Gea steigt mit Say-on-Climate in den Ring
Gea steigt mit Say-on-Climate in den Ring
Unternehmen lässt Anteilseigner als Erster in der Dax-Familie über seine Klimastrategie abstimmen – Votum rechtlich nicht bindend
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Der Maschinenbauer Gea positioniert sich als Vorreiter im Say-on-Climate. Das im MDax geführte Unternehmen will die Anteilseigner auf der Hauptversammlung 2024 über seine mittelfristigen Klimapläne abstimmen lassen. Damit untermauert der Konzern nach eigenen Angaben seine Rolle „als Nachhaltigkeitspionier und wird erstes Mitglied der Dax-Indexfamilie sein, das seinen Klimaplan zur Abstimmung stellt“. Das Aktionärstreffen findet am 30. April statt.
Netto null bis 2040
In dem zur Abstimmung vorgesehenen Klimaplan setzt Gea das Ziel, die Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette bis 2040 auf netto null zu reduzieren. Das Unternehmen kündigt an, bis dahin insgesamt 175 Mill. Euro in die Dekarbonisierung der eigenen Standorte investieren zu wollen. „Über ein Say-on-Climate-Votum binden wir unsere Aktionärinnen und Aktionäre auf unserem Transformationsweg zu einem Net-Zero-Unternehmen aktiv ein und schaffen damit maximale Transparenz über unser Handeln in puncto Klimaschutz“, unterstreicht CEO Stefan Klebert.
In einigen europäischen Ländern sind Aktionärsbeschlüsse zur Klimastrategie von Unternehmen bereits verbreitet, vor allem in Großbritannien, Frankreich und Spanien. Maßgeblich angestoßen wurde die Bewegung vom britischen Hedgefonds-Manager Christopher Hohn, der über den von ihm gesteuerten „The Children’s Investment Fund Management (TCI)“ im Jahr 2020 die Say-on-Climate-Initiative startete.
Eisbrecher Alzchem
In Deutschland ist die Welle bislang nicht angekommen, doch das könnte nur noch eine Frage der Zeit sein. Als Erster wagte sich 2023 hierzulande der Spezialchemieanbieter Alzchem aus der Deckung und legte der Hauptversammlung im vergangenen Mai seinen Klimafahrplan als Konsultativbeschluss zur Abstimmung vor – er fand eine hohe Akzeptanz mit 95% Ja-Stimmen.
Gea lässt sich in der gesellschaftsrechtlichen Umsetzung des Klima-Votums von der Kanzlei Glade Michel Wirtz begleiten. Andreas Merkner, Partner der Sozietät, weist darauf hin, dass es für das Say-on-Climate in den einzelnen Ländern unterschiedliche Regularien gibt. „Man muss unterscheiden, ob das Management das Thema auf die Tagesordnung der Hauptversammlung setzt oder ob es Aktionäre forcieren“, sagt der Anwalt. Im Ausland sei eine Abstimmung der Hauptversammlung über die Klimastrategie vielfach auch auf Betreiben von Aktionären erfolgt. „Das funktioniert im deutschen Recht nicht, denn hierzulande ist die Hauptversammlung für Klimaschutz nicht zuständig. Das müsste der Gesetzgeber erst regeln“, erklärt Merkner.
Rechtlich nicht bindend
Der Kapitalmarktrechtler erinnert daran, dass im Zusammenhang mit der Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Vergangenheit schon einmal diskutiert worden war, ob es sinnvoll sein könnte, dass Aktionäre mit einem bestimmten Quorum ein konsultatives Say-on-Climate verlangen können. Auf dem Juristentag im kommenden Jahr werde es nun eines der Kernthemen sein, ob der Gesetzgeber die turnusmäßige Einholung eines solchen Votums der Hauptversammlung verpflichtend vorsehen sollte.
Der deutsche Gesetzesrahmen erlaube es dem Vorstand aber schon derzeit, der Hauptversammlung freiwillig eine Maßnahme der Geschäftsführung zur Abstimmung vorzulegen. „Das ist auch das, was Gea beabsichtigt. Hier ist es der Wunsch des Unternehmens, dass sich die Aktionäre mit den Klimazielen der Gesellschaft befassen“, erläutert Merkner.
Aktive Stimmrechtsberater
Friedrich Schulenburg, ebenfalls Partner von Glade Michel Wirtz, hebt hervor, dass ein Say-on-Climate in Deutschland als konsultatives Votum der Hauptversammlung für die Unternehmen rechtlich nicht bindend ist. Eine faktische Wirkung des Beschlusses sei gleichwohl gegeben: „Wenn die Aktionäre einen Klimaplan ablehnen, wird das Unternehmen sicherlich darauf reagieren müssen. Das kann der Vorstand nicht ignorieren – so wie man es auch von den Say-on-Pay-Beschlüssen über die Akzeptanz der Vorstandsvergütung kennt, die vor der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie in Deutschland auf freiwilliger Basis eingeholt werden konnten.“
Ob die konsultative Zustimmung zu einem Klimaplan in irgendeiner Form eine entlastende Wirkung für das Management haben kann, darüber werde diskutiert. „Dies ist nicht ganz abwegig, die Wirkung ist aber sicher auch hier nicht rechtlicher Natur“, sagt Schulenburg.
Wer als Unternehmen aktiv den Klimaplan auf die Tagesordnung setzt, muss damit rechnen, dass sich Anteilseigner und Stimmrechtsberater intensiv damit auseinandersetzen – das hat auch Alzchem zu spüren bekommen. „Die Stimmrechtsberater erwarten ihren Guidelines zufolge im Zusammenhang mit einem Konsultativbeschluss zur Klimastrategie durchaus eine Aussage aus dem Unternehmen dazu, wie das Management gedenkt, mit dem Feedback der Aktionäre umzugehen“, warnt Merkner.
Wie Aktionäre die Klimastrategie von Unternehmen in der Hauptversammlung beurteilen, hängt aus Sicht der Anwälte nicht nur davon ab, wie ambitioniert die ökologischen Ziele der Konzerne sind. „In den USA gibt es bereits eine ESG-Gegenbewegung. Insofern kann man auch nicht ausschließen, dass die Aktionäre bei einem Say-on-Climate möglicherweise den Daumen senken, weil ihnen die Klimastrategie des Unternehmens schlicht zu teuer ist. Auch aus diesem Grund bleibt die Befassung der Hauptversammlung mit der Klimastrategie ein spannendes Thema“, resümiert Merkner.