Effectual modelliert Standard für nachhaltiges Investieren
Im Gespräch: Andreas Gintschel
Effectual modelliert Standard für nachhaltiges Investieren
Von Michael Flämig, München
Scoring-Modelle für nachhaltige Investments werden von subjektiven Einschätzungen geprägt. Dies kritisiert Andreas Gintschel. Der Geschäftsführer und Mitinitiator von Effectual will daher mit dem Konzept der Externalitäten einen neuen Standard für ESG-Investments etablieren.
Effectual will einen neuen nachhaltigen Standard für die Bewertung von ESG-Investments etablieren. “Wir greifen auf das wirtschaftswissenschaftlich etablierte Konzept der Externalitäten zurück“, erklärte Mitinitiator und Geschäftsführer Andreas Gintschel im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Gesamtgesellschaftliche Kosten und Nutzeneffekte sollen gemessen werden. Die Anfang 2022 gegründete Tochtergesellschaft des Family Office Perpetual Investors GmbH beansprucht, auf diese Weise den institutionellen Investoren eine objektive Bewertung für das Portfoliomanagement bereitzustellen.
16.000 Unternehmen im Blick
„Die bekannten Scoring-Modelle für nachhaltige Investments werden dagegen von subjektiven Einschätzungen geprägt“, sagte Gintschel, der zuvor für Prime Capital, J.P. Morgan und die Deutsche Bank gearbeitet hat. Institutionelle Investoren seien mit derartigen Ansätzen nicht zufrieden. Effectual könne etwa 16.000 Unternehmen weltweit anhand von momentan 15 Kriterien vergleichen.
Das Konzept, das auf der Arbeit von vier Beschäftigten basiert, wird bereits auf einen Fonds für Aktien aus Industrieländern angewendet. Für den Ende Mai gestarteten Effectual Capital Fund, der mit dem Assetmanager Quoniam Asset Management verwaltet werde, seien insgesamt rund 100 Mill. Dollar zugesagt worden, sagte Gintschel. Der Luxemburger Fonds umfasse gut 200 Positionen und messe sich am MSCI-World-Index.
Gintschel arbeitet daran, das Konzept breiter zu lizenzieren. Es könnten spezialisierte Aktienfonds aufgelegt werden, sagte er. Darüber hinaus könne es auch auf Fixed-Income-Investments angewendet werden. Zielgruppe seien institutionelle Investoren wie Versorgungswerke, Versicherer, Kirchen, Family Offices oder Stiftungen.
Trumpfkarte Nachvollziehbarkeit
Der große Vorteil des Konzepts der Externalitäten aus Sicht von Gintschel: „Es liefert einen nachvollziehbaren Maßstab für nachhaltiges Investieren.“ Denn die Wissenschaft habe in zahlreichen Studien jene Bewertungen ermittelt, die volkswirtschaftliche Schäden erfassen, die durch Produktion oder Dienstleistungen entstünden und auf die Allgemeinheit abgewälzt würden.
Beispielsweise hätten sich rund 150 Autoren weltweit mit der Frage beschäftigt, welcher CO2-Preis richtig sei, sagte Gintschel: „Der Mittelwert bildet die objektive Grundlage für eine Bewertung.“ Darüber hinaus benötige man Informationen über die ausgestoßenen Mengen der einzelnen Unternehmen. Die Datenlage sei bei den meisten Faktoren gut, so dass eine pekuniäre Bewertung der Schäden möglich sei, betonte Gintschel.
Diese finanzielle Größe könne mit dem Profit eines Unternehmens verrechnet werden und ermögliche so, die nachhaltige Rendite zu errechnen – die sowohl das finanzielle Ergebnis als auch die ESG-Performance berücksichtige. Auf diese Profitabilitätsgröße könne dann die klassische Portfoliotheorie angewandt werden. Effectual legt Wert darauf, auch positive externe Effekte zu erfassen. Beispielsweise lasse betriebsinterne Ausbildung den Wert des einzelnen Mitarbeiters auf dem Arbeitsmarkt steigen, erläuterte Gintschel. Die Weltbank habe derlei Effekte wissenschaftlich gemessen.
Für den aktuellen Fonds hat Effectual rund 15 Faktoren aus den acht Segmenten Treibhausgase, Luftschadstoffe, Abfall, Wasser, Arbeit, Bildung, Gesellschaft und Steuerehrlichkeit berücksichtigt. Effectual arbeite daran, weitere Externalitäten aufzunehmen, sagte Gintschel. Auf der To-do-Liste ständen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen, die Einbeziehung der erzeugten Produkte und die Lieferketten-Thematik.
Die Motive der Investoren
Warum sollen Investoren das Konzept des nachhaltigen Gewinns samt Externalitäten beachten, statt nur auf die reine Rendite zu schauen? Gintschel sieht hierfür drei Gründe: Erstens könnten Anleger sich im Nachhaltigkeitssegment positionieren wollen. Zweitens sei die volkswirtschaftliche Sichtweise, die Externalitäten in die Rendite-Berechnung einzubeziehen, gesellschaftlich richtig und damit zukunftsweisend.
Drittens müssten Investoren damit rechnen, dass bestehende Externalitäten perspektivisch vom Staat beispielsweise über die Erhebung spezieller Steuern korrigiert würden – dies drücke dann auf die Bewertung von angelegten Geldern.
Das Effectual-Prinzip will Gintschel zufolge keine Exklusivität beanspruchen. „Wir sind sehr transparent darin, was wir tun“, betonte er. Ihm sei auch wichtig, einen Anstoß für nachhaltiges Wirtschaften zu geben.