„Fehlen der Kraftwerksstrategie gefährdet die Energiewende“
EnBW schlägt Alarm wegen schleppender Energiewende
Finanzvorstand dringt auf Anreize vom Bund für wasserstofffähige Gaskraftwerke
cru Frankfurt
Seit Monaten fehlt eine detailliert ausgearbeitete Kraftwerksstrategie – und diese Lücke gefährdet nach Einschätzung des Energiekonzerns EnBW die Energiewende. „Die Präsentation der Eckpunkte ist bereits vier Monate her, die schon lange angekündigte Konkretisierung lässt weiterhin auf sich warten“, sagte EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer im Interview der Börsen-Zeitung. „Die aktuellen Signale deuten darauf hin, dass es vor der Sommerpause knapp werden könnte und dass die ersten Ausschreibungen deshalb nicht mehr in diesem Jahr zu erwarten sind. Das wäre sehr bedauerlich. Denn erstens brauchen wir als Investoren dringend eine Klärung der Investitionsbedingungen, und zweitens müssen wir unbedingt vom Reden ins Handeln kommen. Jeder Tag Verspätung macht es teurer.“
Nach Einschätzung von Kusterer ist die Errichtung wasserstofffähiger Kraftwerke, wie sie auch von der EnBW geplant werden, die Voraussetzung für den im Koalitionsvertrag angelegten vorzeitigen Kohleausstieg bis 2030. „Auch hier zählt jeder Tag, denn es wird jetzt langsam eng“, sagte Kusterer. „Für den Kohleausstieg ist die Verzögerung definitiv keine gute Nachricht.“ Das gelte auch für den vorgezogenen EnBW-Kohleausstieg, der schon 2028 kommen soll.
Der Kohleausstieg gilt als wesentlicher Beitrag für das Erreichen der Klimaziele, insbesondere bei der Reduzierung der CO2-Emissionen. „Wenn wir nicht rechtzeitig aus der Kohle aussteigen können und dadurch Klimaziele verfehlen, dann wäre das für Deutschland ohne Zweifel ein schmerzhafter Reputationsverlust“, sagte Kusterer. „Und zudem ein schlechtes Signal für die notwendige Dekarbonisierung der internationalen Energiemärkte.“
EnBW setzt auf den „doppelten Fuel Switch“, erst von Kohle zu Gas und dann später zu Wasserstoff. „Um ausreichenden und günstigen Wasserstoff zu bekommen, darf man am Anfang nicht ausschließlich nur grünen Wasserstoff fordern, sondern es sollten alle klimaneutralen Gase zugelassen werden“, forderte Kusterer. „Grundsätzlich gilt: Je später die endgültige Umstellung auf Wasserstoff kommt, desto günstiger wird die Finanzierung, weil sich dann die Märkte besser entwickeln können.“ Ein flexibles Umstellungsdatum würde helfen. Als Anreize fordert Kusterer eine Mischung aus Investitionskosten- und Betriebskostenförderung, um das Kosten-Delta zwischen Gas und Wasserstoff zu schließen.