„Wir möchten offenkundige Gerechtigkeitslücken im Steuersystem endlich schließen"
Frau Beck, Sie waren gerade in Washington bei der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank. Wie der IWF sind Sie besorgt über die hohe Verschuldung ärmerer Länder. Was kann Deutschland tun?
Die Umsetzung der Weltbank-Reform mit dem Ziel von Prosperität auf einem lebenswerten Planeten ist gut gestartet. Versprechen für mehr Transparenz in der Handelsfinanzierung, insbesondere bezüglich der Finanzierung fossiler Energien, müssen nun allerdings ebenfalls zügig umgesetzt werden, um das Ziel erreichen zu können. Die Klimakrise und notwendige Klimaanpassungen treffen ärmere Länder am stärksten. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Staaten, die überschuldet sind, die mehr Geld für den Schuldendienst als für Bildung, Gesundheit oder Klimaanpassung ausgeben müssen. Das ist in vielerlei Hinsicht gefährlich. Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland aktiver für den dortigen Schuldenabbau eintritt und auch (Teil-)Erlasse bedacht werden. Der „Common Debt Framework“ der G20 hat sich bisher nicht als ausreichend bewährt.
Sie fordern mit Blick auf die globale Lage hierzulande mehr finanziellen Spielraums im Budget des Entwicklungsministeriums. Wozu soll es eingesetzt werden?
Die zunehmende Verschärfung von Krisen wie der Klimakrise oder gewalttätiger Konflikte und die parallel steigende Überschuldung vieler Länder des globalen Südens erfordern eine verstärkte globale Zusammenarbeit und die Bereitstellung ausreichender Entwicklungsfinanzierung. Diese Finanzierung ist entscheidend für globale Partnerschaften, für Stabilität, Friedenssicherung und gute Handelsbeziehungen. Es bedarf dringend mehr finanziellen Spielraums, um Investitionen in Gesundheitsversorgung, Bildung, erneuerbare Energieinfrastruktur und Klimaresilienz durchzuführen. Auch im Sinne der Fluchtursachenbekämpfung.
Als finanzpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion haben Sie zusammen mit Fraktions-Vize Andreas Audretsch eine Steuerreform vorgeschlagen. Was ist zu tun?
Wir möchten offenkundige Gerechtigkeitslücken im Steuersystem endlich schließen, um so ein stärkeres Fundament für unser Gemeinwesen zu erreichen. Gute Schulen, Kitas, Sportplätze und Schwimmbäder sind Voraussetzung für sozialen Zusammenhalt und brauchen ausreichend finanzielle Mittel. Aktuell weist unser Steuersystem erhebliche Lücken auf, die es einigen ermöglichen, sich der Verantwortung für das Gemeinwohl steuerlich weitgehend zu entziehen. Es geht auch um Ausnahmen, die kaum zu erklären sind. Beispielsweise ist das Vererben von extrem großen Immobilienvermögen, nämlich ab 300 Wohneinheiten, komplett steuerfrei. Oder: nach zehn Jahren sind die Zugewinne auf Immobilienvermögen bei einem Verkauf steuerfrei, während alle anderen Einkünfte normal besteuert sind. Bei der Erbschaftsteuer sind sehr große Erbschaften von mehr als 26 Mill. Euro de-facto steuerfrei. Solche Ausnahmen am ganz oberen Ende sind ungerecht und haben negative Anreize. Wir wollen diese Lücken schließen.
Sie sprechen von einem „Spielraum in zweistelliger Milliardenhöhe“. Wenn Sie hohe Einkommen stärker mehr belasten, trifft dies auch kleine und mittlere Unternehmen. Ist das gut für die deutsche Wirtschaft?
Es geht in unserem Papier eben gerade nicht um eine Anhebung des Einkommenssteuersatzes. Im Gegenteil, wir Grüne wollen kleinere und mittlere Einkommen entlasten. Der genannte finanzielle Spielraum entsteht allein, indem wir konsequent die Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen. Die zu beendenden Ausnahmen betreffen vor allem sehr große Vermögen, die heute zum Beispiel von der Verschonungsbedarfsprüfung in der Erbschaftssteuer oder von Ausnahmen bei der Immobiliensteuer profitieren. Die daraus gewonnenen Mehreinnahmen können gezielt für den Standort Deutschland eingesetzt werden – davon profitieren kleine und mittlere Unternehmen sogar.
Sie sind in Ihrer Fraktion auch für Startups zuständig. Wie kann es gelingen, diesen Sektor hierzulande zu beflügeln und attraktiv für Beschäftigte zu machen?
Start-ups sind ein entscheidender Faktor für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und daher uns auch so wichtig. Sie sind für viele Beschäftigte auch ein attraktiver Arbeitgeber – auch für Talente aus dem Ausland, die überall gesucht werden. Aber manchmal stehen administrative Hürden im Weg. Bei der für die Talentgewinnung wichtigen Mitarbeiterkapitalbeteiligung gab es zum Beispiel lange die sogenannte Dry-Income-Problematik, die verhindert hat, dass Start-ups die Mitarbeiteranteile als wirksame Gehaltskomponente nutzen konnten. Dies haben wir als Ampel deutlich verbessert. Es gibt aber weitere Herausforderungen wie zum Beispiel Sprachbarrieren bei Behörden oder überbordende notarielle Pflichten. Hier setzen wir uns weiter für den Abbau von Hürden ein.