Klimaschock in der EZB
Klimaschock in der EZB
Von Claus Döring
Die EZB läuft Gefahr, durch den Anschein von klimapolitischem Aktivismus an Reputation zu verlieren. Gerade in der gegenwärtigen Phase sollte ihr Fokus allein der Preisstabilität gelten.
Welchen Reputationsrisiken Notenbanken ausgesetzt sind, hat man feststellen können, als sie die Inflationsgefahr falsch eingeschätzt und viel zu spät reagiert haben. Dies gilt insbesondere für die Europäische Zentralbank. Dass die EZB aber auch jenseits ihres primären Mandats zur Sicherung der Preisstabilität ein Reputationsrisiko hat, ließ sich dieser Tage beobachten. Erst im Magazin Politico, dann in der Financial Times, gefolgt von FAZ und schließlich Handelsblatt machte die Aufregung um einen sprachlichen Ausrutscher von EZB-Direktor und Vize-Chef der EZB-Bankenaufsicht Frank Elderson die Runde. Der hatte sich bei einer internen Mitarbeiterveranstaltung abfällig über das Klimaschutz-Wissen von potenziellen Mitarbeitern geäußert und gefragt, weshalb man Leute einstellen solle, die man „umprogrammieren“ müsse, weil sie nicht wüssten, wie man das Wort „Klima“ buchstabiere, obwohl sie von den besten Universitäten kämen. Die ob solcher Wortwahl „geschockte“ und um das Betriebsklima besorgte Personalvertretung reagierte mit einem Brief an Direktorium und Präsidentin Christine Lagarde, in dem sie „Diversität und Inklusion, insbesondere Meinungsvielfalt“ in der EZB in Gefahr sieht. Die daraufhin erfolgte Korrektur seiner Wortwahl von „umprogrammieren“ zu „trainieren“ hätte Elderson besser lassen sollen, denn das erinnert in diesem Kontext an die „Trainingslager“, in denen in China den Uiguren die richtige Gesinnung beigebracht wird.
Klimarisiken sind für Geldpolitik und Finanzstabilität wichtig
Dass Mitarbeiter der EZB wissen sollten, „wie man Klima buchstabiert“, steht außer Frage. Denn Klimarisiken sind – wie andere Risiken auch – für Geldpolitik und Finanzstabilität von Bedeutung. Mit der Neufassung der geldpolitischen Strategie der EZB vor drei Jahren wurde dem Rechnung getragen. Insbesondere seit Übernahme der Bankenaufsicht in Euroland im Zuge des Single Supervisory Mechanism (SSM) muss die Notenbank ein verstärktes Augenmerk auf Klimarisiken und deren Berücksichtigung im Risikomanagement der 120 größten Banken der Eurozone haben. Dies gilt nicht nur für die physischen Risiken, sondern zunehmend auch für die transitorischen Risiken, die sich aus der Transformation der Unternehmen und Banken zum klimaneutralen Wirtschaften ergeben.
Auf vermintes Gelände begibt sich die Notenbank aber, wenn sie klimapolitischen Aktionismus unterstützt oder sich gar zu eigen macht, zum Beispiel im bevorzugten Ankauf „grüner“ Anleihen. Was unter „richtiger“ Klimapolitik zu verstehen ist, ist nicht nur zwischen den politischen Parteien eines Landes, sondern auch zwischen den einzelnen Mitgliedsländern der Eurozone sehr umstritten. Letzteres spiegelt sich Umfragen zufolge sogar in den Meinungen der EZB-Beschäftigten zur Klimastrategie der EZB-Führung. Für die Unabhängigkeit der EZB und ihre darauf fußende Reputation ist es deshalb essenziell, sich aus den politischen Kontroversen herauszuhalten und sich nicht selbst klimapolitisch zu exponieren, zumal sie dazu auch kein Mandat hat. Zurückhaltung empfiehlt sich auch für die Rolle im „Network for Greening the Financial System“ von Notenbanken und Bankenaufsehern, dessen erster Vorsitzender Frank Elderson von 2018 bis 2022 war.
Nur ein primäres Ziel: Preisstabilität
Anders als beispielsweise bei der US-Notenbank gibt es für die EZB nur ein primäres Ziel, nämlich die Preisstabilität. Erst wenn dieses wichtigste Ziel erfüllt ist, kann sie allgemeine Ziele der Wirtschaftspolitik wie Wachstum, Beschäftigung oder Klimaschutz unterstützen. Da die EZB ihr wichtigstes Ziel zuletzt so weit verfehlt hat wie nie zuvor in ihrer Geschichte, täte sie gut daran, sich auf ihr Pflichtprogramm zu fokussieren und den Eindruck zu vermeiden, von Klima-Aktivismus beseelt zu sein. Mit anderen Worten: Die EZB sollte nicht nur ESG-Risiken für die beaufsichtigten Banken und die Finanzstabilität im Blick haben, sondern auch ihr eigenes Reputationsrisiko, das durch klimapolitischen Aktivismus oder den Anschein davon entstehen kann.