Vergütung deutscher Aufsichtsräte gewinnt an Höhe
Vergütung deutscher Aufsichtsräte gewinnt an Höhe
Auf dem Weg zu international wettbewerbsfähigen Entlohnungen − Auch Ausschusstätigkeit wird zunehmend besser honoriert
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Mit zunehmender Professionalisierung und verbreitertem Aufgabengebiet wachsen die Anforderungen an Kompetenzen und Expertise in Aufsichtsräten. Die Vergütung hinkte in Deutschland im internationalen Vergleich lange hinterher, doch immer mehr Dax-Unternehmen stocken die Bezüge auf.
Die Arbeit der Aufsichtsräte wird in Deutschland zunehmend höher honoriert. Zahlreiche Dax-Konzerne haben in der Vergütung der Vorsitzenden der Kontrollgremien zuletzt deutlich aufgestockt − um dem wachsenden Aufwand und erweiterten Anforderungsprofil gerecht zu werden, aber auch, um in der Anwerbung international wettbewerbsfähig zu sein. Während es bei den CEO-Gehältern hierzulande seit geraumer Zeit deutlich nach oben gegangen ist, hinkte die Entlohnung der Unternehmenskontrolleure hinterher. Im Turnus 2022 hatte ein Aufsichtsratsvorsitzender im Schnitt 393.000 Euro verdient; zehn Jahre früher waren es 350.000 Euro. Es hatte sich wenig bewegt. Nun ist die Marke von 400.000 Euro geknackt.
Deutsche Bank vorn
Spitzenverdiener im Ranking für 2023 ist Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Alexander Wynaendts mit einer Vergütung von 929.167 Euro. Dabei ist der Gremienvorsitzende noch drei Monate nach dem alten Vergütungssystem bezahlt worden; für das laufende Geschäftsjahr wird der Betrag auf 950.000 Euro anschwellen. Diesen Betrag sieht die Bank in dem neuen Modell als Fixum für den Aufsichtsratsvorsitzenden vor. Wynaendts’ Vorgänger Paul Achleitner war für das letzte volle Jahr 2021 mit 870.833 Euro nach Hause gegangen, in früheren Jahren hatte er 900.000 Euro erreicht.
950.000 Fixum
Die Deutsche Bank hat das Vergütungsmodell 2023 grundlegend umgebaut. Die jährliche Festvergütung wurde für die ordentlichen Aufsichtsratsmitglieder kräftig von 100.000 auf 300.000 Euro verdreifacht. Für Vorsitzenden und Stellvertreter erhöhte sich das Fixum von 200.000 auf 950.000 Euro bzw. von 150.000 auf 475.000 Euro.
Die Vergütung für Vorsitz und Mitgliedschaft in einzelnen Ausschüssen ist dagegen gekürzt worden. Der Aufsichtsratsvorsitzende erhält für Tätigkeiten in Ausschüssen keine zusätzliche Vergütung mehr. Vor der Anpassung machten die Vergütungen für die Arbeit in den Ausschüssen oft den Löwenanteil des Jahressalärs aus. Wynaendts führt drei Ausschüsse und sitzt in weiteren vier Ausschüssen.
Die Arbeit des Aufsichtsratsvorsitzes deutlich aufgewertet hat auch die Allianz mit Anpassungen 2023. Der Versicherer hat das Fixum für den Gremienchef von 250.000 auf 450.000 Euro aufgestockt. Für die ordentlichen Gremienmitglieder steigt die Entlohnung moderater von 125.000 auf 150.000 Euro. Die Vergütung für Aufsichtsratschef Michael Diekmann ist damit von 537.000 Euro auf 759.000 Euro geklettert. Damit besetzt er Position 2 im Ranking 2023. Anders als bei Spitzenreiter Wynaendts mit reinem Fixum speist sich die Vergütung von Diekmann noch zu knapp 40% aus der Ausschusstätigkeit.
Prüfungsausschuss aufgewertet
Höher entlohnt wird bei der Allianz auch der Prüfungsausschuss. Das Salär für den Vorsitz erhöht sich um 50.000 Euro auf 150.000, für die Mitgliedschaft um 25.000 auf 75.000 Euro. Die Vergütung für die anderen Ausschüsse bleibt unangetastet und vergleichsweise moderat mit 25.000 für Mitgliedschaft und 50.000 Euro für die Leitung. Gremienvorsitzender Diekmann sitzt in allen Ausschüssen des Aufsichtsrats und ist Vorsitzender in vier der Untergremien.
Von Ausschusstätigkeit profitierte 2023 auch Norbert Winkeljohann als stellvertretender Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, der im alten Vergütungssystem 564.583 Euro einstrich, darunter 225.000 Euro für Ausschussarbeit. Damit waren seine Bezüge aus der Bank höher als die Vergütung als Bayer-Aufsichtsratschef, wofür ihm 480.000 Euro gewährt wurden.
In der laufenden Saison haben weitere Konzerne höhere Kompensationen für die obersten Firmenkontrolleure auf den Weg gebracht. Signifikant aufgestockt hat SAP, wo der ausgeschiedene Aufsichtsratschef Plattner zuletzt 430.000 Euro erhielt. Der Softwarekonzern erhöht von 2024 an die Grundvergütung von 275.000 auf 600.000 Euro. Zusätzliches Geld für Ausschusstätigkeit wird damit gestrichen.
In der Spitze auf Augenhöhe
„In der Spitze bewegt sich die Vergütung von Aufsichtsräten in Deutschland auf internationalem Niveau – in der Breite nicht“, beurteilt Regine Siepmann, Senior Partner der Unternehmensberatung HKP Group, das Szenario. Allerdings sei der Vergleich im internationalen Maßstab aufgrund der unterschiedlichen Governance mit einstufigem und zweistufigem Board-System nicht immer gegeben, gibt sie zu bedenken. Dennoch erwarteten internationale Kandidaten „ein international attraktives Vergütungsniveau, das sie in Deutschland vor allem bei den großen börsennotierten Gesellschaften geboten bekommen“.
Unter den Top 10 im Ranking liegen traditionell auch die Aufsichtsratschefs der Automobilkonzerne, wobei sich 2023 Volkswagen nach vorne geschoben hat mit einem Anstieg der Bezüge für Hans Dieter Pötsch von 420.000 auf 676.000 Euro. VW hat das Fixum für den Gremienvorsitz von 300.000 auf 510.000 Euro aufgestockt. In ferner Vergangenheit hatte der ehemalige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch die Marke von 1 Mill. Euro geknackt.
Auch bei Mercedes-Benz zeigt eine Neuregelung Wirkung. Das Fixum für den Aufsichtsratsvorsitzenden wurde von 432.000 auf 600.000 Euro angehoben, wobei ihm auch keine Ausschussvergütung mehr gewährt wird. In seinem letzten Jahr erhöhte sich dabei die Entlohnung für Bernd Pischetsrieder von 532.000 auf 600.000 Euro. Er hat den Stab auf der Hauptversammlung an den Nachfolger Martin Brudermüller weitergegeben.
Novum bei Mercedes ist die Aufwertung des Prüfungsausschussvorsitzes mit einer Festvergütung von 450.000 Euro, was Amtsinhaber Olaf Koch einen Gehaltsanstieg um knapp ein Fünftel bescherte.
BMW liegt ebenfalls im oberen Feld des Rankings, die Vergütung des Aufsichtsratschefs blieb mit 610.000 Euro aber unverändert zum Jahr 2022. Das Gleiche gilt für Siemens mit 602.000 Euro.
„Rein technisches Thema“
Die Frage, ob ein höheres Fixum damit verbunden werden sollte, Ausschusstätigkeit nicht mehr separat zu honorieren, sieht HKP-Vergütungsexpertin Siepmann „als ein rein technisches Thema“. Aufsichtsratsvorsitzende seien in der Regel in vielen Ausschüssen tätig und hätten dort auch oft den Vorsitz inne. „Ob ein Unternehmen Festvergütung plus Ausschussvergütungen gewährt oder eine höhere Festvergütung, die alles inkludiert, ist da weniger entscheidend. Am Ende ist der eine, größere Vergütungsbaustein einfacher zu handhaben und auch klarer zu vermitteln“, meint Siepmann.
Die Bezahlung mit reiner Festvergütung hat sich in den deutschen Aufsichtsräten seit längerer Zeit durchgesetzt. Diskutiert wird immer wieder, ob eine aktienbasierte Vergütung auch für die Kontrollgremien sinnvoll sein könnte. Befürworter argumentieren, das könne die Interessen von Aufsichtsrat und Anteilseigner stärker in Einklang bringen. Gegner befürchten Interessenkonflikte, wenn Aufsichtsräte ihre Entscheidungen am Aktienkurs orientieren.
Aktieninvestment obligatorisch
Einige Dax-Konzerne verpflichten ihre Kontrolleure inzwischen, einen Teil des Geldes in Aktien des Unternehmens zu stecken. So muss bei BASF, wo Aufsichtsratschef Kurt Bock unverändert 550.000 Euro einstrich, jedes Gremienmitglied ein Viertel der Festvergütung in BASF-Aktien investieren und für die Dauer der Amtszeit halten. Brenntag verpflichtet in den Share Ownership Guidelines ein Investment von einem Fünftel des Fixums mit Halteverpflichtung für eine Bestellperiode. Auch der Chemikalienhändler hat die Vergütung 2023 nach oben angepasst und das Fixum für den Vorsitz von 210.000 auf 325.000 Euro erhöht.
„Aktien des eigenen Unternehmens sind für Aufsichtsräte ein sehr sinnvolles Instrument – gerade in der Doppelrolle als Kontrolleur und strategischer Sparringspartner des Vorstands“, sagt Governance-Beraterin Siepmann. Dabei seien Aufsichtsräte auch in zustimmungspflichtige Geschäfte mit massivem Einfluss auf den Unternehmenserfolg und Aktienkurs eingebunden. „Mit eigenen Aktien ‚Skin in the Game‘ zu haben, fördert verantwortungsvolle Entscheidungen“, so Siepmann.