktive Industriepolitik, etwa den Chips Act. Der Staat nimmt einzelne Industrien heraus, erlaubt abweichende beihilferechtliche oder genehmigungsrechtliche Regelungen. Europa muss darauf reagieren, dass sich andere Wirtschaftsblöcke nicht mehr an Regeln halten, die lange galten. Wenn sich die EU darüber einig ist, dass sie resilienter werden muss, dann bedeutet das auch, dass Staaten Unternehmen in kritischen Sektoren aktiver unterstützen können müssen – auch dann, wenn es große Unternehmen sind.
Sie werben dafür, wettbewerbsrechtlich nicht mehr so streng hinzuschauen, wenn sich Große verbünden?
Nein. Denn weniger Wettbewerb führt nicht automatisch zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen. Aber: Einzelne Sektoren müssen stärker unterstützt werden. Und da muss die EU abkommen von einer sehr orthodoxen Position.
Was steht für Sie mit Blick auf die Kapitalmarktunion im Vordergrund?
Wir brauchen einen starken Kapitalmarkt, um die bestehende Bankenfinanzierung zu ergänzen. Dazu muss die Fragmentierung überwunden werden, etwa durch Angleichung nationaler Insolvenzregeln, damit Investoren einfacher Kapital zu Verfügung stellen. Auch die bestehenden nationalen Finanzmärkte müssen vertieft werden. Menschen müssen bereit sein, ihr Geld am Kapitalmarkt anzulegen. Transparenz und Vertrauen spielen hier eine wichtige Rolle.