Nachhaltige und geopolitische Transformationen fordern die EU
Nachhaltige und geopolitische Transformationen fordern Banken
EU-Kommissionsvertreterin will Finanzsektor stärken
fir Frankfurt
Die europäische Finanzindustrie sieht sich nach Ansicht der stellvertretenden Generaldirektorin Finanzmarkt der EU-Kommission (FISMA), Alexandra Jour-Schroeder, nachhaltigen, geopolitischen und kapitalmarktorientierten Transformationsprozessen ausgesetzt. Die Aufgabe der EU betrachtet sie unter anderem darin, die Branche dabei zu unterstützen, die Herausforderungen zu meistern. „Wir brauchen einen Finanzsektor in Europa, der fit für die Transformation ist. Da wir viele Veränderungen erleben, müssen wir einen Rahmen schaffen“, sagte sie am Mittwoch bei der Branchenveranstaltung Frankfurt Digital Finance.
In der Welt behaupten
Angesichts geo- und machtpolitischer Verschiebungen in der Welt, sichtbar etwa im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der bevorstehenden US-Wahl mit einer möglichen Rückkehr eines Präsidenten Donald Trump und dem Sprung Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, müssten Europas Unternehmen unterstützt werden, um strategisch autonom zu bleiben, sprich, sich gegenüber China und den USA zu behaupten. Auch bei der ESG-Transformation stelle sich die Frage, wie der Finanzsektor in Europa fit gemacht und unterstützt werden könne. Um bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, sei es noch ein weiter Weg.
Rahmenbedingungen schaffen
Und schließlich müssten die Rahmenbedingungen in Europa geschaffen werden, um den Schritt hin zu einer Kapitalmarktunion zu gehen. „Wir haben bereits gute Fortschritte gemacht, sind aber noch nicht da, wo wir sein sollten“, führte Jour-Schroeder aus. „Wir haben trotz des Potenzials noch nicht wirklich einen europäischen Kapitalmarkt in dem Sinne, dass privates Kapital problemlos zwischen den Staaten fließen kann.“
Als essenziellen Baustein für eine tiefe und liquide Kapitalmarktunion hob sie Verbriefungen hervor. Die Schwierigkeit bestehe hier vor allem darin, dass diese als eine wesentliche Ursache der Weltfinanzkrise 2007/08 angesehen würden. Davon gelte es sich zu befreien, indem ein sichererer Verbriefungsmarkt geschaffen werden. „Wir müssen dieses Trauma hinter uns lassen“, sagte Jour-Schroeder.
700 Milliarden Euro im Jahr
Ihr zufolge sind allein in Europa 700 Mrd. Euro pro Jahr vonnöten, um bis 2030 eine dekarbonisierte Wirtschaft zu ermöglichen. Da dies unmöglich nur mit öffentlichen Mitteln zu schaffen sei, bestehe die Herausforderung darin, wie privates Geld eingesetzt werden kann. Die Schwierigkeiten begännen jedoch schon bei der Definition, was überhaupt unter grün zu verstehen sei, räumte sie ein. „Das ist einfach zu sagen, aber nicht einfach zu tun. Bei der Umsetzung sehen wir manchmal Schwierigkeiten.“
Möglicher Anpassungsbedarf
Fortschritte seien ungeachtet der Herausforderungen aber zu erkennen. So würden beispielsweise 65% der im Stoxx 600, dem Aktienindex der 600 größten europäischen Unternehmen, gelisteten Unternehmen in nachhaltige Aktivitäten investieren. Ihr Fazit zur grünen Transformation lautet: „Wir müssen ein wenig nachdenken, ob es Anpassungsbedarf gibt, aber wir müssen nicht das ganze Konzept neu überdenken.“
Anpassungen denkbar
Die EU konzentriere sich nun darauf, die Transformation zu verwirklichen und Finanz- wie Unternehmenssektor auf dem Pfad des Übergangs zu unterstützen, sagte Jour-Schroeder. Im Vordergrund stünden dabei Anwendbarkeit und Vereinfachung von Vorgaben. Sie ließ durchblicken, dass möglicherweise auch rechtliche Anpassungen möglich seien, aber aktuell sei es noch zu früh für derlei Überlegungen.