KommentarAufsichtsräte

Mitbestimmung? Gerade jetzt!

Deutsche Aufsichtsräte sind laut einer Studie noch wenig international aufgestellt. Das Problem muss dringend angegangen werden - die Wiederauffrischung der Mitbestimmungskritik ist aber nicht der richtige Weg.

Mitbestimmung? Gerade jetzt!

Aufsichtsräte

Mitbestimmung?
Gerade jetzt!

Von Karolin Rothbart

Es ist schon erstaunlich: Obwohl die deutschen Börsenschwergewichte einen Großteil ihrer Umsätze mittlerweile im Ausland erwirtschaften, sind sie in ihren Aufsichtsräten noch vergleichsweise wenig international aufgestellt. Seit Jahren dümpelt der Ausländeranteil in den Kontrollgremien der Dax40-Konzerne bei etwa einem Drittel vor sich hin, wie die Personalberatung Russell Reynolds in einer Studie festgestellt hat. Konkret waren es zuletzt 35%. Rechnet man Schweizer und Österreicher heraus, waren es sogar nur 26%.

Dass es anders geht, zeigen Unternehmen aus Frankreich und Großbritannien. Im Cac40 belief sich der Ausländeranteil in den Aufsichtsräten zuletzt auf 38%. Im FTSE100 waren es gar 42%.

Was also ist das Problem in Deutschland? Eine fehlende Erkenntnis, dass ein breiteres Spektrum an Perspektiven zu fundierteren wirtschaftlichen Entscheidungen führt, wird es ja wohl hoffentlich nicht sein. Um Antworten zu finden, haben die Studienautoren in Einzelinterviews mit ausländischen Dax-Aufsichtsräten nach Antworten gesucht. Von 88 Mandatsträgern, die nicht aus der DACH-Region kommen, haben sich etwa 35% dazu bereit erklärt. Ein Ergebnis: Viele erachten die deutschen Konzerne zwar durchaus als attraktiv. Einige nutzten das Format aber auch für die altbekannte Kritik an den in Deutschland geltenden Mitbestimmungsregeln. Die paritätische Besetzung der Kontrollgremien großer Konzerne mit Arbeitnehmervertretern und Anteilseignervertretern sei „veraltet“ und „ineffizient“, wie einige Umfrageteilnehmer bemerkten.

In einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen in westlichen Gefilden ernsthafte Sorgen um die Demokratie machen, wirkt die Wiederauffrischung solcher Diskussionen - gelinde gesagt - unangebracht. Denn die paritätische Mitbestimmung ist gelebte Demokratie und als solche per Definition ein anstrengendes Unterfangen. Anstatt eines der Kernelemente der sozialen Marktwirtschaft in Frage zu stellen, sollten sich Anteilseigner und Arbeitnehmer lieber an einen Tisch setzen, und gemeinsam nach Lösungen für mehr Diversität in ihren Gremien suchen. Die Verantwortung liegt bei allen Beteiligten.

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